Seewölfe Paket 27. Roy Palmer

Seewölfe Paket 27 - Roy Palmer


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so dröhnte er denn: „Sir, dir gebührt der erste Schluck der Prüfung, ob dieser Rum auch keine Kuhjauche ist, von Kakerlakenpisse ganz abgesehen!“

      Da hatte der Profos seinen Kapitän ganz schön durchschaut und seinen diesbezüglichen Gedankengang nachvollzogen, sogar bis auf den Ausdruck „Kuhjauche“!

      Oh, dieses Schlitzohr von Profos! Und wie er grinste. Aber dieses Grinsen gefror, und da wandte auch Hasard den Blick zu jener Stelle, zu der Carberry starrte.

      Ach ja! Der Waldschrat!

      Der war wieder in die Gegenwart zurückgekehrt, hatte einen Blick drauf, der glühender Holzkohle nicht unähnlich war, und bäumte sich auf.

      Knacks!

      Mit einem häßlichen Laut brachen die Klampen aus dem Deck, als seien sie dort nicht verankert gewesen, sondern nur mit Spucke festgeklebt worden.

      Und schon schnellte der Waldschrat hoch und stand auf den Planken, allerdings noch die Pranken vor dem Körper gefesselt. Diese Fesseln waren jetzt fällig, um gesprengt zu werden.

      Aber da war Carberry an ihm dran. Die Rumbuddel hatte Hasard blitzschnell auffangen müssen. Und der Profos nahm Maß, ein wildes Grinsen auf dem vernarbten Gesicht, schwang die Rechte zurück, sagte „Uuhh!“, so daß ihn der Waldschrat verdutzt anstierte – und schon flog der Profoshammer von rechts unten hoch. Das war ein Huftritt. Die Faust aus Eisen traf die besondere Stelle am Kinn.

      Bei dem Waldschrat mit dem granitharten Schädel war diese Stelle aus Glas. Er brach zusammen, als habe ihn eine der Äxte getroffen, mit denen sie die Muskatnußbäume umlegten. Das heißt, ihm flog der Kopf ins Genick, und so verharrte er Sekunden mit zitternden Schenkeln, bevor er zusammensackte.

      „Schlage vor, Sir“, sagte Carberry und massierte sich die Handknöchel der Rechten, „wir binden diesen pelzbemützten Affenarsch mit Trossen an den Mast, damit Ruhe ist.“

      „Und wenn er den Mast aus dem Kielschwein rupft?“ fragte Hasard, denn fast stand zu erwarten, daß dieser unheimliche Kraftmensch auch das fertigbrachte.

      Carberry winkte ab. „Keine Sorge, Sir, der hat ein schwaches Kinn. Sobald er wieder blinkert und unleidig wird, haue ich ihm was auf dieselbe Stelle. Mit der Zeit merkt er dann, daß ihm Blinkern und Unleidigsein nichts einbringen, sondern nur wehtun. Dafür verbürge ich mich.“

      „Dein Wort in das Ohr des Herrn“, sagte Hasard. „Du hast den ersten Schluck, Ed!“ Und er reichte dem Profos die Buddel.

      Da sagte keiner was, als der Profos den Inhalt um ein ganzes Viertel verkürzte. Hatte er sich das nicht verdient? Dann ging die Buddel reihum. Und auch drüben auf der anderen Schaluppe befeuchteten Don Juan und seine Mannen die Kehlen.

      An die zehn Kabellängen lagen jetzt die beiden Schaluppen nordöstlich des Landeplatzes der Holländer im Wind und warteten ab, was sich tat.

      Carberry, Dan O’Flynn und Stenmark schleppten den Waldschrat zum Mast, wuchteten ihn hoch, und dann wurde der schwere Brocken verzurrt – mit kräftigen Ankerleinen, die sie um ihn und den Mast wickelten.

      Im vergrößerten Maßstab glich das Ganze einem Talking, wie man ihn mit Kabelgarn auf ein Tauende setzte, damit es nicht aufdröselte. Carberry meinte in seiner sinnigen Art, jetzt gleiche der Kerl „’ner eingewickelten Mumie“, ein Vergleich, der gar nicht so verkehrt war. Jedenfalls steckte der Waldschrat nunmehr in einer Art Tauhülle und verschmolz auf innige Weise mit dem Mast.

      Am Landeplatz der Mijnheers wurden zwei Schaluppen ins Wasser geschoben und von etwa je zehn Kerlen bemannt. Sie setzten Großsegel und Fock und hantierten an den Drehbassen. Die anderen Kerle an Land – zum Teil trugen sie Verbände – waren damit beschäftigt, aufzuräumen und die Zelte wieder aufzubauen.

      Hasard nickte grimmig: die gaben noch nicht auf, und sie gingen zum Gegenangriff über, klarer Fall, sie waren spitz darauf, es den Burschen auf den beiden Einmastern heimzuzahlen. Und da stand ja schon mal fest, daß sie denen zahlenmäßig überlegen waren.

      Hasard winkte Don Juan zu, die vereinbarte Position einzunehmen – etwas achterlicher als dwars an Steuerbord von Hasards Schaluppe. Beide Schiffe bildeten also eine Staffel, das heißt, sie liefen in schräger Linie hintereinander – eine Gefechtsformation, die es ihnen unter Umständen erlaubte, den Gegner in die Zange zu nehmen. Dieser Gegner segelte ihnen zur Zeit in Kiellinie hinterher.

      Auf allen vier Schaluppen standen die Segel bei nördlichem Kurs und halbem Wind voll und bei und waren so getrimmt, daß sie bei diesem Kurs ihre schnellstmögliche Geschwindigkeit liefen.

      Hasard gewann den Eindruck, daß die Gegner nicht aufholten, sondern im Gegenteil etwas zurückfielen. Sollten die beiden Einmaster der Mijnheers tatsächlich langsamer sein, dann war das für die Arwenacks ein Vorteil, der ihre zahlenmäßige Unterlegenheit wieder aufhob, ja, es lag bei ihnen, den Handlungsablauf zu bestimmen. Das war wirklich ein entscheidender Vorteil.

      Die Aktivitäten an Bord seiner Schaluppe hatte Hasard darauf abgestimmt, daß Carberry, Stenmark und Dan O’Flynn für die Arbeit an den Drehbassen zuständig waren, während die beiden Junioren Großschot und Fockschot bedienten und somit für die Segelmanöver zur Verfügung stehen mußten.

      Er schaute zu Don Juan hinüber und hob dämpfend die Hand, um anzudeuten, daß die Fahrt verlangsamt werden solle.

      Drüben bei Don Juan trat Al Conroy an die achtere Drehbasse und richtete sie ein. Auch das war vereinbart. Der Waffen- und Stückmeister der Arwenacks sollte – wann und wie immer auch möglich – den Gegner mit Weitschüssen nerven. Wenn er Treffer erzielte, um so besser.

      Noch befanden sich die beiden Gegner-Schaluppen außerhalb der Kernschußweite von Drehbassen. Aber Hasard wußte, daß Al Conroy die Pulvermenge in der herausnehmbaren Kammer des Hinterladers höher bemessen hatte als sonst üblich. Das war riskant, aber Al Conroy war nicht der Mann, der des Guten zuviel tat. Er bemaß die Pulvermenge so, daß nicht die Gefahr eines Auseinanderfliegens der Kammer oder des Verschlußstücks bestand.

      Al Conroy peilte zur vorderen Gegner-Schaluppe, visierte, kippte den Lauf an und führte die Lunte ans Zündloch der Pulverkammer.

      Bumm!

      Man konnte mit bloßem Augen die gekrümmte Flugbahn der Kugel verfolgen. Sie stieg leicht an bis zu ihrem Scheitelpunkt und senkte sich wieder, einen feinen Rauchschweif hinter sich herziehend. Die Mijnheers stierten. Dem Rudergänger auf der vorderen Schaluppe war das heransausende Ding nicht geheuer. Er fiel aber nicht nach Steuerbord ab, um die schmale Silhouette zu bieten, sondern luvte nach Backbord an und präsentierte damit die Steuerbordseite.

      Sein Kapitän – es war der stiernackige Hackklotzmensch – brüllte ihm etwas zu, was man durchaus mit „Idiot!“ übersetzen konnte.

      Die Kugel krachte unterhalb des Schanzkleides etwa in Höhe des Mastes in die Bordwand der Steuerbordseite. Dort verschwand sie im Schiffsinneren, und man hörte es rumpeln, als sei etwas umgestoßen worden.

      Die Kerle fluchten wie die Fuhrknechte. Der Kapitän sprang selbst ans Ruder und zeigte einmal mehr, daß er zur Gilde der Wüteriche gehörte, die immer gleich handgreiflich wurden. Der Rudergänger wurde mit einem Schlag abgeräumt und segelte über Deck, wo er einen zweiten Kerl umriß, bevor er selbst die Planken küßte.

      Fürwahr, es herrschten rauhe Sitten bei den Mijnheers.

      Zur Zeit war das Loch in der Bordwand nicht unbedingt lebensgefährlich, da es an die drei Handbreiten über der Wasserlinie lag. Aber wenn die Schaluppe stark nach Steuerbord krängte, würde die Sache schon anders aussehen, es sei denn, man schlug einen entsprechenden Rundkeil in das Loch und besserte so den Schaden aus.

      Aber der Treffer hatte eine moralische Wirkung. Die Wut der Mijnheers stieg auf Siedehitze. Bisher hatten sie ständig Dresche bezogen und noch kein einziges Mal zurückgezahlt. Der Schuß des Gegners animierte sie, gleiches zu versuchen. Und auch ihnen war bekannt, daß man die gewöhnliche Schußweite mit mehr Pulver vergrößern kann.

      Wut macht blind, sagt man.


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