Petra und der Reiterhof. Torbjörg Hagström

Petra und der Reiterhof - Torbjörg Hagström


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Da erklang in der Ferne plötzlich vielstimmiges Blöken. Konnten das die Schafe des Granberg-Hofes sein?

      Während Astrid gespannt auf das Blöken lauschte, fiel Svala wieder in Galopp. Erschrocken zog Astrid an den Zügeln, und das Pony wechselte zu starkem Trab. Bald ging der Abhang in hügeliges Gelände über. Nun vollführte Svala eine scharfe Wendung. Astrid schwankte, doch das Pony mäßigte sein Tempo so weit, daß seine Reiterin sich im Sattelhalten konnte. Nach einigen Metern blieb Svala stehen.

      „Sind wir jetzt zu Hause?“

      Astrid wartete einen Augenblick, doch das Pony machte keine Anstalten, weiterzugehen. Da glitt sie aus dem Sattel. Sie griff mit der einen Hand nach den Zügeln und tastete sich mit der anderen vorwärts. Nach einer Weile stieß sie gegen eine Holzwand und fand den Weg zu einer Tür, Das muß die Stalltür sein, dachte sie voller Erleichterung, weil Svala davor stehengeblieben ist. Welche Freude, endlich zu wissen, wo sie sich befanden! Astrid umarmte Svala zärtlich und öffnete dann die Tür.

      Svala strebte auf ihre Box zu, und Astrid folgte ihr. Plötzlich stieß das Mädchen gegen etwas Hartes, biß sich auf die Zunge und ließ dabei die Zügel los. Als sie ihre Umgebung abtastete, merkte sie, daß sie vor der Wand der Box gelandet war.

      Svala stand bereits auf ihrem angestammten Platz. Astrid folgte ihr. Es war ein wenig eng zwischen dem Bretterverschlag und dem Pony, doch Svala machte ihr bereitwillig Platz. Geduldig fingerte Astrid an der Trense, bis sie sie geöffnet hatte und abnehmen konnte. Das Halfter fand sie in der Pferdekrippe.

      Petras Reitstunden pflegten bereits im Stall zu beginnen. Sie hatte sich bemüht, Astrid so viel wie möglich über die Pferdepflege und das Aufzäumen begreiflich zu machen. Nun war Astrid froh darüber. Sie schaffte es, den Sattel herunterzunehmen und legte ihn zusammen mit der Trense auf die Stallgasse. Dann berührte sie Svalas Beine. Petra hatte ihr beigebracht, daß man das nach jedem Ausritt tun mußte. Das Fell des Ponys war trocken und kühl, wie es sein sollte, doch die Fesseln waren voller Schmutz, und Astrid wischte Sandkörner, Tannennadeln und Erde mit den Fingern ab.

      „Ach, Svala, du bist ein wunderbares Pferd! Du hast wirklich heimgefunden!“

      Gerade in dem Augenblick, als Petra sich wieder auf die Suche nach Astrid machen wollte, klingelte im Stallbüro das Telefon. Agneta nahm ab.

      „Petra, deine Mutter ist dran!“ rief sie.

      Petra stürmte ins Büro und griff nach dem Hörer.

      „Astrid und Svala sind zurückgekommen! Und sie sind beide gesund und munter!“

      Petra sank auf einen Stuhl. Sie war so erleichtert, daß sie nicht wußte, was sie sagen sollte.

      „Wann sind sie gekommen?“ stieß sie endlich hervor.

      „Vor einer Weile. Ich merkte, daß die Stalltür offenstand, und ging hinein. Da hatte Astrid bereits abgesattelt; sie ist wohl schon vor einigen Minuten zurückgekommen.“

      „Das muß ich gleich Lena und Frau Johanson sagen!“ rief Petra. „Wir kommen so schnell wir können. Tschüs!“

      Wenige Minuten später saß sie neben Lena auf dem Rücksitz von Frau Johansons Wagen, um Astrid abzuholen. Es wurde nicht viel gesprochen, doch Petra schwirrte der Kopf.

      Astrid war ohne Verletzungen zurückgekommen, und das war wichtiger als alles andere. Klaus’ Ahnung, daß Svala heimlaufen würde, war eingetroffen. Doch nun hatte Petra andere Sorgen. Würde Astrid nach diesem Abenteuer je wieder reiten wollen? Es mußte ja ein schreckliches Erlebnis für sie gewesen sein, und Petra hatte den Eindruck gewonnen, daß Astrid eine vorsichtige Reiterin war, die nichts riskieren wollte. Es wäre wirklich schade gewesen, wenn sie nun das Reiten aufgeben würde. Alles hatte doch so gut angefangen. Petra hatte inzwischen richtige Zuneigung zu ihrer Schülerin gefaßt und sich über jeden Fortschritt gefreut. Und nun hatte sie durch ihren Leichtsinn alles verdorben, so daß Astrid sich vielleicht nie wieder auf ein Pferd setzen wollte!

      Lena brach das Schweigen, indem sie von Puppe und ihrem eigenen Sturz erzählte. Für sie gab es keinen Zweifel, daß Agneta an allem schuld war.

      Gleich darauf bog das Auto in den Hof ein, und Petra konnte endlich mit Astrid sprechen. Das blinde Mädchen wirkte kein bißchen unglücklich oder verängstigt.

      „Svala war großartig!“ versicherte Astrid immer wieder, als sie alle zusammen um Granbergs Küchentisch saßen und sich nach dem Abenteuer mit Himbeersaft stärkten. „Zuerst wollte sie nur grasen, aber dann ist sie ohne Zögern nach Hause gegangen. Einmal bin ich gestürzt, als sie über etwas sprang, aber daran war ich selbst schuld. Sie blieb nämlich stehen und wollte nicht weitergehen, doch ich begriff nicht, daß etwas im Weg war, und trieb sie an – da hat sie mir eben gehorcht und ist gesprungen. Sie konnte also nichts dafür.“

      Es schien, als hätte Astrid bei diesem ungewöhnlichen Geländeritt eine Menge gelernt, und zu Petras Freude dachte sie offenbar gar nicht daran, das Reiten an den Nagel zu hängen.

      Am Abend dieses aufregenden Tages stellte sich auch heraus, wo Svala stehengeblieben war, um zu fressen. Ein wütender Bauer rief in der Reitschule an und beklagte sich über sein zertrampeltes Haferfeld. Doch die Angelegenheit wurde in Ordnung gebracht, ohne daß Astrid etwas davon erfuhr.

      Ein Pferd für Astrid

      Bei Astrids nächster Reitstunde war die ganze Familie Johanson anwesend und sah zu.

      Petra hatte Astrids Vater noch nie gesehen, und ihr erster Gedanke war, daß er feststellen wollte, ob das Reiten wirklich gefährlich sei. Doch er sah so sympathisch aus, daß er wohl kaum das Herz gehabt hätte, seiner Tochter diesen Sport zu verbieten.

      Herr Johanson war hochaufgeschossen und mager und hatte dunkles Haar. Astrid glich ihm sehr, fand Petra, während Lena mehr ihrer Mutter ähnelte. Er hatte blaue Augen, genau wie Astrid.

      In dieser Stunde ritt das blinde Mädchen besser als je zuvor. Nach dem dramatischen Reitausflug kam ihr die eingezäunte Bahn harmlos und vertraut vor, und sie spürte eine Sicherheit, die sie vorher nicht gekannt hatte. Astrid fürchtete sich nun nicht mehr vor Svalas eventuellen Einfällen, nicht einmal während des Galopps. Plötzlich war alles anders. Endlich hatte sie ihre ständige Furcht überwunden! Nach all dem, was sie und Svala gemeinsam durchgestanden hatten, vertraute sie dem Pony vollkommen.

      Petras Gedanken waren teilweise abgelenkt; so bemerkte sie die Veränderung in Astrids Reitstil nicht so deutlich, wie es normalerweise der Fall gewesen wäre. Kurz vor dem Eintreffen der Johansons hatte nämlich Klaus angerufen.

      „Wir wollen zum Baden fahren, möchtest du nicht mitkommen? Wir könnten dich abholen.“

      Seine Stimme klang vergnügt und voller Erwartung, und als Petra erwiderte, daß sie nicht mitkommen könnte, war er enttäuscht gewesen. Das war zwar schmeichelhaft, aber Petra gefiel es nicht, daß er sie anschließend doch noch zu überreden versuchte.

      „Wenn du gestern angerufen hättest“, sagte sie, „hätte ich die Stunde verschieben können. Aber jetzt ist Astrid bestimmt schon auf dem Weg hierher. Es ist also leider zu spät, um noch etwas zu ändern!“

      „Ach, es wäre so prima gewesen! Wir wollen fast den ganzen Tag wegbleiben und Picknickkörbe mitnehmen.“

      „Ein andermal komme ich gern mit“, sagte Petra, die fand, daß es richtig verlockend klang. „Und morgen sehen wir uns ja bei der Quadrillenübung. Wenn ich nur Rex dazu bringen könnte, ein bißchen eleganter zu gehen! Es ist so schwierig für mich, weil ich an Svala gewöhnt bin. Die beiden sind so furchtbar verschieden.“

      Klaus‘ letzte Worte enttäuschten sie so, daß es ihr lieber gewesen wäre, sie hätte das Gespräch früher beendet. Das war so gar nicht der Klaus, den sie mochte und zu kennen glaubte.

      „Dauernd diese Astrid!“ hatte er gereizt gesagt. „Hast du denn gar nichts anderes mehr im Sinn, als dir als Reitlehrerin ein Taschengeld zu verdienen? Es muß wirklich wahnsinnig lustig sein,


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