Petra und der Reiterhof. Torbjörg Hagström

Petra und der Reiterhof - Torbjörg Hagström


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wurde ihr klar, daß es falsch gewesen war, Klaus allein zurückzulassen. Vielleicht konnte sie etwas für ihn tun, auch ohne die Hilfe eines anderen. Die Straße lag wieder verlassen da; so wandte sie sich um und stolperte zum Auto zurück.

      Im Wageninnern war es stockdunkel.

      „Petra, wo bist du?“

      Klaus’ Stimme klang angstvoll und jämmerlich.

      „Hier! Oh, was ist los mit dir?“

      Vorsichtig stieg sie wieder in den Wagen und schonte dabei ihren gebrochenen Arm, so gut es ging.

      „Was ist passiert?“

      Klaus wirkte so verwirrt, daß Petra richtig Angst bekam.

      „Wo sind wir? Warum sitze ich hier?“

      „Erinnerst du dich nicht, daß wir in den Graben gefahren sind?“

      „Tatsächlich? Aber … ja, wenn du es sagst, wird es schon stimmen.“

      Er sprach langsam, als müßte er sich anstrengen, um seine Gedanken zu ordnen.

      „Hast du irgendwo Schmerzen?“ fragte Petra.

      „In meinem Kopf dreht sich alles, aber … das geht wohl vorüber. Ich muß nur ein bißchen ausruhen.“

      „Bleib hier sitzen, ich will versuchen, ein Auto anzuhalten und Hilfe zu holen.“

      „In einer Viertelstunde können wir bestimmt weiterfahren“, murmelte Klaus. „Laß mich nur eine Weile hier sitzen.“

      Petra lauschte angstvoll. Klaus kam ihr so seltsam geistesabwesend vor. „Ja, bleib sitzen und bewege dich nicht!“ sagte sie eindringlich.

      Dann machte sie sich wieder auf den Weg. Diesmal kam ihr die Strecke sehr lang vor, und als sie die Straße endlich erreicht hatte, war sie noch immer leer und verlassen. Kein Auto war in Sicht. Petra zitterte vor Angst und Kälte. Jede Minute erschien ihr wie eine Stunde, und sie stellte sich voller Entsetzen vor, wie es wäre, die Nacht hier verbringen zu müssen. Sie schwankte zwischen dem Wunsch, zum Auto zurückzukehren, und der immer schwächer werdenden Hoffnung, Hilfe zu bekommen.

      Doch plötzlich näherte sich wieder ein Wagen. Diesmal stellte sich Petra direkt vor die Kurve, damit das Fahrzeug gleich an dieser Stelle stehenbleiben konnte – falls es stehenblieb. Doch würde der Fahrer sie überhaupt sehen?

      Zu ihrer grenzenlosen Erleichterung verringerte der Fahrer wirklich das Tempo und hielt an. Es war ein Mann von etwa fünfunddreißig Jahren. Er schraubte das Wagenfenster herunter, und Petra nahm ihre letzte Kraft zusammen, um Ruhe zu bewahren und nicht hysterisch zu werden.

      „Können Sie uns helfen? Wir sind in den Graben gefahren, und …“

      „Wo ist es passiert?“

      „Dort unten.“ Petra deutete mit ihrem gesunden Arm auf die Unglücksstelle.

      Der Mann stellte rasch den Motor ab, stieg aus und ging zum Kofferraum seines Wagens.

      „Ist jemand verletzt?“

      „Ja, ich glaube.“

      Damit meinte sie Klaus. An sich selbst dachte sie gar nicht. Der Mann stellte rasch ein Warndreieck auf die Straße und griff nach einem Verbandskasten und einer Taschenlampe.

      „Beeilen wir uns.“

      Er hat wenigstens keine Angst, dachte Petra erleichtert, als sie dem Fremden im Schein der Taschenlampe über den Abhang folgte. Es war schön, die Verantwortung endlich einem anderen überlassen zu können. Plötzlich merkte sie, daß sie sehr müde war. Ihr unbekannter Helfer ging entschlossen vorwärts, und Petra war überzeugt, daß er wissen würde, was zu tun war.

      Dann traf der Lichtstrahl seiner Taschenlampe den Wagen, und Petra stieß ein entsetztes Keuchen aus.

      „Totalschaden“, murmelte die Stimme neben ihr.

      Die ganze Vorderfront des Fahrzeugs war wie eine Ziehharmonika zusammengepreßt, und die Kühlerhaube zeigte zum Himmel.

      „Das muß ein ordentlicher Aufprall gewesen sein. Wie viele seid ihr?“

      „Nur zwei. Klaus war ohnmächtig, aber inzwischen ist er wieder zum Bewußtsein gekommen.“

      Klaus saß noch immer hinter dem Steuer und blinzelte verwirrt ins Licht der Taschenlampe. Auf dem Boden lag Petras Tasche. Während der Mann ins Auto kletterte, lehnte sie sich gegen den Kofferraum. Sie zitterte vor Kälte und Erschöpfung und schaffte es nicht einmal mehr, zuzuhören, was der Fremde sagte. Nach einigen Minuten kam er wieder ins Freie.

      „Größere Gefahr scheint nicht zu bestehen, aber er muß möglichst rasch ins Krankenhaus. – Du übrigens auch“, fügte der Mann hinzu, als er Petras Arm sah. „Ich werde euch hinfahren.“

      Petra nickte nur; zu mehr war sie nicht fähig. Ein warmes Bett, in dem sie schlafen konnte – danach sehnte sie sich jetzt am meisten. Doch es tat gut zu hören, daß Klaus nicht schwer verletzt war.

      Der Mann beugte sich wieder vor, um Klaus aus dem Wagen zu helfen.

      „Au! Passen Sie doch auf!“

      „Tut es so weh?“

      „Ja, zum Teufel! Seien Sie vorsichtig!“

      Es dauerte eine Weile, bis Klaus aus dem Auto kam. Plötzlich war Petra, als schrillte etwas in ihren Ohren. Sie schüttelte den Kopf, doch das Schrillen hörte nicht auf. Was war los mit ihr? Sie fürchtete mit einemmal, daß sie sich vielleicht ernsthaft am Kopf verletzt hatte.

      Mit zusammengebissenen Zähnen stützte sich Klaus auf den fremden Mann, und alle drei setzten sich langsam zur Straße hin in Bewegung. Das Schrillen wurde lauter, und nun war Petra nicht mehr die einzige, die es hörte.

      „Ich glaube fast, da kommt die Ambulanz! Seht mal, sie bleiben stehen! Wer kann sie gerufen haben!“

      „Ach, das muß der Autofahrer gewesen sein, der vor Ihnen angehalten hat“, rief Petra erleichtert. „Er ist davongefahren, aber offenbar hat er den Notdienst verständigt.“

      Fünf Minuten später waren sie schon auf dem Weg ins Krankenhaus. Während der Fahrt kam Petra plötzlich ein neuer, erschreckender Gedanke. Ihr Arm war gebrochen – das bedeutete, daß sie während der folgenden Wochen nicht reiten konnte. Und es war nicht mehr lange bis zur Einweihungsfeier!

      Langsam wurde ihr klar, daß der Unfall mehr als ein Alptraum war, aus dem sie nur zu erwachen brauchte. Er hatte Folgen, und morgen würde nichts so sein wie sonst.

      Sowohl Petra als auch Klaus mußten die folgende Nacht im Krankenhaus verbringen. Klaus hatte sich nicht nur eine Gehirnerschütterung zugezogen, sondern sich auch ein paar Rippen gebrochen. Petras Unterarm mußte in Gips gelegt werden. Eine Krankenschwester erbot sich, ihre Eltern zu verständigen, doch Petra bestand darauf, selbst zu Hause anzurufen.

      Herr und Frau Granberg bekamen natürlich einen gewaltigen Schreck, als sie erfuhren, daß ihre Tochter einen Autounfall gehabt hatte. Es war nicht leicht für Petra, sie zu beruhigen. Sie wußte selbst am besten, daß sie und Klaus eigentlich noch sehr glimpflich davongekommen waren.

      Petras Entschluß

      Am nächsten Tag kam Petra mit einem feinsäuberlich eingegipsten Arm wieder nach Hause. Als erstes rief sie gleich bei Karin an. Sie erzählte ihr, was passiert war, und sagte, daß für sie und Klaus ein Ersatz für die Festvorführung gefunden werden müßte und daß man sie von den Wettkampflisten streichen sollte.

      Dann ging sie in den Stall. Svala begrüßte sie wie immer mit freudigem Wiehern. Mit der rechten Hand band Petra ihr Pony los, führte es auf die Weide und ließ es dort frei. Lange Zeit stand sie am Gatter und sah zu, wie Svala graste.

      Sie wußte, daß sie nun nie wieder das gleiche für Klaus empfinden würde, nachdem sie erlebt hatte,


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