Seewölfe Paket 27. Roy Palmer

Seewölfe Paket 27 - Roy Palmer


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sagte der Profos wütend.

      „Wenn es sich um temporäre Störungen handelt“, sagte der Kutscher, „dann hast du zur Zeit eine Phase des Scharfhörens, Mister Carberry. Trotzdem muß ich deine Gehörgänge untersuchen und eine Sonde einführen.“

      „Sonde?“

      „Richtig. Du hörst im Moment wirklich sehr gut. Ja, eine Sonde. Das ist ein dünnes, rundes und sehr langes Stäbchen aus Silber oder Fischbein, das den Arzt in die Lage versetzt, tiefere Wunden und Eitergänge sowie Kanäle und Höhlen des Körpers zu untersuchen. Es dient auch als Leitungsinstrument für Skalpelle, falls geschnitten werden muß.“

      „Bei mir wird weder eingeführt noch geschnippelt“, entschied der Profos.

      „Das wird sich nicht umgehen lassen“, entgegnete der Kutscher kühl. „Mac, hol die Sonde! Ich werde den Eingriff gleich hier an Deck vornehmen – wegen des besseren Lichtes, das mir in der Krankenkammer nicht gut genug ist. Könnte sonst passieren, daß ich mit der Sonde das Trommelfell durchstoße und bis ins Gehirn vordringe.“ Der Kutscher räusperte sich. „Das nennt man dann einen Kunstfehler, wie er immer mal passieren kann.“

      Mac Pellew und der Profos wechselten stumme Blicke.

      Na, wie war das jetzt? Wenn Mac losschlurfte, um die verdammte Sonde zu holen, die „bis ins Gehirn“ vordringen konnte, dann war’s Essig mit der „unverbrüchlichen Freundschaft durch dick und dünn.“

      Mac straffte sich und sagte pampig: „Ich geh nicht! Hol doch selbst die Sonde, Mister Kutscher. Ich will nicht schuld sein, wenn dir bei meinem Freund Ed ein Kunstfehler passiert. Ich nicht! Wer bin ich denn? Außerdem ist das alles ein Scheiß! Jawohl, ein Scheiß! Ich“, Mac tippte sich auf die Brust, „ich habe nur geschrien, weil ich dachte, mein Freund Ed sei schwerhörig. Ich dachte das, aber beim Denken kann man sich ja mal irren oder so. Nicht? Und nun hab ich mich geirrt, was noch lange kein Grund ist, meinem Freund Ed ’ne Sonde ins Gehirn zu rammen.“

      Da schritt der Profos mit ausgebreiteten Armen auf seinen lieben Freund Mac zu, quetschte ihn an seinen mächtigen Brustkasten und dröhnte: „Du bist mein Blutsbruder, Mackileinchen, du gehst durch dünn und weniger dick mit mir – und seien der Feinde unzählige, wir treten sie in den Boden wie unzüchtiges Gewürm!“

      „Geschmeiß!“ gurgelte Mac an der breiten Brust des Profos.

      „Natterngezücht!“ tönte der Profos und strahlte wie die Posaune von Jericho, blankgeputzt, versteht sich.

      In die Stille nach dem Lachsturm klang Hasards Stimme. Er sagte: „Fürwahr, meine Bemerkung über unsere beiden Streithammel vom Dienst muß ich wohl revidieren, dafür erlaube ich mir, hiermit festzustellen, daß sich die beiden größten Lügenbolde in unserer Crew gesucht und gefunden haben. Und es ist als ein Wunder zu bezeichnen, daß das Kielschwein vor Empörung noch nicht gehustet hat. Bleibt nur festzustellen, ob sich die Decksbalken gebogen haben, wie das ja passiert, wenn Lügendrescher am Werk sind und uns erzählen, daß Kühe Eier legen und Hühner Milch geben können!“

      „Das, Sir, würde ich nie zu behaupten wagen“, versicherte der Profos mit treuherziger Miene. „Das wäre wirklich ein dicker Hund.“

      „Richtig, ein so dicker Hund wie deine Schwerhörigkeit, mein lieber Ed“, sagte Hasard.

      Da hielt der Profos doch lieber das Maul.

       2.

      Dank des Regens war also die Trinkwasserversorgung an Bord der „Santa Barbara“ sichergestellt. Alle Fässer hatten gefüllt werden können. Nur – an diesem schönen Regentag und auch am nächsten Tag blieb der Wind mal wieder aus, oder er dröselte so ein bißchen herum, als lege er’s darauf an, die Arwenacks raten zu lassen, aus welcher Richtung er endgültig zu wehen geruhe.

      Scheißspiel, lautete der Kommentar Edwin Carberrys.

      Indessen bahnte sich etwas anderes an, und das hing mit den Hühnern an Bord der „Santa Barbara“ zusammen. Diese Hühner befanden sich seit der Abfahrt von Ponape auf der „Santa Barbara“ – zwanzig Eierleger und ein Hahn, untergebracht in einem Verschlag, den Ferris Tucker gezimmert hatte.

      Daß diese Gackerer und Eierleger an Bord waren, das hatten die Arwenacks der Vor- und Fürsorge des Kutschers zu verdanken, der sich für das leibliche Wohl der Mannen verantwortlich fühlte, vor allem seit der Durst- und Hungerstrecke nach Verlassen des Golfes von Tehuantepec.

      Einerseits waren die Eier, gebraten oder gekocht oder als Rührei zubereitet, nun wirklich eine paradiesische Speisezugabe im täglichen Bordverzehr. Andererseits jedoch fühlten sich einige Arwenacks genervt, weil ihnen das übliche Palaver der Eierleger auf den Geist ging. Dazu gehörte insbesondere der morgendliche Hahnschrei, mit dem Don Philipp seinen Harem zu begrüßen pflegte, wenn die Sonne kurz unter der Kimm stand.

      Don Philipp war sinnigerweise der Hahn von den Arwenacks getauft worden, weil sie meinten, er spreize sich genauso wie die Allerkatholischste Majestät. Es war schon merkwürdig, wie die Mannen des Seewolfs ihr Bordgetier manchmal vermenschlichten.

      Aber weiter im Text.

      Wenn Don Philipp mit Flügelschlagen und gerecktem Hals den neuen Morgen bekräht hatte – ihm war eine kräftige Stimme eigen –, dann folgte als nächstes prompt und zuverlässig eine geharnischte Schimpfkanonade Sir Johns, und wenn der losplärrte, dann wurde auch der letzte Schläfer aus der Koje gescheucht. Er war dann keineswegs fröhlich, mitnichten, er hatte Mordgelüste. Und er schwor zumeist, entweder Don Philipp oder Sir John oder beiden den Hals umzudrehen. Doch der mörderische Vorsatz war vergessen, sobald sich der herrliche Duft von gebratenen Eiern mit Speck aus der Kombüse über die Decks verteilte.

      Übrigens versorgte Mac Pellew das Hühnervolk. Na klar doch, hatte er doch einst beim Hühnervolk der „Golden Hen“ tatsächlich goldene Eier aus dem Gelege geangelt, von denen er bis heute nicht wußte, daß sie ihm „sein lieber Freund“ Carberry untergejubelt hatte.

      Mac Pellew gehörte auch nicht jener Gruppe an, denen das Palaver des Hühnervolks oder das Gekrähe Don Philipps auf den Geist ging. Und auch der Profos fühlte sich nicht genervt – konnte er gar nicht, weil sein „Sir Jöhnchen“ der andere Nervtöter vom Dienst an Bord der „Santa Barbara“ war. Außerdem war der Profos viel zu versessen auf Eier – vor allem auf gebratene –, um über das Hühnervolk samt Hahn zu motzen. So waren denn Mac Pellew und der Profos traut vereint im Kampf gegen jene, die dem Hühnervolk an die Federn wollten.

      Speerspitze der genervten Gruppe war Smoky, der Decksälteste. Dies war nicht weiter verwunderlich: Ein unverbrieftes Gesetz auf den Segelschiffen aller seefahrenden Länder besagte, der Decksälteste als König über das Vorschiffsvolk habe das Recht, auch fünf bis zehn Minuten nach dem Wecken noch der Ruhe in der Koje zu pflegen.

      Von gepflegter Ruhe für Smoky nach dem Hahnschrei Don Philipps und dem Gekreische Sir Johns konnte überhaupt keine Rede mehr sein. Außerdem schien bei ihm irgendein Nerv, vielleicht bei einem Backenzahn, bloßzulegen, weil er bereits zusammenzuckte und den Kopf einzog, sobald nur eins der Hühner tagsüber ein bißchen anfing, herumzupalavern.

      Sicher doch, solche Laute vom Federvieh klingen tranig oder nölig oder auch aufreizend – je nach Empfindlichkeit des menschlichen Gehörs.

      So ein anderes „Sensibelchen“ war außerdem Old Donegal Daniel O’Flynn, was bei dem jedoch auch nicht weiter verwunderlich war, denn der reagierte ja bereits, sobald eine Kakerlake hustete oder Schluckauf hatte.

      Wenn sich Smoky lediglich über das Glucken, Glucksen oder Kollern aufregte – alles Laute des Wohlbehagens beim Federvieh –, dann deutete Old Donegal solche Äußerungen der Eierleger bereits als Vorboten drohenden Unheils.

      Was Don Philipp betraf, da verkündete Old Donegal an diesem Morgen nach dem Regentag, der habe anders gekräht als sonst.

      „Wie anders?“ erkundigte sich der Profos.

      Old


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