Petra und der Reiterhof. Torbjörg Hagström

Petra und der Reiterhof - Torbjörg Hagström


Скачать книгу
sie nicht an den Wettkämpfen teilnehmen konnte, war ebenfalls eine große Enttäuschung. Svala war in so guter Form. Ihre Muskeln spielten unter dem glänzenden schwarzen Fell, und jede Bewegung der kleinen Stute verriet Kraft und Energie. Svala war immer gut gesprungen, und die Dressurübungen hatten in diesen Wochen besser geklappt als je zuvor. Und dieses wunderbare Pony sollte nun nicht die Gelegenheit bekommen, zu zeigen, was es konnte!

      Wenn nur Astrid für mich antreten könnte, dachte Petra. Das wäre schön! Doch das blinde Mädchen würde so etwas wohl kaum schaffen. Nun, wenigstens konnte Astrid täglich auf Svala reiten, und dann würde man sehen, wie es weiterging.

      Nachmittags rief Petra bei Johansons an, und schon am folgenden Tag fand wieder eine Reitstunde auf der Schafweide statt. Lena hatte Cherokee von der Reitschule hergebracht, und Astrid ritt natürlich auf Svala.

      In dieser Stunde begann Petra die Bewegungen einzuüben, die ins Dressurprogramm gehörten. Sie begann mit den leichtesten Teilen und versuchte sowohl Astrid als auch Lena langsam dazu zu bringen, auch etwas schwierigere Übungen auszuführen. Die Sache ging ausgesprochen schlecht, und Petra sah ein, daß die Schwestern noch zu blutige Anfängerinnen waren, um am Dressurwettbewerb teilzunehmen. Doch Lena hatte ihre eigenen Pläne.

      „Petra, meinst du nicht, daß ich auf Cherokee beim C-Springen mitmachen könnte, wenn ich jeden Tag übe?“ fragte sie plötzlich. „Astrid leiht mir das Pony, und Karin sagt, ich könnte es versuchen, wenn ich wollte. Aber sie glaubt natürlich nicht, daß ich Chancen habe.“

      „Nein, eine Gewinnchance hast du wohl nicht.“ Petra lachte. „Aber wenn du dich damit zufriedengibst, über die Bahn zu kommen, helfe ich dir gern beim Training!“

      „Mensch, das ist prima! Jetzt ist’s geradeso, als hätten Astrid und ich jeder ein eigenes Pferd. Aber für dich ist es natürlich weniger schön, daß du nicht reiten darfst.“

      „Habt ihr keine Lust, die Pferde für eine Weile zu tauschen?“ schlug Petra vor.

      Astrid erwiderte sofort: „Nein, lieber nicht. Ich kann ja später noch genug auf Cherokee reiten.“

      „Hast du dich denn schon entschlossen? Willst du ihn behalten?“

      „Ich weiß nicht recht“, erwiderte Astrid ausweichend. „Eigentlich ist er ja gar nicht so schlecht.“

      Sie mußte plötzlich an die Connemara-Stute Silver Stream denken, die sie vor einigen Wochen besichtigt hatten. Damals hatte sie geglaubt, daß die Stute etwas zu groß und lebhaft für sie wäre, vielleicht sogar gefährlich. Aber womöglich hatte sie sich getäuscht? Wie dumm, daß sie nicht darum gebeten hatte, Silver Stream für ein paar Tage behalten zu dürfen. Wenn sie nun doch mit ihr zurechtgekommen wäre?

      „Cherokee ist große Klasse!“ versicherte Lena. „Sag doch zu Papa, daß du ihn haben willst!“

      „Vielleicht.“ Astrids Stimme klang nicht besonders begeistert.

      „Und jetzt bewegt euch wieder ein bißchen“, kommandierte Petra. „Leichttraben, marsch!“

      Während die Schwestern über die Bahn ritten, beobachtete Petra ihr Pony und dachte: Das ist nun mein eigenes Pferd, das ich selbst zugeritten und jahrelang gepflegt habe. Und ich bin es auch gewesen, die Astrid alles beigebracht hat, was sie jetzt kann. Vor einigen Monaten hat sie noch nicht einmal auf einem Pferd gesessen.

      Petra war plötzlich stolz und verwundert zugleich, als sie zu der schmucken Reiterin sah. Astrid saß aufrecht und ernsthaft im Sattel, das dunkle Haar hing ihr bis auf die schmalen Schultern. Sie saß so ruhig und sicher auf dem Rücken des Ponys, als hätte sie nie etwas anderes getan. Svala trabte geschmeidig über die Bahn. Pferd und Reiterin waren völlig aufeinander eingespielt und schienen füreinander geschaffen zu sein.

      Warum ritt Astrid nie so, wenn sie auf Cherokee saß? Doch das war wohl nicht weiter verwunderlich. Svala war ganz einfach das bessere und gehorsamere Pony. Doch es gab auch andere Gründe. Lena war ebenso zufrieden mit Cherokee wie mit Svala, und Petra fand eigentlich nicht, daß Astrid schlechter ritt als ihre Schwester.

      Nach der Stunde kehrte Lena mit Cherokee zur Reitschule zurück. Astrid aber ritt ohne Sattel mit Svala zur Kälberweide, während Petra nebenherging.

      Astrid dachte plötzlich daran, wie sie zum erstenmal ohne Sattel auf Svala geritten war. Seltsam, daß sie damals solche Angst gehabt hatte! Es schien ihr sehr weit zurückzuliegen.

      Petra öffnete das Gatter, und Astrid und Svala trabten auf die Weide. Dann stieg Astrid ab und ließ das Pony frei. Svala begann sofort zu grasen, und plötzlich fragte das blinde Mädchen nachdenklich: „Petra, könntest du dir Svala als Fuchsstute vorstellen?“

      „Svala als Fuchsstute? Ja, aber … Also ich meine, da wäre sie ja ein anderes Pony, nicht? Wie kommst du darauf?“

      „Ich hab heute nacht geträumt, Svala wäre eine Fuchsstute. Für mich könnte sie ja jede erdenkliche Farbe haben. Ich kann sie ja nicht sehen. Es ist schon ziemlich komisch, sich vorzustellen, daß Svala vielleicht ganz anders aussieht, als ich glaube.“

      Petra erwiderte nichts, und Astrid fuhr fort: „Als ich klein war, hatte ich ein Buch mit einem Bild von einem schwarzen Pony, das einen Wagen zog. Es war ein wunderhübsches Bild, und ich denke immer, daß Svala so aussieht wie dieses Pony.“

      „Vielleicht tut sie das auch, wer weiß.“

      Astrids Stimme klang stets besonders warm, wenn sie von Svala sprach. Wäre sie nur halb so begeistert von Cherokee, dann wäre alles in bester Ordnung! dachte Petra. Das Mädchen, dem Cherokee gehörte, sollte am Tag nach der Einweihungsfeier zurückkommen; bis dahin mußte sich Astrid entscheiden.

      In der folgenden Zeit übte Lena fast jeden Tag Springen und entwickelte dabei immer mehr Geschick und Können. Auch Astrid sprang mit Svala, konzentrierte sich aber hauptsächlich aufs Dressurreiten. Sie wurde ebenfalls immer besser, doch an eine Teilnahme im Dressurwettkampf war vorläufig natürlich nicht zu denken.

      „Darf ich Svala reiten, bis dein Arm wieder in Ordnung ist?“ fragte sie Petra.

      „Natürlich. Die Bewegung tut Svala nur gut, und es gibt sonst keinen, dem ich mein Pony anvertrauen würde.“

      Petra versuchte sich an den Gedanken zu gewöhnen, daß sie einige Zeit nicht reiten konnte, doch es fiel ihr sehr schwer. Das alles war so dumm und unnötig. Der Unfall hätte so leicht vermieden werden können, wenn Klaus nur auf sie gehört hätte und vernünftig gefahren wäre.

      Ach ja, Klaus … Sie mußte wohl mit ihm sprechen. Was sie ihm damals im Wagen gesagt hatte, genügte nicht; er hatte ja auch kaum zugehört. Petra wußte, daß er inzwischen wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden war und noch immer bei seinen Verwandten wohnte.

      Eines Tages machte sie sich auf den Weg, um ihn zu besuchen. Sie ging die ganze lange Strecke zu Fuß, da sie mit ihrem eingegipsten Arm nur schlecht radfahren konnte.

      Klaus’ Tante öffnete ihr die Tür.

      „Oh, du bist also Petra? Na, du willst natürlich Klaus besuchen. Wirklich eine dumme Geschichte, aber es hätte schlimmer ausgehen können. Ein Glück, daß ihr euch angeschnallt hattet. Klaus benutzt die Sicherheitsgurte ja für gewöhnlich gar nicht.“

      „Wie geht es ihm?“ fragte Petra, als sie endlich zu Wort kam.

      „Nun ja, schon besser, aber seine Rippen tun ihm noch immer ziemlich weh. Er kann froh sein, daß er so glimpflich davongekommen ist! Dabei habe ich noch gesagt, daß man ihm den Wagen nicht leihen sollte, aber keiner kümmerte sich um mich.“

      Klaus’ Tante ging durch den Flur voraus und klopfte an eine Tür.

      Klaus sah blaß aus. Er saß im Bett und hatte eine Menge Kissen im Rücken. Auf dem Nachttisch lagen ein Stoß Detektivromane und einige Zeitungen.

      „Hallo, Klaus!“

      „Hallo, Petra.“ Klaus starrte


Скачать книгу