Petra und der Reiterhof. Torbjörg Hagström
ihren Fehler gern wiedergutmachen.
„Aber wenn ich mich wieder verirre?“ fragte Astrid zweifelnd.
„Ich werde schon auf dich aufpassen. Cherokee wirft mich nicht ab wie damals Rex.“
„Dann darf ich auf Svala reiten?“
„Ja, klar. Also gut, dann machen wir uns gleich auf den Weg.“
Astrid saß still und etwas verwirrt auf Svalas Rücken, während Petra sich in Cherokees Sattel schwang. Astrid wollte eigentlich gar nicht ausreiten, doch sich mochte auch nicht länger widersprechen, um nicht feige zu erscheinen.
Natürlich machte es ihr Freude, Svala zu reiten. Trotzdem stieß sie einen erleichterten Seufzer aus, als sie nach einem kurzen, ruhigen Spazierritt zur Reitschule zurückkehrten.
„Hat’s Spaß gemacht?“ fragte Lena schon von weitem.
Ihre Schwester nickte.
„Willst du morgen wieder ausreiten?“ schlug Petra vor.
Astrid überlegte einen Augenblick und erwiderte dann, ja, sie hätte nichts dagegen.
Morgen muß ich Astrid dazu bringen, Cherokee zu reiten, dachte Petra auf dem Heimweg. Wenn sie dieses Pony bekommen soll, ist es wichtig, daß sie endlich lernt, mit ihm zurechtzukommen.
Astrid betastete den Sattelgurt.
„Würdest du den Riemen bitte noch ein Loch enger schnallen, Petra? Ich schaff es einfach nicht.“
Petra kam und zog am Gurt.
„Jetzt reicht es bestimmt. Wollen wir losreiten?“
„Ja, wenn du meinst.“
Die Mädchen stiegen auf die Pferde und ritten los, während Lena im Stall zurückblieb. Astrid verkürzte die Zügel sicherheitshalber ein wenig. Sie traute Cherokee nicht ganz, und jetzt waren sie nicht länger von einem schützenden Zaun umgeben.
„Lassen wir die Ponys traben“, schlug Petra vor.
Astrid trieb Cherokee mit einem Schenkeldruck an, doch gleichzeitig zog sie die Zügel vor Angst so straff an, daß das Pony nur im Schritt weiterging. Wieder versuchte sie ihn anzutreiben; da warf Cherokee zornig den Kopf zurück, so daß Astrid den einen Zügel losließ, und fiel in Trab. Hastig griff sie wieder nach dem Zügel und hielt sich sicherheitshalber auch noch an der Mähne fest.
Nach einer Weile fragte Petra, ob sie galoppieren wollte.
„Nein, nicht auf Cherokee!“ erwiderte Astrid entschieden.
So ritten sie abwechselnd im Mittelschritt und im Trab weiter. Plötzlich erhob sich dicht neben ihnen ein wildes Geflatter, und Cherokee zuckte zusammen.
„Was war das?“ fragte Astrid erschrocken.
„Nur eine Drossel, die aufgeflogen ist.“
Nach diesem Zwischenfall war Astrid doppelt wachsam und hatte nur noch den einen Wunsch, möglichst bald wieder umzukehren. Sie fürchtete sich nicht vor Cherokee, wenn sie innerhalb der sicheren Umzäunung der Reitschule waren, doch hier im Wald hatte sie das Gefühl, dem Pferd ausgeliefert zu sein.
Als sie zurückkamen, stand Klaus vor dem Stall. Die Sommerferien waren fast vorüber, und er sagte, er müsse am nächsten Tag wieder nach Hause fahren. Plötzlich fühlte sich Petra seltsam ratlos und bedrückt.
„Hast du Lust, heute abend mit mir ins Kino zu gehen?“ fragte Klaus.
„O ja, prima. Aber wir müssen wohl früh los, wenn wir rechtzeitig in die Stadt kommen wollen.“
„Mach dir keine Sorgen“, sagte er. „Wenn wir bis zur Acht-Uhr-Vorstellung warten, kann ich mir ein Auto leihen.“
Er versprach, Petra abzuholen, und keiner von beiden ahnte, welche Folgen diese Verabredung haben sollte.
Eine gefährliche Fahrt
Petra verbrachte einen Teil des Nachmittags damit, ihr ungebärdiges Haar auf Lockenwickler zu drehen, damit es sich endlich einmal so frisieren ließ, wie sie es sich vorstellte. Lange Zeit saß sie mit Kamm und Bürste vor dem Spiegel, ehe sie einigermaßen zufrieden war.
Ihre Haare waren dicht und glänzend und hatten die Farbe eines reifen Weizenfeldes. Petra sah nachdenklich in die grau-grünen Augen ihres Spiegelbildes. Ihre Haut war gleichmäßig gebräunt, ihr Gesicht leicht oval. Zum erstenmal merkte Petra, daß sie eigentlich ganz hübsch war.
Sie zog das gleiche Kleid an, das sie am Mittsommerabend getragen hatte, und band eine silberne Halskette um, die noch von ihrer Großmutter stammte.
„Klaus ist doch hoffentlich ein sicherer Fahrer?“ fragte ihre Mutter und steckte den Kopf durch die Tür.
„Ich nehme es an.“
Petra war noch nie mit Klaus im Auto gefahren, doch sie hoffte, daß er hinter dem Steuer nicht ebenso sorglos war wie manchmal im Sattel.
Nun mußte er bald kommen, wenn sie rechtzeitig zur Vorstellung in der Stadt sein wollten. Petra konnte es nicht leiden, bei solchen Gelegenheiten erst in letzter Minute zu erscheinen. Sie ging zum Bücherregal und wählte eines ihrer Lieblingsbücher aus, um sich die Wartezeit zu verkürzen.
Nach einer Weile sah sie wieder auf die Uhr. Weshalb kam Klaus so lange nicht? Vielleicht hatte er unterwegs eine Reifenpanne gehabt; so etwas konnte ja passieren.
Petra war mit der Zeit recht geschickt darin geworden, sich Entschuldigungen für Klaus auszudenken. Und wenn ihr das nicht gelang, sagte sie sich, daß er ja unmöglich dem Idealbild gleichen konnte, das ihr von einem Jungen vorschwebte. Klaus war auch nur ein Mensch, und sie mußte ihn eben so hinnehmen, wie er war – mit seinen guten und schlechten Seiten.
Die Minuten vergingen, und Petra glaubte immer mehr, daß etwas passiert sein mußte. Gerade als sie bei Klaus’ Verwandten anrufen wollte, um zu fragen, wann er losgefahren wäre, hörte sie, wie sich ein Wagen über dem Hügel näherte.
Rasch griff sie nach einer Strickjacke und ihrer Tasche und eilte aus dem Haus. Ein schwarzer Opel bremste vor der Tür. Klaus saß hinter dem Steuer. Petra öffnete den Wagenschlag und setzte sich neben ihn.
„Hallo, Petra!“
„Ich dachte, wir würden früher losfahren. Schaffen wir’s überhaupt noch?“
„Ach ja, klar. Ich mußte unterwegs noch tanken, aber deswegen versäumen wir den Anfang des Films bestimmt nicht.“
Petra legte den Sicherheitsgurt um.
„Willst du dich nicht auch anschnallen?“ fragte sie.
„Schon recht, wenn du meinst. Aber ich habe nicht vor, mit einem anderen zusammenzustoßen“, erwiderte Klaus lachend und schnallte sich an, während sie zur Landstraße abbogen.
Dann trat er aufs Gaspedal, und der Wagen schoß vorwärts. Sie passierten ein Schild mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 Kilometer in der Stunde, hatten jedoch bereits ein viel höheres Tempo erreicht. Auf einer Straßenkuppe mit schlechter Sicht überholten sie ein anderes Auto in rasender Fahrt.
Du lieber Himmel, wenn nun ein Wagen aus der entgegengesetzten Richtung kommt, dachte Petra während des Überholens. Verstohlen schielte sie auf den Tachometer. Er zeigte hundertzwanzig. Sie sagte nichts, weil sie fürchtete, Klaus könnte sie für feige halten; doch ihr Griff um die Handtasche wurde fester, ohne daß sie es merkte.
Sie kamen noch an mehreren Schildern mit Hinweisen auf Geschwindigkeitsbegrenzungen vorbei, die Klaus wohl kaum übersehen konnte, aber der Zeiger des Tachometers ging ständig nach oben. Petras Fingernägel gruben sich in das Leder der Tasche. Es war doch gefährlich, so schnell zu fahren.
Schließlich konnte sie sich nicht länger beherrschen.
„Meinst du nicht, daß wir