Gangster Squad. Paul Lieberman

Gangster Squad - Paul  Lieberman


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das Unglück seinen Lauf, das schließlich mit dem Abbruch der Aktion endete.

      Doch der eigentliche Skandal ließ noch auf sich warten. Für über ein Jahr – vom 13. April 1947 bis zum 28. April 1948 – ermöglichte die Wanze neben der Holzkiste erst einmal einen intimen Einblick in Cohens Machenschaften.

      Mickey war ein umtriebiger Mann. Er tarnte einen hochdotierten Boxkampf als Wohltätigkeitsveranstaltung, sich ironisch darüber beklagend, dass „wir zu dem Kampf nur mit einer Knarre gehen können“, oder tratschte mit den Jungs über einen alten Freund in Cleveland, der sich ein Anwesen für 120.000 Dollar angeschafft hatte und nun nur noch in „allerbester Gesellschaft unterwegs ist“ und sich mit „Dienstmädchen, Butlern, Köchen und Chauffeurs“ umgab. Die in diesem Jahr gesammelten, überaus wertvollen Informationen lieferten eindeutige Hinweise darauf, wo Mickey seine Geschäfte abwickelte, nämlich im nahegelegenen Burbank und in Gegenden des Verwaltungsbezirks von L.A., die für die Cops tabu waren, weil dort der Zuständigkeitsbereich des Sheriffs lag. Das LAPD mag früher der ideale „Ansprechpartner“ für Gauner gewesen sein, wenn sich die Mafia gegen entsprechendes Entgelt Wohlwollen von offizieller Seite für ihre Glücksspiele erkaufte, doch die Zeiten waren längst vorbei. In Burbank ließ Mickey ein komplettes Casino auf der Dincara Stock Farm errichten, hinter den Filmstudios von Warner Bros. gelegen. Zu Beginn des Projekts zogen sich er und die Jungs ein waschechtes Wild-West-Outfit über, ritten über das weitläufige Gelände und bauten die ersten Würfeltische in einer klapperigen Hütte auf, die ehemals von den Stallburschen bewohnt worden war. Doch schon nach kürzester Zeit präsentierten sie im Casino vier Würfeltische, fünf für Black Jack, drei für „Chemin de fer“, einer Variante von Baccara, und einarmige Banditen. Den Spielern bot man kostenlose Drinks und Essen – für gewöhnlich Truthahn und Schinken – an, das philippinische Boys servierten. Für Mickey war das Casino eine mehr als amüsante Angelegenheit – besonders wegen all der schillernden Charaktere! „Da saßen Typen in Indianerkostümen rum, einige in Cowboy-Verkleidung, und so manches Mädchen hatte sich aufgetakelt, als würde sie tanzen gehen. Die kamen direkt vom Set.“

      Einer von Mickeys Kumpeln schätzte den Gewinn ein: „Wenn der Laden nur 90 Tage offen bleibt, werden wir über eine halbe Millionen einkassiert haben.“ In anderen Gegenden mussten sie gelegentliche Razzien des Bezirksanwalts des Los Angeles County Districts befürchten, doch nicht in Burbank. Der örtliche Polizeichef Elmer Adams verdiente 8.500 Dollar im Jahr, leistete sich aber eine über 15 Meter lange Yacht, die er zum größten Teil cash bezahlt hatte! Während er ein Trainingsprogramm des FBI in Washington D.C. durchlief, hatte er sogar Post von einem Buchmacher erhalten – 100 Dollar in bar! Adams war in die besten Anzüge aus Mickeys Geschäft gewandet und ein gerngesehener Gast bei den Abendessen der Cohens.

      Doch das LAPD konnte nicht so einfach über die fast schon kurios anmutende Korruption in Burbank und im County hinwegsehen – ein pensionierter Captain der Behörde, Jack Dineen, etwa leitete Mickeys Ranch-Casino, man muss sich das einmal vorstellen! Und so startete die Polizei eine witzige Aktion, die Mickey zutiefst verärgerte. Die Cops drängten ihn, doch Karten für die jährlich stattfindende Show zur Unterstützung des LAPD zu kaufen. Mickey erschien also mit den Jungs und erhielt die Chance, sich den aufstrebenden Sänger und Tänzer Sammy Davis Jr. anzusehen, doch er musste insgesamt 1.600 Dollar für das Vergnügen blechen!

      Los Angeles hatte mit Mickey einen dicken Fisch an der Angel. Der Mann, den man mit der Wanze belauschte, war mehr als ein aufgeblasener Pfau, der immer eine Show abzog, wenn er im ersten Wagen seiner Cadillac-Karawane durch die Stadt cruiste. Doch es war nicht einfach, ihn dingfest zu machen. An einem Tag gab er damit an, Buchmacher auf fünf Rennbahnen zu beschäftigen und dadurch zwischen 8.000 und 15.000 Dollar zu verdienen. Als Nächstes meinte er: „Ich habe mit der Buchmacherei schon seit vier Jahren nichts mehr am Hut … Hooky fährt heute Abend von Cleveland los. Er bringt mir 45.000 Dollar. Damit kann ich endlich die Bauarbeiten am Haus beenden.“ Ein Besucher, der Mickey unterstützte, war Allen Smiley, der Mann, der in der Nacht des Attentats auf Bugsy Siegel am anderen Ende der Couch gesessen hatte. Smiley hatte eine Theorie parat, warum Mickey all die Rückschläge und Niederlagen überstand, die einen anderen in den Wahnsinn getrieben hätten: „Einige Männer werden geboren, um sich Magengeschwüre zu holen“, sinnierte Smiley mit einem ironischen Unterton. „Und einige Männer werden geboren, um anderen Magengeschwüre zu verursachen.“ Jeder im Raum wusste, zu welcher Gruppe Mickey zählte.

      Gut, dass er von so einer Frau wie Lavonne Cohen unterstützt wurde. Sie wartete, bis Mickey mit den Jungs um 3 Uhr morgens aufschlug, machte ihnen Kaffee und Schnittchen und unterhielt die ganze Band mit den Tricks, die sie Tuffy beigebracht hatte. Die Dame des Hauses versuchte sogar, den Vögeln das Sprechen beizubringen. Auf dem Kaffeetisch mit seiner schweren Marmorplatte stand immer eine Vase mit ausgewählten Blumen. Im Boudoir hatte sie zwei Dutzend Kristallschalen aufgestellt, gefüllt mit den feinsten Gerüchen und Aromen, die ihre Eitelkeit widerspiegelten. Wen störte es schon, wenn sie Mickey wegen der hohen Telefonrechnung anmeckerte – die in einem Monat schon mal 300 Dollar betragen konnte, wenn er für einen Mann in Florida die Wetten übernahm? Sie koche in „drei Sprachen“, prahlte Mickey, nämlich „jüdisch, italienisch und irisch“.

      Die beiden waren sich 1940 auf einer Party in Billy Gray’s Band Box begegnet, einem Club, der viele Comedians in den Fairfax District zog, einen Stadtteil, der hauptsächlich von Juden bewohnt wurde, die von Boyle Heights dorthin gezogen waren. Die 23-jährige Lavonne stammte hingegen von Iren katholischen Glaubens ab, trug ihre Haare hochgesteckt, arbeitete als Tanzlehrerin in einem der Studios, besaß einen Flugschein und spielte Golf. Sie war alles andere als eine „Pistolenbraut“. Durch die Partnerwahl drückte Mickey erneut sein Bestreben aus, den einfachen Verhältnisse zu entkommen. „Sie war eine Dame von Kopf bis Fuß. Man konnte sie überallhin mitnehmen.“ Das bedeutete aber nicht, dass er sie häufig mit auf Reisen nahm, denn in Ehen wie der ihren gab es oft eine Art stillschweigende Übereinkunft – sie konnte sich beim Bargeld bedienen, das im Wandschrank lag, und stellte dafür keine Fragen zu Frauen, die den Abend oder die Nacht mit ihm verbrachten.

      Damals stand häufig ein Wagen der Gangster Squad vor Cohens Haus. Mickey zeigte sich Cops gegenüber verständlicherweise misstrauisch und stellte oft die Frage: „Wer steckt hinter euch?“ Doch bezüglich der Beschattung verhielt er sich meist wie ein Sportsmann. Einmal ließ Lavonne den beiden Typen in dem Zivilfahrzeug sogar einen leckeren Schokoladenkuchen servieren.

      An einem besonders heißen Tag erschien Willa, Mickeys treu ergebenes Hausmädchen, und fragte die Beamten, ob sie ein Bier wollten. Zum Teufel auch – na klar!

      Willie Burns und Jack O’Mara erhielten all diese Informationen über die Cops von der Sitte, die Cohens Haus verwanzt hatten, erst, nachdem besagter Skandal publik geworden war, denn damals wurden die konfliktbeladenen Kompetenzstreitigkeiten zwischen den einzelnen Dezernaten mit allen Mittel geführt – inklusive eines irrationalen Versteckspiels. Mickey hatte allerdings schon länger gespürt, dass etwas im Busche war, denn er warnte Anrufer: „Die Telefone sind nicht sicher, also halte dich zurück.“ Manchmal drehte er bei einem Gespräch das Radio auf volle Lautstärke. Später meinte er: „Ich wusste die ganze Zeit über, dass die Cops mir eine Wanze untergejubelt hatten. Ich spielte ihnen die beste Musik vor – keine Geringeren als Bach und Beethoven.“

      Sein Gärtner hatte die Leitung entdeckt, während er Löcher für Zaunpfähle aushob. Daraufhin ließ Mickey das gesamte Anwesen von seinem eigenen Elektronikexperten inspizieren, dem fast 140 kg schweren J. Arthur Vaus, der einen Metalldetektor und einen Stromsensor und damit schließlich auch die Wanze in der Nähe der Holzkiste fand. Dennoch bewahrte Mickey Stillschweigen. Doch letztlich veröffentlichten die Los Angeles Times und der San Francisco Chronicle Auszüge mit Transkriptionen von Gesprächen, die an die Öffentlichkeit gelangt waren. Die Schlagzeilen hätten nicht marktschreierischer sein können: COHENS DICKE GESCHÄFTE, oder, noch spektakulärer: COPS HIELTEN WICHTIGE INFORMATIONEN ZURÜCK.

      Zwar standen Mickeys eigene Worte im Fokus des öffentlichen Interesses, doch auch die Tatsache, dass das LAPD den Lauschangriff durchgeführt und anscheinend nichts unternommen hatte. Ein tobender Bezirksstaatsanwalt des Verwaltungsbezirks L.A. erklärte, dass er niemals über die Verwanzung informiert worden sei. Darüber hinaus habe er nie die


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