Gangster Squad. Paul Lieberman

Gangster Squad - Paul  Lieberman


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Harbor. Im Büro stellte er ein Feldbett auf, damit er im Angriffsfall immer vor Ort sein konnte. Die Befürchtung einer Attacke war gar nicht so weit hergeholt, denn einem japanischen U-Boot gelang es, sich in den Santa Barbara Channel zu schleichen und von dort aus mehrere Geschosse in Richtung Land zu feuern. Doch Horrall hatte schon einige Jahre auf dem Buckel und war nicht so schnell einzuschüchtern. Im Ersten Weltkrieg bereits hatte er sich als Lieutenant seine Sporen verdient, und in den letzten Jahren musste er sich mit hartnäckigen Herzproblemen abplagen. Angeblich soll er auf dem Feldbett seine Nickerchen gehalten haben, bewacht von einem vertrauenswürdigen Sergeant im Vorzimmer, der ihn rechtzeitig weckte, wenn eine wichtige Person im Anmarsch war. Horrall spielte sogar mit dem Gedanken, seinen „Melder an vorderster Front“ zum Leiter der neuen Sondereinsatztruppe zu ernennen, doch Chief Deputy Joe Reed redete ihm diesen Unsinn aus. Sie brauchten keinen Bürohengst, sondern einen Cop von der Straße, einen wie den kleinen harten Sergeant von der 77th Street Station, einen Mann namens Willie Burns.

      Burns gehörte zu den vielen Heimatsuchenden der großen Migrationswelle aus dem Mittleren Westen und stammte aus Minnesota, wo er als Teenager einst Baumwipfel beschnitt. Er realisierte schnell, dass andere Berufe weitaus sicherer waren. So zog er nach Westen, trat den Dienst bei der Polizei an und wurde angeschossen … von üblen Burschen, die gerade erst in die Stadt gekommen waren! Die Starr-Brüder aus Detroit hatten im ersten Monat in L.A. ein Dutzend Lebensmittelgeschäfte und Tankstellen ausgeraubt und trafen außerhalb der Western States Grocery an der San Pedro Street just auf Burns, dem sie in die Schulter schossen. Vier Jahre später gehörte Burns zu den LAPD-Beamten, die abgestellt wurden, um die Staatsgrenze gegen den Einfall von „Okies“, den Flüchtlingen infolge der großen Weltwirtschaftskrise, zu sichern. Letztere hatten sich in der Hoffnung nach Kalifornien aufgemacht, als Obstpflücker zu arbeiten, was meist nicht klappte. Der Polizeichef nannten die verzweifelt nach Arbeit Suchenden und Umherwandernden „Diebe und Rowyds“. Die „Vagabunden“ kommentierten das mit einem Song:

      I’d rather drink muddy water

      Sleep out in a hollow log

      Then be in California

      Treated like a dirty dog.

      Burns befürwortete die „Pennerbarrikade“ nicht wirklich. Er zählte aber zu diesen „guten Soldaten“, die, ohne viel zu fragen, einfach ihren Job erledigten. Und er war in der Tat ein guter Soldat mit vielen Fähigkeiten, die man einem Mann seiner Statur und mit einer Größe von 1,75 Meter nicht zugetraut hätte. Bei den Marines hatte er als Geschützoffizier gedient – und darum kannte er sich auch mit Maschinengewehren aus, er war an einer Browning Automatik ausgebildet worden. Darüber hinaus hatte er noch den Titel im Weltergewicht bei einer Box-Meisterschaft der Pazifikflotte gewonnen. In einer Abteilung, verrufen wegen ihrer Schläger, verdiente er sich schnell den Ruf eines besonnenen Beamten. Er war ein guter Läufer und wusste, wie man die Fäuste akkurat platzierte. Das demonstrierte er gekonnt bei einer Nachtschicht, als zwei Kollegen einen sich heftig wehrenden Verdächtigten anschleppten. Ohne ein Wort zu verlieren, verpasste er dem Kerl einen gezielten Kinnhaken, der ihn auf dem gewachsten Holzparkett durch den ganzen Raum schleuderte – bis ans Ende des Wachraums. Erst dann fragte er: „Okay, was hat das Arschloch angestellt?“ So arbeitete ein Willie Burns. Er lebte in einem bescheidenen Haus, nur 80 Quadratmeter groß, in Nähe des Polizeireviers, wo er und seine Frau sich liebe- und aufopferungsvoll um ihre durch Kinderlähmung behinderte Tochter kümmerten. Er stand kurz vor der Beförderung zum Sergeant, als Chief Horrall und Joe Reed ihn zu sich riefen und ihn baten, eine neue Spezialeinheit zusammenzustellen und zu leiten.

      Zu dieser Zeit war in Los Angeles auch ein anderes Team ins Leben gerufen worden – die Los Angeles Rams. Sie waren Burns Vorbild. Die Klasse eines guten Football-Teams lässt sich gleich an der ersten Reihe ablesen, welche die hünenhaften Kämpfer aufweist. Und so stand an erster Stelle der Liste von Cops, die Burns zu dem konspirativen Treffen am Abend eingeladen hatte, James Douglas „Jumbo“ Kennard, der aus Grand View, Texas, stammte. Jumbo brachte es auf eine Größe von über 1,90 und wog über 110 kg. Er war der Sohn eines Kleinstadt-Sheriffs, der in seinem Revier für Ruhe sorgte und tatsächlich noch in voller Wild-West-Montur auftrat – mit einem Stern. Jumbo verließ Texas im Alter von 16 Jahren, um sich seinen Lebensunterhalt als Malocher auf den Ölfeldern zu verdienen. Irgendjemand schoss damals ein Bild in Arbeitskleidung von ihm – durch seine Größe wirkte er so beeindruckend wie die riesigen Förderanlagen! Die Schufterei in der Ölindustrie brachte ihn halbwegs sicher durch die Große Depression, wonach es ihn in Richtung Los Angeles zog, wo er seine Zeit kurz als Hilfsarbeiter in einer Autofabrik verschwendete und den Mechanikern Vergaser und Batterien reichte. Doch dann entdeckte er das LAPD für sich. Seine Finger waren so lang und kräftig, dass er damit den Kopf eines widerwilligen Verdächtigen umfassen und ihn aus dem Stuhl hochheben konnte. Jumbo trug einen einschüchternden 6-inch-Revolver, denn jede kleinere Wumme hätte wie Spielzeug in seinen Händen gewirkt. Ein Lächeln spielte um Willie Burns’ Lippen, als der Riese den Raum nach der Bedenkzeit betrat und sagte: „Bin dabei.“

      Natürlich wollte auch Benny Williams mitmischen. Geboren zu Beginn des Jahrhunderts, sah man schon die Krähenfüße um seine Augen. Er war durch ein leicht verkrüppeltes Bein gehandicapt. Doch er hätte die Karriere eines Football-Spielers anstreben können, denn der Sport warf in der Ära der Lederhelme noch ordentlich Kohle ab, und Williams gehörte zu den Assen. Nachdem er seine Kindheit in Indiana verbracht hatte, wurde Benny Mitglied in einem der schon früh herumreisenden Teams, bei denen man ständig andere Positionen besetzen musste. Mal spielte man im Angriff, dann wieder in der Verteidigung, und die Spieler mühten sich für einige schlappe Dollars ab. Als besonders talentiert erwies sich Benny als Dropkicker, woraufhin er 1921 einen Brief von George Halas erhielt, der ihn für sein Team, die Chicago Bears, gewinnen wollte, um die Mannschaft in der nächsten Saison in der gerade erst gegründeten National Football League zu unterstützen. Doch Benny war schon vom kalifornischen Fieber gepackt, nachdem ihn die Army während des Ersten Weltkriegs in den Süden des Bundesstaates versetzt hatte, um ihn in der Bergung von Heißluftballons auszubilden. So wurde er schließlich ein Cop und ließ die Profikarriere sausen. Seine Chefs steckten in während der Prohibition in eine Einheit zur Alkoholbekämpfung. Und natürlich fing er sich dann wie Burns auch gleich eine Kugel ein. In jenen Tagen ereilte Cops dieses Schicksal häufig. Benny und sein Partner kämpften gerade mit einem Zuhälter, der sich die Knarre seines Kollegen schnappte, als es passierte. Williams wurde lediglich am Knie verwundet, sein Partner Vern Brindley jedoch getötet. Das einzige Mal, dass Bennys Frau ihn weinen sah, war im Hospital, als er die schlimme Nachricht bekam. „Er hat zwei Typen wie uns fertiggemacht.“ Und als wäre er nicht schon stark genug, trainierte er von nun an auf dem Bau. Er gehörte zu den Polizeibeamten, die sich freiwillig meldeten, um in ihrer Freizeit den Los Angeles Police Revolver and Athletic Club aus dem Boden zu stampfen, besser bekannt als Police Academy. Im Handgemenge mit Verdächtigen hatte er einen guten Trick drauf. Er trat ihnen mit solcher Wucht in den Hintern, dass sie förmlich durch die Gegend flogen. Einmal ein Dropkicker – immer ein Dropkicker.

      Die Spezialität von Archie Case wiederum war ein gezielter Genickschlag. Archie brachte bei einer Größe von 1,80 über 110 kg auf die Waage und erwarb sich seinen guten Ruf in dem Schwarzenviertel, das einst Mud Town hieß und nun Watts und 1926 in Los Angeles eingemeindet wurde: Für einen Streifenpolizisten stellte die Ablieferung eines Verdächtigen auf dem Revier damals ein Problem dar – um einen Streifenwagen anzurufen, musste man erst an einer Straßenecke eine sogenannte Gamewell-Telefon-Box benutzen, eine Blechkiste in der Größe eines Feuermelders, die mit einem Spezialschlüssel geöffnet wurde. Von dort aus gab es eine Direktleitung zum Revier. Einmal befand sich Archie gerade auf dem Weg zu einer solchen Box. Er spürte, dass der Typ, den er sich am Schlafittchen gepackt hatte, übermäßig nervös agierte und bereit war, jede Sekunde zu fliehen. Archie warnte ihn: „Wenn du stiften gehst, werde ich dir in den Arsch schießen.“ Natürlich flüchtete der Kerl doch, und Archie schoss ihm in den Allerwertesten. Zurück am Gamewell-Telefon meinte er in aller Seelenruhe zum Chef der Wache: „Vergiss das mit dem Pickup – schick einen Krankenwagen.“ Von diesem geschichtsträchtigen Tag an nannte man Archie den „Bürgermeister von Watts“.

      Auch Jerry Thomas und Con Keeler waren wahrlich groß genug für Burns’ Sondereinheit, beide knapp über 1,80 Meter, doch


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