Seewölfe Paket 27. Roy Palmer
Ratten.
Im Zwischendeck fanden die Mannen nochmals zwei, nachdem sie gelüftet hatten. Offenbar waren die Biester in dem Qualm erstickt. Ob in der Bilge welche ersoffen waren, konnte nicht festgestellt werden. Aber die Jagd mußte sich gelohnt haben, denn fürderhin blieb der Hühnerverschlag ungeschoren.
Bleibt noch zu erwähnen, daß Smoky in den nächsten Tagen mit einem farbigen und verschwollenen Kinn herumlief und dem Profos aus dem Wege ging. Und er regte sich auch nicht mehr auf, wenn Don Philipp lauthals krähte oder das Hühnervolk am Gackern war.
4.
Mitte August war vorbei, als Gary Andrews – an diesem Vormittag Ausguck im Hauptmars – Land voraus meldete. Bei dem miserablen Kartenmaterial und dem Kompaß, der seine Mucken hatte, waren sich Hasard und Dan O’Flynn gar nicht mal so sicher, ob die Philippinen vor ihnen lagen.
Aber sie mußten es sein, denn bei der Annäherung erkannten sie mehr und mehr, wie weit sich die Küste vor ihnen nach Norden erstreckte. Und da ragten Berge in den Himmel, deren Spitzen zwischen Wolken lagen.
Dan O’Flynn tippte auf die Philippinen-Insel Mindanao im Süden des Archipels, der zweitgrößten Insel unter den über siebentausend anderen Inseln.
Ferdinand Magellan, ein portugiesischer Seefahrer im Dienst Spaniens, hatte die Inseln 1521 entdeckt und sie – natürlich – sofort als spanischen Besitz beansprucht. Es blieb sein letzter Anspruch, den er dummerweise gleich mit einer Strafexpedition gegen die Eingeborenen der Insel Mactan durchsetzen wollte, um die spanische Macht zu demonstrieren. Die Demonstration mißlang, der Ärmste wurde kurzerhand erschlagen.
„Könnte sein“, sagte Hasard etwas nachdenklich über den Hinweis seines Lotsen Dan O’Flynn. „Fragt sich nur, welche Ecke von Mindanao wir ansteuern.“ Er rieb sich die Nase. „So klein ist die Insel nämlich gar nicht.“
Dan O’Flynn grinste. „Ein bißchen kleiner als England, Sir, und nur etwa dreihundert Meilen lang.“
„Aha“, murmelte Hasard, „sehr beruhigend, daß es nur dreihundert Meilen sind. Luftlinie, nicht wahr?“
„Ja, Luftlinie“, bestätigte Dan, „mit dem Zirkel auf der Karte abgegriffen, und zwar in Nord-Süd-Richtung. Natürlich ist die Küstenlinie länger, wenn wir Buchten und Golfe mitrechnen.“
Er breitete jene Karte auf dem Achterdeck aus, die von Brandlöchern, Suppen-, Fett- oder Rotweinflecken auf ihrer westlichen Seite ungeschoren geblieben war, deutete auf eine bestimmte Stelle und sagte: „Meine Navigation bei diesem verrückten Kompaß ist noch mieser als eine Daumenpeilung, aber ich vermute, daß wir auf Cape San Augustin zusegeln, die Spitze jener Halbinsel, die den Golf von Davao im Osten abgrenzt.“
Hasard betrachtete den Golf von Davao, wie er auf der Karte dargestellt war.
„Hm, hm“, murmelte er, „vielleicht hast du recht. Dann sollten wir mal um das Kap in den Golf segeln und Davao anlaufen, um Frischproviant zu übernehmen und unsere Trinkwasservorräte zu ergänzen. Der Kutscher mault nämlich schon wieder.“
„Davao ist ein spanischer Stützpunkt.“
„Na und? Die ‚Santa Barbara‘ ist ein spanisches Schiff, demnach sind wir ebenfalls Spanier. Oder etwa nicht?“
„Ach so.“ Jetzt grinste Dan wieder. „Und wie geruhen sich der Señor Capitán zu nennen?“
„Schlag mal was vor.“
„Wäre Don Miguel Lopez de Villacorta angenehm?“
„Ein sehr schöner Name.“ Und somit verkündete Hasard seinen Mannen, daß ihn der Lotse „Don Donegallo de Flynnosa“ soeben umgetauft habe. „Mein neuer Name lautet jetzt Don Miguel Lopez de Villacorta, was ich zu berücksichtigen bitte, denn wir laufen – so unsere Navigation stimmt – den spanischen Stützpunkt Davao im gleichnamigen Golf an, was wiederum bedeutet, daß wir uns unserer ‚Señora Santa Barbara‘ anzupassen und als spanische Señores zu betrachten haben. Richtet euch darauf ein, Freunde, und paßt auf, daß ihr nicht plötzlich auf englisch flucht, nicht wahr, Ed?“
„Aye, Sir – äh – si, Señor Capitán. Ich werde Sir John ermahnen.“
„Den meinte ich eigentlich nicht, Ed“, sagte Hasard, „denn er kann uns ja zugeflogen sein, so daß wir für seinen sehr vielfältigen Sprachschatz nicht verantwortlich sind.“
„Aye – si, Señor Capitán“, sagte der Profos unbehaglich. „Darf man fragen, wen du dann meintest?“
„Man darf. Ich meinte jenen Señor, der sich Sir Johns sehr liebevoll angenommen hat, was nicht ausschließt, ihm sehr deftige Ausdrücke beizubringen. Ich erinnere nur an das Wörtchen ‚Affenarsch‘.“
„Ah!“ Der Profos grinste bieder. „Das habe ich früher mal benutzt, das stimmt. Aber inzwischen hat sich das hier so eingebürgert, daß jeder der Kerle den anderen dauernd einen ‚Affenarsch‘ nennt.“ Er drehte sich zu den Mannen um, die auf der Kuhl versammelt waren, stemmte die Pranken in die Hüften und donnerte: „Herhören – Order des Señor Capitán! Ab sofort heißt es nicht mehr ‚Affenarsch‘, sondern ‚Pavianbacke‘! Alles klar?“
„Alles klar!“ donnerten die Mannen zurück. Und sie feixten.
„Ich weiß, was sich auf Pavianbacke reimt!“ rief Luke Morgan grinsend.
„Ich auch“, sagte Carberry trocken. „Hicke-hacke, zicke-zacke!“
„Hühnerkacke!“ tönte Luke Morgan.
Unter Carberrys drohendem Blick schrumpfte er zusammen. Der Profos drehte sich wieder zu Hasard um. „Du hast es gehört, Sir – Señor Capitán. Nicht ich sprach dieses ordinäre Wort aus, sondern dieser Señor Morgan, diese miese Hälfte einer Pavianbacke, die in ausschweifender Phantasie sofort darüber nachdenkt, was sich auf üble Weise mit Backe reimt. Er gehört zu jenen, die heimlich und in böser Absicht meinem Sir Jöhnchen die schlimmsten Ausdrücke beibringen und dann unverfroren erklären, er habe sie von mir gelernt.“
Hasard seufzte und sagte: „Wenn ihr euch alle bemühen würdet, auf Flüche, Kraftausdrücke und Schimpfworte zu verzichten, dann kann sie Sir John auch nicht aufschnappen – und vielleicht vergißt er sie dann. Bringt ihm von mir aus ein ‚Ave Maria‘ bei – oder Worte der Zärtlichkeit. Da wird euch ja auch eine Menge einfallen, nicht wahr?“
„Herzallerliebstes Schnuckelchen!“ schlug der Profos strahlend vor und fügte mit einem schnellen Blick zu Old Donegal hinzu: „Oder Schnuckelmäuschen!“
O Gott! dachte Hasard. Dieser Profos! Jetzt habe ich dem auch noch das Stichwort gegeben. Wo das wieder hinführt!
Zur Zeit herrschte Gelächter. Nur Old Donegal schaute finster drein. Natürlich, war doch sein ihm angetrautes Weib eine geborene Snugglemouse. Und er selbst hatte von ihr häufig genug als dem „Schnuckelchen“ gesprochen.
Noch bevor Old Donegal explodieren konnte, hob Hasard beide Hände und rief: „Ich möchte darum bitten, bei dem neuen Sprachunterricht mit Sir John jedes Wort und jeden Namen zu vermeiden, die sich auf uns bekannte oder befreundete Personen und Menschen beziehen!“
„Da wird’s doch erst spannend, Sir!“ erklärte der Profos und grinste bis zu den Ohren.
„Ich weiß nicht, ob du es noch spannend findest, wenn dich dein Sir Jöhnchen mit ‚Edwinchen, du kleines Lügenmäulchen, du Hemdenzerreißerchen und Ladykillerchen‘ anpalavert“, entgegnete Hasard. „Und ich schwöre dir, ich bringe ihm noch mehr bei, daß es dir über den Einfallsreichtum und die Phantasie von Sir Jöhnchen die Sprache verschlagen wird. Wie wär’s denn mit ‚Kinnladenverschieberchen‘ oder ‚Spiegeleifresserchen‘?“
Der Profos verlor sichtlich an Begeisterung. Dafür fühlte sich Smoky im Aufwind – endlich!
„Wahr gesprochen, Sir!“ rief er.
„Das