Petra und der Reiterhof. Torbjörg Hagström
„Ja, vielleicht“, sagte Astrid ohne Überzeugung.
Am folgenden Tag nahm Petra ihr Pony mit zur Reitschule und ritt mit ihm in die Halle. Sie hatte sich für den Dressurwettbewerb angemeldet, der ebenfalls anläßlich der Einweihungsfeier stattfinden sollte, und übte nun des öfteren unter Karins Aufsicht. Nachdem sie mehrere Jahre ohne Unterricht geritten war, kam es ihr nun vor, als hätte sie in diesem Sommer eine ganze Menge gelernt. Sie wartete mit großer Spannung auf die Wettkämpfe. Es mußte schön sein, zeigen zu können, was Svala konnte; schön, an einem Wettbewerb teilnehmen zu dürfen.
Würde Svala das Springturnier fehlerlos schaffen? Würde es mit der Dressur klappen, oder würde sie versagen, wenn Charlotte und Agneta und alle anderen zusahen? Gegen die Zwillinge hatte sie wohl keine Chance, doch man konnte ja auf ein Wunder hoffen.
Als Petra mit Svala nach der Stunde die Reitbahn verließ, sah sie plötzlich Herrn Johanson vor dem Stallgebäude stehen. Verwundert musterte sie ihn. Was machte er da ohne Astrid und Lena?
„Hallo, Petra!“ rief er und kam auf sie zu. „Ich möchte etwas mit dir besprechen.“
„Ist es wegen des neuen Ponys?“
„Ja und nein.“ Astrids Vater lächelte und sah sie gespannt an. „Ich wollte dich fragen, ob du bereit wärst, uns Svala zu verkaufen!“
Ist Cherokee das richtige Pferd?
„Du bist jetzt fünfzehn Jahre alt, stimmt’s?“ fuhr Herr Johanson hastig fort, ehe Petra sich von ihrer Überraschung erholt hatte. „In weniger als drei Jahren bist du zu alt, um noch in der Juniorenklasse mitkämpfen zu können. Dann wirst du sicher ein richtiges Reitpferd haben wollen, denn du wirst dich ja bestimmt an Turnieren beteiligen – du mit deinem Talent! Wir würden dir einen guten Preis für Svala zahlen, damit du dir ein richtig schönes, großes Pferd kaufen kannst. Du siehst doch, wie das mit Astrid ist. Svala scheint das einzige Pony zu sein, dem sie vertraut. Für dich ist es viel leichter, ein neues Pferd zu finden.“
„Svala ist nicht zu verkaufen!“ erwiderte Petra bestimmt. „Und für meine Zwecke genügt sie vollkommen!“
Svala verkaufen – was für ein Gedanke! Es mochte ja stimmen, daß sie in ein paar Jahren ein großes Pferd brauchen könnte, doch aber nicht, wenn sie dafür auf Svala verzichten mußte. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, ihr Pony gegen ein anderes Pferd zu tauschen; nicht einmal gegen ein Dutzend der hervorragendsten Turnierpferde.
„Mein Vorschlag kommt natürlich ziemlich unerwartet“, sagte Astrids Vater. „Aber du kannst es dir doch überlegen. Wir möchten so gern, daß Astrid ein Pony bekommt, mit dem sie zufrieden ist.“
„Das möchte ich auch“, erwiderte Petra, „aber Svala verkaufe ich nie! Sie müssen eben versuchen, daß man Ihnen irgendein braves Pony für eine Woche zur Probe überläßt, dann wird Astrid es sicher liebgewinnen.“
Petra ritt nicht direkt nach Hause, sondern machte noch einen Abstecher durch den Wald. Als sie an eine Wegkreuzung kam, beschloß sie, in den Pfad zur Rechten einzubiegen, und ehe sie noch am Zügel ziehen konnte, bog Svala schon von selbst nach rechts ab.
„Ich wäre wirklich verrückt, wenn ich dich verkaufen würde, Svala.“ Petra strich mit der Hand über die Mähne ihres Ponys. „Wir sind aufeinander eingespielt, du und ich. Und wenn Astrid ebenfalls ein eigenes Pony hat, können wir gemeinsam ausreiten.“
Petra seufzte. Es war nicht so leicht, ein Pferd für Astrid zu finden, wie sie geglaubt hatte. Ponys wie Svala wuchsen eben nicht auf den Bäumen.
Am nächsten Tag übte sie eine Weile auf ihrer eigenen Bahn Dressurreiten.
Svala machte ihre Sache gut, und Petra kehrte zufrieden zum Stall zurück. Als sie um die Ecke des Kuhstalls kam, sah sie, daß die ganze Familie Johanson mit dem Wagen angekommen war.
„Hallo, Petra, wir wollen uns ein neues Pferd ansehen!“ rief Lena ihr entgegen. „Kommst du mit?“
„Ja, klar. Ich bringe nur Svala in ihre Box.“
Petra stieg ab, und Svala ging ein paar Schritte auf Astrid zu. Mit leisem Wiehern reckte das Pony den Hals und versetzte dem blinden Mädchen einen freundschaftlichen Puff.
„Wir haben einen ziemlich weiten Weg vor uns. Es wird wohl den ganzen Nachmittag in Anspruch nehmen“, warnte Herr Johanson.
„Das macht nichts. Ich hatte heute sowieso nichts Besonderes vor.“
Sie fuhren gut zwei Stunden, ehe sie ihr Ziel erreichten. Petra verstand plötzlich, weshalb Herr Johanson die langen Ausflüge langsam etwas satt hatte.
Die Besitzerin des Pferdes, das zum Verkauf stand, war ein hochaufgeschossenes Mädchen in Petras Alter. „Cherokee wird langsam etwas zu klein für mich“, erklärte sie. „Ich brauche ein größeres Pferd. Er springt phantastisch, und ich würde ihn nie verkaufen, wenn ich das Geld hätte, um zwei Pferde zu halten, aber das geht nicht. Sie brauchen natürlich ein ruhiges und leicht zu leitendes Pony, und das ist Cherokee. Der Preis ist auch recht günstig.“
„Können wir ihn uns jetzt ansehen?“ fragte Frau Johanson.
„O ja, natürlich.“
Sie gingen zum Stall, wo das Pony in einer geräumigen Box stand, und das Mädchen holte Sattel und Trense.
„Wie sieht er aus?“ fragte Astrid wie gewöhnlich.
Petra besah sich das Pony genau und überlegte einen Augenblick. „Er ist graubraun, mit dichter schwarzer Mähne und buschigem Schwanz. Ich glaube, er ist genauso hoch wie Svala, aber viel kräftiger. Dick ist er jedoch auch nicht. Die Beine wirken stark, und er sieht gesund und gepflegt aus. Ruhig scheint er auch zu sein, aber man kann ja nie wissen. Er sieht uns aufmerksam an. Seine Augen leuchten durch die Stirnlokken, und er spitzt die Ohren. Auf der Oberlippe hat er einen kleinen weißen Fleck. Jetzt senkt er den Kopf, wir sind wohl doch nicht so besonders interessant für ihn.“
In diesem Augenblick kam das Mädchen mit Sattel und Trense zurück.
„Jetzt wird er gesattelt“, fuhr Petra fort. „Er steht ganz ruhig da und sträubt sich nicht. Er bläht sich nur ein bißchen auf, aber das tun die meisten Pferde, wenn der Sattelgurt angezogen wird.“
„Willst du zuerst probereiten?“ fragte das Mädchen und wandte sich dabei an Petra.
Petra machte ein unsicheres Gesicht.
„Ja, warum nicht?“ meinte Frau Johanson.
Das Pony ging ohne weiteres mit Petra aus dem Stall. Die Besitzerin zeigte den Mädchen eine kleine Koppel, auf der sie reiten konnten.
Cherokee war im Dressurreiten lange nicht so geschickt wie Svala, doch es gab auch Pferde, die ihre Sache viel schlechter machten.
„Versuch’s mit dem Hindernis dort drüben!“ schlug das Mädchen vor, als Petra einige Minuten lang geritten war.
Das Hindernis war ein weißes Gatter von knapp einem Meter, das in der Nähe des Zaunes stand. Na, jetzt wollen wir mal sehen, ob du wirklich so phantastisch springst, dachte Petra und steuerte direkt auf das Hindernis zu.
Das Pony spitzte die Ohren und fiel in Galopp. Petra fand, daß das Gatter für einen so kurzen Anlauf ein wenig hoch war, doch Cherokee vollführte einen kraftvollen Abstoß und setzte ohne das geringste Zögern darüber. Nach dem geglückten Sprung streichelte Petra das fremde Pony und kehrte im Trab zum Zaun zurück, wo die anderen warteten.
„Willst du es jetzt versuchen, Astrid? Cherokee ist nicht ganz so empfindlich in den Flanken wie Svala; du mußt also etwas stärkeren Schenkeldruck anwenden. Aber er ist leicht zu reiten.“
Astrid merkte, daß Petra recht hatte. Sie mußte die Schenkel wirklich fest andrücken, doch das Pony machte einen freundlichen und gefügigen Eindruck auf sie.
„Na,