Gangster Squad. Paul Lieberman
Angeles.
Vor dem Kriegseintritt der USA setzte man O’Mara bei der Verkehrspolizei und zum Streifendienst ein. Gegen ihn gab es im Laufe der Zeit nur eine einzige Beschwerde, und die kam auch noch von einem Besoffenen, den er nicht mehr hinter das Steuer gelassen hatte. Eines Tages wurde er angerufen, da sein kleiner Bruder Paul in einer Bar für einen Aufruhr gesorgt hatte. Er schnappte sich seine Knarre und bat darum, dass die Cops ihn mit Paul allein in der Zelle ließen – noch Tage danach schmerzten ihm die Knöchel seiner Hand! Seine Waffe feuerte er nur ein einziges Mal ab, und zwar auf einen Einbrecher, der dabei war, in das Apartment von zwei alten Damen einzusteigen. Der Ganove verletzte ihn leicht mit dem Messer und versuchte über einen Zaun zu klettern – Jack traf ihn direkt ins Hinterteil, so wie damals Archie den Typen in Watts. In jenen Zeiten wurde ein Cop nicht gefragt, warum er auf einen Flüchtenden gefeuert hatte – man gratulierte ihm zu seinem guten Schuss!
Nach dem Angriff auf Pearl Harbor setzte die Küstenwache auch Polizeibeamte ein, da sie eine professionelle Hilfe beim Schutz der Häfen und wichtiger Objekte in Meeresnähe waren. Zuerst mussten sie Eignungstests ablegen, woraufhin O’Mara auf die Aleuten versetzt wurde, wo eine Dechiffrierungs-Einheit die japanische Kommunikation überwachte und dadurch den Code des Feindes zu knacken hoffte. Durch die Geheimdienstarbeit musste er längere Dienstintervalle auf dem gottverlassenen Adak Island verbringen, aber zweimal schmuggelte er Connie dorthin und mietete für sie ein Zimmer in einem Haus auf dem Festland, was natürlich gegen die Bestimmungen verstieß. Doch wenn es für ihn um eine gute Sache ging, brach O’Mara schon mal die Regeln.
Aus dem Militärdienst entlassen, sah er aus wie ein 75 kg schweres, pfeifenrauchendes Spencer-Tracy-Double. O’Mara war genau der Typ Mann, den Willie Burns für seine Sondereinheit suchte, die Los Angeles gegen die bösen neuen Invasoren verteidigen sollte.
O’Mara und Jerry Thomas, „der Professor“, patrouillierten gerade – natürlich in Zivil – vor einem nahegelegenen Lokal für Nachtschwärmer, als sein Partner die beiden muskulösen Arschlöcher aus Detroit sah. Thomas war für solche Jobs wie geschaffen, denn er konnte sich jedes Wort eines Verdächtigen merken, ohne ein Notizbuch zu benutzen. Die Kriminellen dachten immer, sie könnten frei von der Leber weg quatschen, doch Thomas behielt alles.
„Wo sollen wir die Typen hinbringen?“, fragte Jumbo, als sich die beiden mit einem weiteren Gangster-Squad-Team trafen und man gemeinsam das weitere Schicksal der abendlichen Beute beratschlagte.
„Warum nicht in die Wüste?“, schlug Thomas vor. „Wir ziehen die beiden aus und lassen sie dort liegen.“
„Meinst du nicht, das Rathaus wäre besser?“, entgegnete Jumbo. Im Keller des Gebäudes gab es einige leerstehende Räume, die sie nachts benutzten, da niemand hören oder sehen konnte, was die Cops dort veranstalteten.
„Nein, wir bringen sie hoch“, meinte O’Mara. Damit war es beschlossene Sache.
Vom Mulholland Drive aus, einer sich die Hügel hochschlängelnden Straße in den Bergen, die Los Angeles teilte, war die Aussicht fantastisch. Warum sollten man das herrliche Panorama nicht mit den Gaunern teilen, die sich in den angesagten Clubs Hollywoods breitmachten? Vom Sunset Strip dauerte die Fahrt nur fünf Minuten. Niemand sagte ein Wort in dem engen Wagen, in dem die Ganoven und die Cops dicht an dicht saßen.
Schon zuvor hatten Polizisten aus L.A. Verdächtige in die Hügel gebracht. Neue Aufgaben erfordern einen neuen Ansatz!
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir hier weder in New York, Chicago oder Cleveland sind. Wir befinden uns in L.A., und wir lassen uns die Machenschaften dieses Gesindels nicht bieten. Die Leute aus dem Osten werden unsere Botschaft verstehen. Wir kochten die Gauner ein wenig weich – Sie wissen schon, was ich meine – oben in den Hollywood Hills, abseits vom Coldwater Canyon oder auch anderswo. Nachts ist es dort stockfinster. Man redet Klartext – von Mann zu Mann.
O’Mara mochte die Dunkelheit der Hügel und das Funkeln der Lichter der Stadt in der Ferne, denn hier konnte man auf Höflichkeiten verzichten. Um seine Botschaft klar und unmissverständlich rüberzubringen, presste er die entsicherte Pistole in das Ohr eines der Typen. Den folgenden Spruch hatte er sich nicht zurechtgelegt. Es platzte einfach so aus ihm heraus.
Musst du niesen?
Das wurde dann zu O’Maras Markenzeichen – eine Knarre im Ohr und drei eindeutige Worte.
Merkst du, dass deine Nase kribbelt? Musst du niesen? Richtig … laut … niesen?
In den Klatschkolumnen bezeichneten die Reporter Benny „Bugsy“ Siegel als einen „Sportsmann aus Hollywood“, wenn er mal wieder mit einem B-Movie-Sternchen gesehen wurde oder seinem alten Freund George Raft, dem Tänzer, der es aus halbseidenen Varietees auf die Leinwand geschafft hatte und dort die Rolle des harten Burschen spielte. Für Bugsy stellte Los Angeles einen riesigen Spielplatz dar. Seine Jugend hatte er in Manhattans Lower East Side verbracht, wo er zu einem Zusammenschluss tougher italienischer und jüdischer Männer gehörte. Dazu zählten Lucky Luciano und Meyer Lansky. Letzterer verdeutlichte ihm im Mafia-Stil, dass er schleunigst der alten Siedler-Devise folgen solle: „Auf nach Westen, junger Mann!“
Niemand wusste, in welchem Jahr er in die Stadt gelangte – 1934, 1935, 1936 oder 1937. Doch er war nicht gekommen, um sich zu verstecken. Man konnte ihm auf dem Sunset Strip begegnen, oder er hielt Hof in einer Loge auf der Santa Anita Rennbahn, wo er anderen Glücksspielern zuwinkte und dabei Gewinne und Verluste in seinem Notizbuch verzeichnete. Auch saß er manchmal in der Sauna des Hollywood Athletic Club und hielt ein Meeting ab oder versuchte sein Können auf dem Hillcrest unter Beweis zu stellen, einem Golfplatz für Juden. Zu den Club-Mitgliedern zählten die Marx Brothers, Milton Berle und viele der Filmstudio-Mogule. Das mag eine Erklärung sein, warum die Filmbosse mit ihm verhandelten, als er sich kurzfristig für die Gewerkschaft der Schauspieler einsetzte. Sie vertrauten ihm und waren bereit, den Preis für den Arbeitsfrieden zu bezahlen.
Mickey Cohen beschrieb die Qualitäten, die er an diesem Mann schätzte, knapp und bündig: „Geld, schicke Klamotten und Klasse!“ Wenn man einen Vorreiter für den modischen Look der damaligen Zeit nennen wollte, so stand Bugsy an vorderster Stelle, zusammen mit Joe Adonis, dessen Name wie die Faust aufs Auge passte, und Frank Costello, dem New Yorker Mafia-Boss, der sich mit Leichtigkeit und Geschick zwischen den Mächtigen der Welt bewegte. In Mickeys Augen wirkte Bugsys Kaschmir-Anzug wie das exakte Gegenteil zum Stil der ersten „Spaghetti“-Einwanderer, die sich oft wie Lumpensammler kleideten. Doch damit meinte er nicht Jack Dragna, der sich ganz ordentlich anzog. Dragna war allerdings nach Mickeys Ansicht ein eher „lustloser Typ“, und darin lag der Hauptgrund, warum ihn die Organisation letztendlich verstieß. Bugsy sollte ihn beerben. Dragna hatte schon seit 1914 in L.A. „gearbeitet“, doch er war nicht in der Lage gewesen, „etwas auf die Beine zu stellen und damit den Leuten aus dem Osten zu genügen“. Und so entwickelte sich eine stetig anwachsende Unzufriedenheit mit ihm. Bugsys Wurzeln lagen in New York und Dragnas in Chicago. Dazu kam noch die italienisch-jüdische Verbindung – so eine Allianz hätte in der Lower East Side Sinn ergeben, doch kein waschechter Sizilianer wollte sich was von diese Leuten vormachen lassen. „Scheiß auf Dragna“, lautete denn auch Bugsys Kommentar.
Glücklicherweise fiel durch die neuen „Geschäftszweige“ genügend Geld für alle ab, sodass sich jeder auf ein bestimmtes Feld konzentrieren konnte. Als würde den Gangstern ein zeitlich passendes Geschenk gemacht, eröffnete fast genau ein Jahr nach Wegfall der Prohibition, die für die kriminellen Banden über die Jahre hinweg Haupteinnahmequelle gewesen war, die dann allerdings schnell versiegte, an Heiligabend der Santa Anita Park. Die dort stattfindenden Rennen führten zu einer regen Nachfrage bei Wetten, legalen, die auf der Bahn abgewickelt wurden, und illegalen, die außerhalb des Geländes abgeschlossen wurden. Bugsy und seine Kumpel sicherten sich durch die Übernahme des Nachrichtenservice direkte Informationen von Legionen von Buchmachern. Über diese Verbindungen liefen alle wichtigen Infos – zum Zustand der Bahnen, über Jockeys, über Pferde – die auf dem schnellsten Weg zu den Kunden, also den Wettbüros und