Gangster Squad. Paul Lieberman
neben denen imposante Gestelle voller Wettanschläge standen. Die Cops hatten keine offiziellen Haftbefehle, doch sie rissen die langen Listen herunter und zerrissen sie, womit ein Tag Arbeit für die Katz gewesen war. Nach vollendeter Arbeit schlenderte ein Stellvertreter des Sheriffs in den Raum und dachte, sie gehörten zu den Buchmachern. „Ging heute aber ganz schön heiß her?“, fragte er. Kurze Zeit später dann stürmte besagter Al Guasti die Zentrale des LAPD im Rathaus und überreichte Reed einen Brief, in dem eine klare Aufforderung stand: „BLEIBT WEG, DAS IST UNSER GEBIET!“ Und so gab Reed O’Mara und seinem Partner den Auftrag, den Typen zu beschatten.
Sie hängten sich eine Stunde lang an Guasti und verfolgten ihn auf einer kurvenreichen Strecke, die bei Schwab’s endete, der Drogerie mit Imbiss am Sunset, wo angeblich Starlets entdeckt wurden. Guasti nahm auf einem Stuhl vor der Essenstheke Platz. Auch die beiden Cops setzten sich in sicherer Entfernung hin. Dreist winkte er ihnen zu und witzelte: „Hey, ihr Sackgesichter. Ihr könnt ruhig vorfahren, und ich folge euch dann.“
Die Squad brauchte einen Mitarbeiter, der fließend Italienisch sprach, und so schlug O’Mara einen jungen LAPD-Officer vor, den er während des Krieges kennengelernt hatte. Lindo „Jaco“ Giacopuzzi brachte über 100 kg auf die Waage und spielte beim Football den Lineman. Er hatte sich in der Molkerei seiner aus Italien eingewanderten Familie eine ansehnliche Muskulatur aufgebaut. Jacos Vater lernte während seines gesamten Lebens nicht mehr als zehn Wörter Englisch! Sein Sohn war eigentlich ein entspannter Typ, der anderen aber, wenn ihm der Geduldsfaden riss, auch eine ordentliche Tracht Prügel verpassen konnte. Jaco wollte unbedingt zur Feuerwehr und hatte die Aufnahmeprüfung bei der Polizei nur gemacht, weil er für den Test beim öffentlichen Dienst üben wollte. Für ihn war der Job nur ein Job und kein Kreuzzug. Als O’Mara und Burns ihn aufspürten, um ihn für die Gangster Squad anzuwerben, befand er sich gerade auf einer Routinefahrt mit dem Polizeiauto. „Na klar, das klang ganz ordentlich“, erinnerte sich Jaco.
Man muss sich das vor Augen führen: Jeden Freitagabend ging es zu den Boxkämpfen im Hollywood Legion Stadium. Am Dienstag mussten wir zu den Kämpfen im Olympic Auditorium, weil dort die Ganoven rumlungerten. Und dann mussten wir uns noch all die Football-Spiele anschauen! Wir brauchten uns niemals eine Eintrittskarte zu kaufen, sind einfach reingegangen. Einfach rein und mal schauen, wer sich mit wem rumdrückt. Das war der Job.
Zur Hölle! Natürlich wollte er da mitmachen, und der Partner oder man selbst durfte sogar den zivilen Dienstwagen mit nach Hause nehmen. Jaco hielt im Valley einige Pferde, und seine Kollegen schworen, dass sie Heu auf dem Rücksitz fanden, nachdem er die Karre gehabt hatte. „Ich liebte die Einheit“, bekannte er. Während eines anderen „inoffiziellen“ Einsatzes fand die Squad einen Partner für Jaco. Einige jugendliche Schläger trafen sich auf einem Hügel im Stadtgebiet und machten den Nachbarn und den Cops das Leben zur Hölle. Assistant Chief Joe Reed befehligte die Squad: „Zähmt mir die Jungs mal ein bisschen.“ Und so zog die „Abbruch-Crew“ erneut los. Doch diesmal hielten sie zuerst bei einer lokalen Wache des LAPD, um einige zusätzliche Beamte mitzunehmen. Gemeinsam stürmten sie in Marines-Manier den Hügel und verpassten den Störenfrieden eine gehörige Tracht Prügel, wonach die Typen, alle viere von sich gestreckt, auf dem Boden lagen.
Willie Burns beeindruckte besonders einer der Cops aus West-LA, ein Kerl, beinahe so groß und stämmig wie der texanische Wirbelwind Jumbo. Jerry Greeley trug einen Mittelscheitel und sah dadurch ein wenig dümmlich aus, doch im Krieg hatte er als Commander in der Navy gedient. Scheiß doch auf die dumme Frisur! Sie luden ihn zu einigen Drinks ein und erzählten ihm von den gemeinsamen Ausflügen zu den Boxkämpfen und den anderen „Freizeitaktivitäten“ der Squad.
Eine Operation wie besagte konnte natürlich nicht lange geheim gehalten werden. Die Squad geriet am 15. November 1947 erstmalig in die Schlagzeilen. Ein Reporter berichtete, dass ein Trupp der LAPD sechs Männer aus dem Mittleren Westen auf dem Wilshire Boulevard festgenommen habe. Die Männer – alles Italiener – fuhren dann wegen des Verdachts auf Diebstahl ein, obwohl überhaupt keine Beweise vorlagen, dass sie jemals ein Verbrechen in L.A. verübt hatten. Man lud Fotografen ein, um die Männer auf der Wilshire Station abzulichten, die alle gesenkten Hauptes auf einer Pritsche hockten. Später eskortierte die Squad insgesamt vier von ihnen zur Staatsgrenze, darunter einen Boxkampfveranstalter aus Cleveland, bei dem neunzehn 100-Dollar-Geldscheinen in der Brieftasche gefundenen wurden, einen Verkäufer für Dachziegel, der „aus gesundheitlichen Gründen“ in den Westen gereist war, wie er angab, und einen – nach eigenen Angaben – Lkw-Fahrer, der zugab, sechseinhalb Jahre im Bau gesessen zu haben für „einen Mord, den ich niemals begangen habe“. Manchmal sah man sich eben gezwungen, die Geheimhaltung aufzugeben, um die Öffentlichkeit zu beruhigen und den Menschen zu zeigen, dass etwas gegen die – wie es in einem staatlichen Bericht stand – „Invasion der Unerwünschten“ unternommen wurde. Die Los Angeles Times schrieb: „Die fliegende Einsatztruppe, angeführt von Lt. William Burns und Sgt. J.J. O’Mara, hat sechs Männer in einer Limousine mit New Yorker Kennzeichen am Wilshire Boulevard, Ecke Burnside Avenue, verhaftet. Bei einer Überprüfung des schwarzen Wagens stellte man fest, dass der Fahrzeughalter ein Ex-Sträfling aus New York ist.“
In einem anderen Bericht wurde der Name des Autobesitzers mit Edward „Eddie“ Herbert angegeben, doch der Reporter muss sich verhört haben. Neddie Herbert verdiente sich seine Brötchen als vertrauenswürdiger Kurier von Botschaften zwischen der Ost- und Westküste – für einen Ex-Boxer! Zugleich war er Mickey Cohens bester Waffenspezialist und konnte angeblich ein Maschinegewehr so schnell zusammenbauen wie ein Marine oder Willie Burns. Doch Neddie saß damals nicht im schwarzen 47er-Cadillac. Die Männer von der Squad ließen den drei zuerst Verhafteten absichtlich keine Zeit, ihre Klamotten in Ruhe zu packen. Die Fotos zeigten die Beschuldigten also mit eilig zusammengerafften Kleidungsstücken, während der „Begleitservice“ Anstalten traf, sie zur Staatsgrenze zu bringen. Bei der Aktion zählten eindrucksstarke Bilder, und das war eine Sache, die man nicht an der Academy lernte.
Der abschließende Bericht in der 5-Cent-Ausgabe der Daily News präsentierte eine Schlagzeile ganz nach den Wünschen der Stadtväter: „Drei zwielichtige Subjekte, aufgegriffen im Osten von Los Angeles, verließen heute im Rahmen eines überzeugenden Hau-Ruck-Verfahrens einer Spezialeinheit, die eigens dafür ins Leben gerufen wurde, die steigende Zahl von Gangstern zu reduzieren, unsere Stadt.“ Der vierte Besucher durfte einen Tag darauf seinen Koffer packen. Assistant Chief Reed postulierte: „Los Angeles will keine Typen wie euch.“ Sogar Willie Burns durfte einen Kommentar abgeben, denn einer der Gauner hatte sich darüber beschwert, dass er zusätzlich zu den ganzen Scherereien ein Knöllchen fürs Falschparken bekommen habe. Burns meinte locker-lässig: „Gib mir das Ticket, mein Junge. Ich regle das für dich.“
Damals konnte noch niemand ahnen, was aus den anderen zwei Männern aus dem Mittleren Westen wurde, die wegen vorbildlichen Verhaltens in der Stadt verweilen durften. Es handelte sich um den angeblichen Gebrauchtwagenhändler James Fratianno, einen Straftäter aus Ohio, der auf Bewährung draußen war und sich unter dem Namen „Jimmy, das Wiesel“ alsbald zum meistgefürchteten Killer aus L.A. „hochmordete“. James Regace, der zweite Mann, sollte Jahre später die örtliche Mafia unter seinem richtigen Namen Dominic Brooklier führen. Als sich ihm die Fotografen auf dem Revier näherten, versteckte er das Gesicht. Die Polizei stufte ihn als einen weiteren der überschätzten Clowns ein. „Ich kenne all die anderen Knastbrüder“, zitierten sie ihn. „Die trifft man bei euch in den Nachtclubs!“ Regace gab zu, insgesamt neun Jahre wegen schweren Diebstahls gesessen zu haben, doch es stellte sich zu seinen Gunsten heraus, dass er eine feste Anstellung in L.A. vorweisen konnte. Er hatte sich „redlich“ um Arbeit bemüht – und zwar in einem Bekleidungsgeschäft am Santa Monica Boulevard, das seinem Kumpel Mickey Cohen gehörte.
Der erste Eintrag in Keelers Notizbuchs für „Cohen, Mickey“ listete Informationen zu seinem Wagen auf: „’46 Cad. Sed Blk. Shiny 3T9 364“. Am Ende des Jahres 1947 besaß Mickey jedoch drei Caddies, die durch die Nächte von L.A. sausten und ihn und seine Männer von Club zu Club brachten – der Hang zum Spektakulären war unübersehbar. Sie mussten auch nicht mehr länger von dem schäbigen Farbengeschäft aus operieren, da Cohen besagtes Geschäft für Herrenbekleidung eröffnet hatte, in dem er importierte Anzüge, Seidenkrawatten und Smokings feilbot. Für einen Mann seines