Seewölfe Paket 27. Roy Palmer

Seewölfe Paket 27 - Roy Palmer


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lassen. Sie erledigt das besser als wir.“

      „Einverstanden.“ Das sagte Vater Hasard, nickte seinem Söhnchen zu, blickte zu Dan O’Flynn und fragte: „Scheust du dich, die Pütz etwas anzukippen, Dan?“

      „Nein“, erwiderte Dan lächelnd. Und dann sagte er scharf: „Plymmie, paß auf! Pack sie!“

      Er zog den Fuß zurück und drückte auf die Kante, die ihm zugewandt war. Plymmie lauerte geduckt, jetzt ein Standbild. Sie hatte genau begriffen, was jetzt passieren würde. Ihre bernsteinfarbenen Augen waren auf die Pütz gerichtet, die Ohren aufgestellt. Ihr Fang war geschlossen. Trotzdem sah es aus, als grinse sie.

      Die Dan abgewandte Seite der Pütz kippte etwas hoch. Die Ratte schoß heraus wie ein Blitz, für die Augen der Mannen nur ein huschendes Etwas, das Mac Pellew weder mit Schürhaken noch mit Pfanne erwischt hätte. Er wäre zu langsam gewesen.

      Anders Plymmie. Sie war noch schneller als die Ratte. Ein Zuschnappen, ein heftiges Schütteln, und auf der Strecke blieb die sechste Ratte. Ihre Gnadenfrist unter der Pütz war abgelaufen.

      Mac Pellew packte sie mit dem Schürhaken in die Pütz zurück, henkelte die Pütz an den Haken und trug sie samt der Ratte nach oben, wo er sie außenbords schleuderte.

      „Jetzt kann die Ratte Bötchen fahren“, murmelte er, „obwohl sie das nicht verdient hat.“ Tatsächlich schaukelte die Pütz aufrecht im Wasser und trieb gemächlich davon.

      Paddy Rogers warf die andere Jagdbeute über Bord, die er mit einem Kehrblech eingesammelt hatte.

      „Wenn die Ratten von Bord gehen, sinkt das Schiff“, sagte er tiefsinnig und hatte schwere Denkerfalten auf der Stirn. „Das hat eben Old Donegal verkündet.“

      „Der redet heute sowieso nur Stuß“, entgegnete Mac kopfschüttelnd. „Außerdem gehen die Ratten nicht von Bord, sondern werden gegangen, wobei sie mausetot sind.“

      „Dann sinkt unser Schiff nicht?“ fragte Paddy hoffnungsfreudig.

      Mac sagte überhaupt nichts. Er verdrehte nur die Augen über soviel Einfalt und stieg wieder nach unten.

      „Was der nur hat“, murmelte Paddy.

      Fünf Minuten später hatten sich alle Mann an Oberdeck verteilt und standen auf der Lauer. Im Unterdeck und im Zwischendeck qualmten die Kohlebecken. Aus Grätings und Luken stieg Rauch auf. Es stank, als befände sich die „Santa Barbara“ in einem schweren Gefecht. Arwenack hatte sich schimpfend auf den Vormars verzogen, Sir John saß im Topp des Hauptmastes und, äugte mißtrauisch zum Deck hinunter.

      Don Philipp schmetterte seinen Hahnschrei, und es klang, als krähe er zum Halali. Er war ziemlich erregt und schlug mit den Flügeln.

      Die erste Ratte raste aus dem Vordeck. Hinter ihr sauste eine Spillspake nieder, kraftvoll von Pete Ballie geführt. Sie traf noch den Schwanz der Ratte und plättete ihn auf hauchdünnes Format. Das Biest überschlug sich mit einem schrillen Quietschen und fegte durch ein Speigatt außenbords.

      „Die Ratten gehen von Bord!“ brüllte Old Donegal.

      „Dann solltest du gleich hinterherspringen!“ donnerte der Profos.

      Aber etwas anderes passierte. Die Ratte kehrte wieder um und schwamm zur Bordwand zurück. Sie hatte also nicht die Absicht, „von Bord zu gehen“, überhaupt nicht, das Schiff schien ihr sicherer als das Wasser.

      Damit war Old Donegal widerlegt, was ihm keineswegs paßte. Schließlich ging es um seinen guten Ruf als „Hinter-die-Kimm-Späher“.

      „Diese Ratten sind auch nicht mehr das, was sie mal waren“, erklärte er großspurig. „Verweichlicht sind die, zu faul, um an Land zu schwimmen. Das ist es. Na ja, sind ja auch spanische Ratten, keine englischen …“ Er verstummte – bis auf das Ächzen, das er noch hören ließ.

      Die Ratte mit dem geplätteten Schwanz war auf dem Schanzkleid an Steuerbord aufgetaucht, wassertriefend, und schien zu überlegen, wohin sie sich wenden sollte.

      Ein Heumacher mit der Spillspake – dieses Mal schlug Jack Finnegan zu – schmetterte sie außenbords, für immer und ohne Rückkehr.

      „Donegal“, ließ sich Hasard vernehmen, „spar dir deine Sprüche über verweichlichte oder spanische oder englische Ratten. Das ist blanker Unsinn, und wir sind alle nicht dumm genug, einen solchen Unsinn für bare Münze zu nehmen.“

      Old Donegal setzte zu einer Erwiderung an, aber zu diesem Zeitpunkt flitzten gleich sechs Ratten übers Deck, und die Mannen wurden mächtig aktiv, Plymmie ebenfalls.

      Eine Ratte turnte in den Backbordgroßwanten hoch, wurde aber von Plymmie im Sprung noch am Schwanz erwischt und über Bord befördert. Eine andere huschte über den Bugspriet und stürzte sich gleich freiwillig ins Wasser – oder sie übersah mit ihren vom Qualm getrübten Augen, daß dort „Ende der Fahnenstange“ war.

      „Aufpassen, daß die Biester nicht an Bord zurückklettern!“ rief Hasard.

      Plymmie beutelte schon wieder eine Ratte, und als sie losließ, flog das Biest Old Donegal zwischen die Beine.

      „Hilfe!“ brüllte der Alte.

      „Hab dich nicht so!“ fuhr ihn Carberry an. „Das ist sowieso ’ne spanische Ratte, die zu faul ist, dich zu beißen!“

      Neben ihnen drosch Smoky die Spillspake wie eine Baumaxt auf ein huschendes Etwas, schlug aber daneben. Dafür ging die Spillspake in die Binsen und zerbarst.

      Grund genug für Carberry, Smoky anzublöken, nicht gleich das ganze Schiff zu demolieren. Als Smoky Minuten später mit einer neuen Spillspake fast den Hühnerverschlag zertrümmerte, über dessen Dach eine Ratte sauste, sah Carberry rot, weil er dem Decksältesten unterstellte, er hätte es gar nicht auf die Ratte abgesehen, sondern Don Philipp den Kopf einschlagen wollen. Außerdem lag er mit Smoky ja schon seit dem Morgen im Clinch, und daß der Hundesohn ihn als „Drache“ bezeichnet hatte, war auch noch nicht vergessen.

      So ließ denn der Profos seinen „Hammer“ fliegen, dieses fürchterliche Ding, das noch keiner weggesteckt hatte, als wär’s nur ein Wattepuster gewesen. Die meisten traten für eine Weile von dieser Welt ab. Und wenn sie in diese Welt wieder zurückkehrten, dann geschah das voller Schmerzen und keineswegs voller Glück, die Sonne strahlen zu sehen.

      Smoky wurde voll getroffen, am Kinn. Er segelte ab und wickelte sich um den Großmast, den er kraftlos umarmte, bis er dann abrutschte und schließlich über der Nagelbank wie ein nasses Hemd hängenblieb.

      „Ed, Ed“, sagte Hasard mit leisem Tadel und auch etwas Besorgnis. „Mußte das sein? Und was ist, wenn du ihm die Kinnlade verschoben hast?“

      „Die schieb ich ihm wieder gerade“, versicherte der Profos. „Und das mußte sein, weil der Kerl absichtlich danebengehauen hat, um das Dach vom Verschlag zu zerlegen und auf Don Philipp ein Attentat zu verüben.“

      „Absichtlich? Na, ich weiß nicht“, meinte Hasard.

      „Wenn er’s nicht absichtlich getan hat“, erklärte der Profos, „dann ist das noch schlimmer, Sir. Dann ist er zu dämlich, um mit ’ner Spillspake umzugehen, die er womöglich einem von uns auf den Kopf drischt. Das ist gemeingefährlich, Sir. Der bringt es fertig und räumt unsere ganze Crew ab. Aber die Ratten läßt er sausen. So einer ist das!“

      Sekunden später zeigte der Profos ein unheimliches Reaktionsvermögen – und Treffsicherheit. Da fegte eine ziemlich große Ratte im Zickzack quer über die Kuhl und dann am Steuerbordschanzkleid entlang nach achtern. Aber noch vor dem Niedergang zum Achterdeck flog ihr ein Belegnagel ins Kreuz und zerbrach ihr das Rückgrat.

      Carberry hatte sich den Belegnagel gegriffen und hinter der Ratte hergeschleudert.

      „Donnerwetter“, sagte Hasard, „ein exzellenter Wurf, Ed. Oder war das ein Zufallstreffer?“

      Das ließ sich der Profos nicht zweimal fragen. Wortlos warf er den nächsten Belegnagel. Der räumte eine Ratte ab,


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