Seewölfe Paket 27. Roy Palmer
in T-Form gebaut, bildete den Hafen von Davao. Dort auch stand der Capitán, Polizeichef und Bürgermeister – empfangsbereit, nachdem ihm die Annäherung einer spanischen Galeone gemeldet worden war. Er selbst winkte die „Santa Barbara“ sogar ein, am Kopf des T’s längsseits zu gehen – auf der Gegenseite des T’s waren nämlich innen die beiden Schaluppen vertäut. Und er beorderte auch ein paar Mannen, die Leinen der „Santa Barbara“ wahrzunehmen.
Er strahlte sogar – trotz des etwas traurigen Dackelgesichts, das Hasard sofort auffiel. Ein kleines Schmerbäuchlein hatte er, freundliche Augen und eine Knubbelnase.
Hasard ließ die Stelling ausbringen, ging an Land, stellte sich dem Señor vor und bedankte sich artig für das Wahrnehmen der Leinen.
„Endlich!“ sagte der Capitán, nachdem er sich gleichfalls vorgestellt hatte. „Endlich sind Sie da!“
„Wie meinen?“ fragte Hasard etwas verdutzt.
„Kommen Sie nicht aus Manila, um die Gewürzladungen zu übernehmen?“ fragte Don Alonso, gleichfalls etwas verdutzt.
„Aber nein, Señor Capitán“, erwiderte Hasard liebenswürdig. „In Manila bin ich mit der ‚Santa Barbara‘ noch nie gewesen. Wir sind im letzten Jahr aus Sevilla, beziehungsweise Cadiz, abgesegelt, haben Kap Hoorn gerundet und Lima angelaufen, wo wir unsere Ladung aus Spanien – Werkzeuge, Ackergeräte, Stoffballen und so weiter – auftragsgemäß abgegeben haben. Die ‚Santa Barbara‘ untersteht einer Reedergemeinschaft und einem Konsortium von Kaufleuten in Sevilla und hat den Auftrag, nach Entladung in Lima zu den Philippinen weiterzusegeln, um Gewürze einzukaufen und über den Indischen Ozean und das Kap der Guten Hoffnung wieder nach Sevilla zurückzukehren. Mindanao habe ich angelaufen, um Frischproviant und Trinkwasser zu übernehmen – wir sind damit etwas knapp geworden, nach der langen Reise über den Pazifik.“
„Oh, oh“, sagte Don Alonso betrübt. „Und ich hatte so sehr gehofft, daß Sie aus Manila kämen, Señor de Villacorta. Seit drei Monaten war kein Schiff da. Dabei platzen meine Lagerschuppen aus allen Fugen.“
„Wie das?“ fragte Hasard interessiert.
Don Alonso seufzte sehr tief und ausgiebig, und nun wurde sein Dackelgesicht noch trauriger. Fast hätte er neben Mac Pellew bestehen und in Konkurrenz treten können.
„Dort lagern Gewürzballen, Señor Capitán“, sagte er betrübt und deutete zu den Schuppen. „Bis unter die Decke! Pfeffer, Nelken, Zimt, Muskat von unseren Ansiedlungen auf den Molukken. Die Gewürzladungen werden monatlich zu uns heraufverschifft, hier ausgeladen und gelagert, bis eine Frachtgaleone aus Manila eintrifft und alles übernimmt und nach Manila bringt, von wo die Ladungen dann in der Monsunzeit bei günstigen Westwinden zusammen mit chinesischem Porzellan, Seidenstoffen und Elfenbein in Konvois nach Mexiko verbracht werden. Ja, und jetzt hocke ich auf den Gewürzladungen, und diese Bastarde in Manila scheint es einen Dreck zu kümmern, ob diese kostbaren Güter verkommen …“ Er stoppte seinen Redefluß und sagte erschrocken: „Mein Gott, ich rede und rede – und Sie sind nach langer Fahrt gerade eingelaufen und brauchen Proviant und Trinkwasser! Entschuldigen Sie bitte, Señor Capitán. Natürlich können wir Sie mit allem versorgen. Man muß sich doch gegenseitig helfen.“
„Nur keine Eile, Señor de Figuiera“, sagte Hasard lächelnd. „Ich finde das alles sehr interessant und aufschlußreich. Ich muß mich entschuldigen, daß ich Sie noch nicht zu einem kleinen Begrüßungstrunk eingeladen habe. Wie wär’s? Wir stehen hier auf der Pier herum, dabei ist es in meiner Kapitänskammer viel gemütlicher!“
„Nein, ich lade Sie ein, Señor Capitán! Wie sich das gehört! Ich muß wirklich schon ziemlich durchgedreht sein, wenn ich die einfachsten Höflichkeitsformen derart mißachte. Schauderhaft, wie man nur an sich selbst denkt und dabei vergißt, was ein Kapitän und seine Mannschaft hinter sich haben, wenn sie von Sevilla über Kap Hoorn bis hierher gesegelt sind! Mein Gott, was für eine Reise! Darüber müssen Sie mir erzählen!“ Plötzlich kniff der Señor Comandante die Äuglein zusammen. „Sie müssen ein guter Kapitän sein, Señor de Villacorta, ein guter Kapitän mit einer guten Mannschaft und einem guten Schiff. Ich habe mir sagen lassen, daß es von zehn Schiffen allenfalls zwei schaffen, Kap Hoorn zu runden oder durch die Magellan-Straße und den Pazifik bis hierher zu segeln.“
„Nun ja“, meinte Hasard, „vielleicht haben wir Glück gehabt.“
„Das Glück der Tüchtigen …“
Eine krakeelende Stimme fuhr dazwischen. Auch Hasard zuckte zusammen und wappnete sich sofort für die passende Erklärung – daß ihnen nämlich dieses plärrende Vogelvieh zugeflogen sei, offenbar von einem englischen Schiff.
„Zicke-zacke – Pavianbacke – hosianna – Kruzifix – halleluja!“ schrie Sir Jöhnchen und schickte ein Gelächter hinterher. Er turnte auf der Fockrah herum und stieß den Kopf ruckend auf und ab.
Hasard hatte den Kopf zum Schiff gewandt und erdolchte Carberry mit dem eisigen Blau seiner Augen. Klar, der Profos hätte seinen Krakeeler vor dem Einlaufen unter Deck bringen müssen, um allen Scherereien aus dem Wege zu gehen. Und was tat der Kerl jetzt? Er plierte in die entgegengesetzte Richtung in die Luft, als sei er für Sir John nicht zuständig.
Na warte, dachte Hasard. Aber immerhin hatte Sir Jöhnchen darauf verzichtet, etwas aus seinem weniger feinen Sprachschatz zum besten zu geben, womit nicht gesagt war, daß er es nicht doch noch tun würde. Das wußte man bei ihm nie so genau. Und daß „Pavianbacke“ eine neue Version von „Affenarsch“ war, konnte Don Alonso ja nicht ahnen.
Doch der Capitán freute sich. Nach seiner ersten Verblüffung lachte er sehr herzlich und meinte, daß dieser sprachbegabte hübsche Papageienvogel bei der Eintönigkeit langer Seereisen doch sicherlich sehr unterhaltsam sei und für Abwechslung sorge.
Das konnte Hasard bestätigen, und er dachte: Wenn du wüßtest, was wir mit diesem lieben Tierchen schon alles erlebt haben – noch vor einer halben Stunde ging es um das Thema, ob die Muskatnuß geeignet sei, dem Sir John zu einem Harem zu verhelfen und sein Liebesleben zu aktivieren. Aber das konnte er dem Capitán ja schlecht erzählen.
Er sagte nur – um vorzubeugen: „Wir haben den Papagei erst sei Lima an Bord und vermuten, daß er vorher auf einem englischen Schiff gewesen ist, denn er kennt sehr viele englische Ausdrücke und Wörter, die“ – er spähte zu Carberry und hob die Stimme – „die nicht gerade salonfähig sind, ganz im Gegenteil, man muß sich schämen, wenn man die hört. Aber diese englischen Seeleute sollen ja dafür bekannt sein, daß sie nur Unflätigkeiten von sich geben. Allerdings – der Kerl, von dem dieser Papagei die ordinäre Sprache gelernt hat, muß wohl über einen ganz besonderen Sprachschatz dieser Art verfügt haben. Anders kann ich mir das nicht erklären.“ Und Hasard sah mit Genugtuung, daß der Profos einen ziemlich roten Kopf hatte. Recht so, dachte er, schäm dich nur, mein lieber Ed. Und solltest du dich ärgern, dann kratzt mich das auch nicht weiter.
Und der Capitán Don Miguel Lopez de Villacorta alias Philip Hasard Killigrew grinste hintergründig.
Eine Viertelstunde später saß er mit Ben Brighton, Don Juan und Dan O’Flynn, die er dem Capitán als seine „Offiziere“ vorgestellt hatte, in der Kommandantur Don Alonsos. Man trank einen süffigen Rotwein, und Don Alonso merkte nicht, daß er von dem Kapitän der „Santa Barbara“ geschickt ausgehorcht wurde.
Jedenfalls atmete Hasard auf, als er hörte, daß es mit der Präsenz spanischer Kriegsschiffe in Manila nicht weit her sei – ein nicht unwichtiger Faktor für die Arwenacks, wenn sie nach Übernahme des Proviants und Trinkwassers nordwärts an den Ostküsten der Philippinen entlang nach China segeln. Man weiß ja immer gern schon vorher, mit was man möglicherweise rechnen muß.
Und dann horchen Hasard und seine drei „Offiziere“ auf, als Don Alonso fast erzürnt fortfährt: „Das ist es doch gerade, warum ich die Galeone aus Manila so dringend erwarte. Ich habe Hilfe angefordert, weil ich hier auf verlorenem Posten stehe. Mit zwei Schaluppen und zehn Mann kann ich mich nicht wehren. Wir sind ja keine Selbstmörder, nicht wahr? Aber Manila denkt gar nicht daran, diesen Stützpunkt zu verstärken. Entweder hat man uns