Gangster Squad. Paul Lieberman

Gangster Squad - Paul  Lieberman


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dieses Mal hatte es Freddie übertrieben, als er einem Buchmacher in Merced anbot, die Wetten aus gleich drei Krankenhäusern nahe Fresno einzusammeln. Der Mann holte sich noch Verstärkung von zwei Freunden, um das Großunternehmen durchzuziehen und verlor in kürzester Zeit 2.900 Dollar. Gab es denn wirklich so viele glückliche Zufälle? Das Trio schöpfte Verdacht, folgte dem angeblichen Doc und entschied sich zu dem Charterflug. Doch als sie ihn entführt und ein wenig weichgeklopft hatten, schlug er ihnen sogleich eine Rückzahlung vor. Er bot den ruppigen Entführern zwei Diamantringe seiner Frau an – der eine mit 10 und der andere mit 5 Karat –, die wenigstens 12.000 Dollar einbrächten. Das Trio schluckte den Köder und rief Lillian von einer Telefonzelle aus an, damit sie die Juwelen auf dem schnellsten Weg zu einer Drogerie in Burbank schaffte. Statt ihrer erschienen dort dann allerdings die Polypen.

      Zu Beginn der Ermittlungen wollte O’Mara herausfinden, wer hinter dem betrogenen Buchmacher steckte. Das Trio schien auf einer unteren Stufe der Futterkette zu stehen, da sich einer der Drei als ehemaliger Klempner ausgab und ein anderer als Stud-Poker-Spieler und Natursteinschleifer. Doch viele Buchmacher bezahlten einen Typen wie zum Beispiel Mickey, der einige Stufen über ihnen stand, falls nicht für den Nachrichtenservice, dann zum eigenen Schutz – entweder vor seinen Schlägerbanden oder bestechlichen Cops oder eben vor Typen wie Freddie Whalen. Es machte Sinn, wenn ein paar Muskelmänner hinter einem standen, die man beauftragen konnte, Betrügern eine Abreibung zu verpassen. Einem Bericht des Bundesstaates Kalifornien nach arbeiteten 500 Buchmacher im Rahmen von Mickeys Netzwerk, denen er telefonisch seine Anweisungen gab. Auch unter Dragnas Fittichen hatte sich sicherlich ein ganzer Haufen „Schutzbefohlener“ versammelt. Und so machte sich O’Mara zu Fred Whalens Haus in Hollywood auf, um mal selbst sein Glück zu versuchen.

      Fred lebte zu der Zeit in einem Apartment im Tal und zwar in der Lodi Street, gegenüber des Hollywood Studio Club, dem Treffpunkt junger Frauen der Unterhaltungsindustrie, die es geschafft hatten oder es bis ganz nach oben schaffen wollten. Die 21-jährige Möchtegern-Schauspielerin Joan Cory war damals gerade aus dem Club gekommen, als Freddie mit seinem Enkelsohn über den Gehweg schlenderte, und wurde Zeugin der Entführung. „Es sah aus wie eine Szene aus einem Film“, japste die dunkelhaarige Schönheit ganz aufgebracht. Und noch eine weitere aufstrebende Schauspielerin lebte in einer naheliegenden Pension: Sie hatte im Krieg in einer Munitionsfabrik geschuftet und zog sich nun zum ersten Mal aus, um lumpige 50 Dollar zu verdienen – ihr Name war Norma Jeane Backer [später strich die Schauspielerin das „e“ aus dem zweiten Vornamen Jeane, A.T.]. „Ich war mit der Miete im Rückstand“, erklärte das Mädchen, das später als Marilyn Monroe Weltruhm erlangte.

      Freddie Whalen ließ O’Mara eintreten – kein Problem, er hatte doch nichts zu verbergen. Die beiden – zwei Iren in der Neuen Welt – führten ein nettes Gespräch. Nur Jack, Freds Sohn, befand sich noch im Haus. O’Mara hätte aber nie daran gedacht, dass die beiden verwandt waren: Whalen Senior hatte einen durchschnittlichen Körperbau, trug ein kurzärmeliges Hemd und wirkte unglaublich entspannt für jemanden, der beinahe seinen „Freiflieger“ gemacht hätte. Ganz offensichtlich verließ er sich immer noch auf sein Glück und seine Raffinesse. Im Kontrast zu Daddy hatte Jack eine beeindruckende Physis. Als ihm O’Mara die Hand schüttelte, verschwand sie beinahe in Jacks Pranke. Fotos im Wohnzimmer zeigten den jungen Whalen in Uniform. Fred berichtete voller Stolz, dass sein Sohn im Krieg als Pilot kämpfte. Jack sah sehr gut aus und beeindruckte die Leute mit seinem dicken, welligen und tiefschwarzen Haar – ihnen blieb förmlich die Spucke weg. Er ähnelte dem düsteren, schwermütigen Schauspieler Robert Mitchum, der oft die Rolle der Bösewichte übernahm. Allerdings hatte er breitere Schultern und war ein wenig dicker. Seine Hand zu schütteln reichte für einen langanhaltenden Eindruck.

      Doch Jack Whalen brachte kaum ein Wort über die Lippen. Nervös und mit grimmigem Gesichtsausdruck stampfte er im Zimmer auf und ab, bis sein Daddy schließlich meinte, dass er nichts von dem Trio wisse, das ihn töten wollte, und damit auch keine Aussage machen könne.

      O’Mara stellte das nicht in Frage. Er hatte den Ehrenkodex unter Dieben kapiert. Und hinzu kam, dass Freddie sich wohl schlecht in den Zeugenstand setzen und erklären konnte, was er im weißen Kittel mit Stethoskop in einem Krankenhaus in Fresno gemacht hatte. Die beiden trennten sich, nachdem sie eine Vereinbarung geschlossen hatten. Falls wieder ungebetene Gäste auftauchen sollten, würde Freddie seinen neuen Freund bei der Gangster Squad verständigen. Im Gegenzug musste er sich keine Sorgen machen, vor Gericht zitiert zu werden. Und was war für die ins Netz gegangenen Gangster geplant? Sergeant J.J. O’Mara würde sie wieder auf einen kleinen Plausch zum Mulholland Drive entführen …

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      Schließlich stellte man der Gangster Squad ein Büro zur Verfügung, auch wenn es eher einem Loch glich. Die Räumlichkeiten lagen in der alten Central Station, in der immer noch Pferdeboxen aus dem 19. Jahrhundert standen und sich ein kreisrunder Wendeplatz befand, wo die Beamten mit ihren von Pferden gezogenen „grünen Minnas“ die Übeltäter schnell und effektiv ausladen konnten, um danach wieder Streife zu fahren. Als die Gangster Squad grünes Licht bekam, eine Sekretärin einzustellen, traf sie ihre Wahl mit größter Sorgfalt: Sally Scott hatte während des Krieges für die Navy in Washington gearbeitet und war damals der höchsten Geheimhaltungsstufe unterworfen. Sie half Keeler, die Informationen aus dem Notizbuch auf Karteikarten zu übertragen, und abonnierte diverse Zeitungen aus dem ganzen Land, um Artikel über bestimmte Gangster auszuschneiden und neben dem Spucknapf in einem Aktenordnerschrank zu archivieren. Die Cops erhielten nach wie vor Gehaltsschecks, als würden sie den alten Jobs nachgehen, doch nun stand ihnen endlich, ungeachtet ihres Status als Undercover-Agenten, ein Treffpunkt zur Verfügung – mit einem Hutständer neben der Tür.

      Der größte Fortschritt stellte in ihren Augen allerdings eine Wanze dar, die in Mickeys Wohnzimmer versteckt war, denn durch die Abhöraktion erhielten auch sie wertvolle Informationen. Einen Tag, nachdem die Polizei die sechs Männer auf dem Wilshire festgenommen hatte, wurde Mickeys Handlanger Neddie Herbert belauscht: „Ich kann dich nicht im Mocambo treffen. Ich hab Muffe, dass die mich am Arsch kriegen.“ Frühmorgens gegen halb vier Uhr stürmte Neddie dann in Mickeys Schlafzimmer, um ihn auf den neusten Stand zu bringen: „Die haben schon wieder jemanden verhaftet. Ich will raus aus dem Schlamassel. Jesus Christus! Ich will noch einige Tage leben bleiben.“

      „Die können doch nicht einfach jeden aus der Stadt werfen“, antwortete Mickey. „Das ist gegen die Verfassung.“

      Später meckerte er darüber, dass einige Officers vom LAPD Kunden in seinem Modegeschäft belästigten und manchmal die niegelnagelneuen Kleidungsstücke mit roter Kreide beschmietren. „Um Himmels Willen, die Kerle lassen sich an 200-Dollar-Anzügen aus. Die bringen fast jeden Kunden auf die Wache – das ist doch lächerlich.“

      Ein anderer Mann seiner Bande spekulierte, ob „Willie Burns der nächste Bürgermeister von Hollywood“ werden wolle.

      Die Gangster Squad hatte ihre helle Freude daran, Mickey auf die Palme zu bringen. Die Abhöraktion, die zu einem wahren Fiasko wurde, konnte man ihr jedoch nicht zur Last legen. Die Sitte hatte die besagte Wanze angebracht, zu einer Zeit, als sich die Sondereinheit noch im Aufbau befand. Damals war Mickey dank seiner Glückssträhne in der Lage gewesen, sich ein ranchartiges Anwesen in Brentwood, einem noblen Vorort, zu kaufen und zu renovieren. Er glaubte, dass sich Brentwood außerhalb der Stadtgrenzen befand, was allerdings nicht stimmte. Die Detectives von der Sitte nutzten einen regnerischen Tag für den geplanten Lauschangriff. Die Bauarbeiter hatten frei, und so zogen sie in Malochermontur los – Schutzhelme und Sicherheitsschuhe inklusive – und latschten dreist in das Haus. Sie versteckten des Mikrofon in Mickeys Wohnzimmer zwischen dem offenen Kamin und der Vorratskiste für Holzscheite, verlegten das dünne Kabel unter dem Rasen bis zu einem Verteilerkasten der Telefongesellschaft. Von dort aus bestand eine Direktleitung zur Abhörzentrale. Als Mickey und Lavonne Cohen mit ihrem Hund Tuffy, einem Boston Bullterrier, in die 513 Moreno Avenue zogen, aktivierten die Cops die Wanze.

      Bei dem wunderbaren Coup machten die Beamten von der Sitte allerdings einen Fehler, denn sie nutzten die Dienste eines privaten Elektronikexperten.


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