Seewölfe Paket 27. Roy Palmer
einer sehr gut geformten und sehr glutäugigen und sehr jungen Señorita, Tochter des Schneiders, hätte er gern geschäkert, nur ein bißchen, aber da war ihm ausgerechnet sein „Blutsbruder“ Edwin Carberry auf die Zehen gestiegen und hatte ihm zugeraunt, der Kapitän hätte sich „amouröse Gegenleistungen“ deutlich und energisch verbeten, und das gelte für alle, denn es sei zu befürchten, daß der eine oder andere im Eifer des Gefechts vielleicht doch seine englische Identität verrate, was tunlichst zu vermeiden sei. Punktum!
Mac war heute noch sauer, was den Profos aber nicht weiter bekümmerte, weil er auf den beiden Schaluppen zugange war, um die „auf Vordermann“ zu bringen.
Hasard hatte auf Mithilfe der Dons verzichtet – in diesem Fall der zehn Soldaten –, die auch gar nicht gewußt hätten, wo anzupacken war. Und er hatte dem Capitán auch gesagt, er werde den Coup gegen die Axtschwinger mit seinen Männern unternehmen, die seien aufeinander eingespielt, vor allem was Aktionen auf See beträfe, und genau diese habe er unter anderem vor.
Das war ganz im Sinne der Arwenacks. Sie brauchten die Dons nicht als Mitstreiter – Gott bewahre! Die wären nur hinderlich gewesen – oder hätten die Ohren gespitzt, wenn man mal auf englisch fluchte.
„Da sind wir Betschwestern lieber unter uns“, hatte Carberry gesagt.
Roger Brighton, Takelmeister der Arwenacks und Bruder Ben Brightons, hatte eine Menge zu tun, um vergammeltes oder verrottetes Tauwerk auszuwechseln und neue Fallen und Schoten zu scheren. Und Will Thorne flickte oder ersetzte Segel, wo sich das als notwendig erwies. Al Conroy, Stück- und Waffenmeister der Arwenacks, kümmerte sich um die Armierung, vor allem um die Drehbasen, mit denen die Schaluppen bestückt waren. Und Ferris Tucker überprüfte die beiden Schiffchen von außen und innen, wobei er etwas verblüfft feststellte, daß sie aus einem eisenharten Holz gebaut waren, das er nicht kannte.
Oder sollte es das Holz sein, aus dem Thorfin Njals Viermaster „Eiliger Drache über den Wassern“, gezimmert worden war? Mein lieber Mann! Dann hatten die Dons hier zwei Schiffchen, von deren Güte sie nicht das geringste ahnten! Diese Planken waren immun gegen Drehbassenkugeln, wenn nicht gar gegen schwerere Kaliber. Außerdem fingen sie schwer Feuer. Schiffe aus diesem Holz waren kaum totzukriegen, und merkwürdigerweise mied sie auch der Schiffsbohrwurm.
Er würde das später mal ergründen müssen, meinte Ferris Tucker, als er Hasard über den Zustand der beiden Schaluppen Bericht erstattete und auf das Holz verwies, das vermutlich in diesem Bereich der Welt zu finden sei. Da könne es sich lohnen, sich mal umzuschauen und eine Ladung dieser Hölzer bei der Heimreise mitzunehmen.
Gegen Mittag dieses ersten Tages in Davao waren die beiden Schaluppen überholt. Hasard entschloß sich, mit ihnen auszulaufen und bei der Trimmfahrt gleichzeitig jene Küste zu erkunden, wo die Holländer ihre Kahlschläge betrieben.
Er übernahm selbst eine Schaluppe. Die andere führte Don Juan. Je fünf Arwenacks bildeten die Crew. Das reichte vollauf zur Bedienung des Riggs, denn diese Einmaster hatten nur Großsegel und Fock. Es waren handige Schiffchen, wie sich herausstellte. Sie liefen am Wind eine gute Höhe und entwickelten raumschots eine beachtliche Geschwindigkeit. Da sie vorn und achtern eingedeckt und auf beiden Seiten mit Schanzkleidern versehen waren, würde man nicht gleich den Schwanz einzuziehen brauchen, wenn es etwas stürmisch wurde.
Sehr gut geeignet für die Küstenfahrt, urteilte Hasard, und bei guter Seemannschaft auch für die See steif genug. Don Juan war der gleichen Ansicht, als sie später ihre Erfahrungen austauschten und erwogen, solche Einmaster auch beim Bund der Korsaren einzusetzen, und zwar als Wachschiffe und Avisos.
Während der Fahrt südwärts an der Westküste des Golfes entlang überprüfte Dan O’Flynn an Bord von Hasards Schaluppe die Genauigkeit der mitgenommenen Karte, auf der Don Alonso die Kahlschläge markiert hatte.
Wer auch immer diese Karte gezeichnet hatte, er mußte ein guter Kartograph mit einem geschulten Auge gewesen sein. Gewissenhaft und genau waren Korallenriffs und Untiefen eingezeichnet und vermerkt, ebenso markante Punkte an Land, welche die Kreuzpeilungen erleichterten.
Etwas nördlich des letzten Kahlschlags war auf der Karte eine kleine Bucht dargestellt, die von einer palmenbestandenen Landzunge abgeschirmt wurde. Die Landzunge schob sich wie ein gekrümmter Finger von Süden her vor die Bucht und verdeckte mehr als die Hälfte von ihr.
Diese Bucht steuerten beide Schaluppen an. Hasard hatte sie anhand der Karte ausgewählt. Sie bot sich als Versteck und Ausgangspunkt beim Unternehmen gegen die Holländer in idealer Weise an. Sie gab Schutz gegen Sicht von der Wasserseite her, sie lag in der Nähe der zu erwartenden nächsten Holzfälleraktion, und sie war für die Holländer uninteressant, weil in ihrer Umgebung bereits alle Muskatnußbäume umgeschlagen worden waren. Die Kerle würden mit ihren Schaluppen vermutlich eine Stelle anlaufen, die eine knappe Meile südlich der Bucht lag.
Die Karte hatte nicht getrogen. Die Bucht erwies sich tatsächlich als ideales Versteck, als sie die Einfahrt nördlich der Landzunge passierten, voran Hasards Schaluppe, dahinter Don Juan. Sie hatten die Segel bereits weggenommen und glitten mit Riemenantrieb in die Bucht. Im Schanzkleid der beiden Schaluppen waren dafür Riemenpforten vorgesehen – ein nicht zu verachtender Vorteil dieser Einmaster bei Flaute oder besonderen Manövern wie in diesem Fall. Denn die Bucht war nicht groß genug, um unter Segeln in ihr zu manövrieren.
Sie brauchten nicht zu ankern. Das Wasser – es war von grünlicher kristallener Klarheit – hatte genügend Tiefe, so daß sie die beiden Schiffchen bis unmittelbar ans Ufer pullen und dort an Baumstämmen vertäuen konnten.
Dann sahen sie sich an Land um und drangen durch das Mangrovendickicht nach Süden zu jenem Bereich vor, wo die Holländer zuletzt gewütet hatten.
Aus der unmittelbaren Nähe wirkten die gefällten Muskatnußbäume noch beklagenswerter, zumal die Blüten und Blätter bereits welkten. Ein trostloser Anblick war das, darüber half auch der aromatische Duft nicht hinweg, der über dieser Stätte lag. Die gefällten Bäume bildeten mit ihren astreichen Kronen einen regelrechten Verhau.
Wer die reifen Früchte mit ihrem karminroten Mantel abernten wollte, hätte halsbrecherische Kletterpartien durch das Astgewirr unternehmen müssen, und doch wäre er an einen großen Teil erst gar nicht herangelangt, es sei denn, er würde Axt und Säge ansetzen, um sich vorzuarbeiten.
„Sieht so aus“, meinte Don Juan, „als hätten die Kerle dieses Durcheinander absichtlich geschaffen, um zu verhindern, daß auch nur eine Muskatnuß geerntet wird.“
Hasard nickte stumm und blickte dann zu den hohen schlanken Bäumen hinüber, die das nächste Opfer dieser Wüteriche werden sollten. Diesmal nicht, dachte er. Wir werden euch die Suppe gründlich versalzen, darauf könnt ihr euch verlassen.
Für einen blitzartigen Überfall war das Gelände wie geschaffen. Unterholz und Buschwerk boten gute Deckungsmöglichkeiten. Ja, blitzartig würden sie zuschlagen müssen, denn die Kerle waren vermutlich in der Überzahl. Aber wenn man sie gleichzeitig von allen Seiten packte, dann sollte die Überraschung klappen. Bisher waren sie bei ihrer miesen Tätigkeit ungeschoren geblieben und fühlten sich vermutlich sicher. Das war ihre Schwachstelle.
Oder sollte man sie schon abfangen, bevor sie überhaupt mit ihren Schaluppen landeten?
Don Juan schien ähnliche Überlegungen anzustellen, denn er fragte: „Was meinst du, wie wir’s anpacken?“
Hasard grinste. „Schlag du was vor!“
„Ich?“
„Ja. Du hast doch sicher schon eine Idee. Oder nicht?“
Don Juan wiegte den Kopf. „Ich dachte nur daran, man müßte die Kerle derart verprügeln, daß ihnen der weitere Appetit auf das Umlegen von Muskatnußbäumen ein für allemal vergeht.“
„So schnell vergeht der nicht“, sagte Hasard, „auch wenn sie Dresche beziehen. Diese Mijnheers können ganz schön stur sein. Denk mal an den Kampf gegen euch, der geführt wird, seit Philipps Vater Karl meinte, den Niederländern die Ketzerei austreiben zu müssen, was bisher weder dem Vater noch dem Sohn gelungen