Seewölfe Paket 27. Roy Palmer

Seewölfe Paket 27 - Roy Palmer


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Wie ein Kastenteufel fuhr er aus der Kombüse und schrie: „Schmierige Profos-Lappen haben in meiner Kombüse nichts zu suchen …“

      Er wollte noch mehr herausposaunen, aber da hatte Carberry längst reagiert. Sein noch feuchtes Hemd flog zielgenau in Macs griesgrämiges Gesicht und blieb dort hängen, wobei sich die Ärmel um seinen mageren Hals schlangen. Unterm Hemd schimpfte Mac zwar weiter, aber das war nur als Blubbern zu hören. Das Hemd war so um Macs Kopf drapiert, daß er wie ein Butzemann aussah.

      Die Wirkung war entsprechend, und Lachsalven dröhnten über das immer noch dampfende Deck der „Santa Barbara“. Sie steigerten sich, als Mac wild – und blind – zu fuchteln begann, um seinen Kopf von dem Hemd zu befreien. Prompt rammte er den rechten Ellbogen gegen die Schottkante. Der sehr heftige Stoß traf jene Stelle, die mit Mäuschen oder Musikantenknochen bezeichnet wird.

      Da hatte der gute Mac Grund zum Jubilieren. Das heißt, er jaulte den Himmel an, was wiederum Sir Jöhnchen verstörte und ihn veranlaßte, in den Spektakel voll einzusteigen. Vom lieblichen Nachtigallengesang war Carberrys Liebling weit entfernt. Seine Stimme war schrill, zeternd und das reinste Höllengelächter.

      Arwenack erregte sich an dem hüpfenden Butzemann und führte seinerseits auf der Kuhl einen Affentanz auf, wobei er schnalzende und keckernde Laute ausstieß und seinen Bauch betrommelte. Und auch Plymmie hielt sich nicht zurück und ließ ihr „Wuff-wuff“ hören.

      Zirkus Killigrew!

      Zum Glück war die See einsam. In der Flaute konnte eh keine Begegnung mit einem anderen Schiff stattfinden. Aber hätte jetzt ein anderes Schiff die „Santa Barbara“ passiert, dann wäre aus der Begegnung schleunigst Flucht geworden. Schließlich will man mit Verrückten nichts zu tun haben, weder an Land noch auf einem Schiff, da erst recht nicht, weil dann auch das Schiff verrückt sein muß.

      „Mein Gott!“ stöhnte Philip Hasard Killigrew und hielt sich die Ohren zu.

      Carberry sah es und fand wie sein Kapitän, daß der Krach nicht mehr zum Aushalten war.

      Und so donnerte er: „Ruhe an Bord, verdammt noch mal! Sir John, halt deine Kotterschnauze, oder ich polier dir den Affenarsch …“

      Mac schrie dazwischen – jetzt hatte er sich befreit. Das Hemd war nun endlich total in Fetzen, nur die Ärmel hingen ihm noch um den Hals. Es sah aus, als habe er einen feuchten Umschlag wegen Mumps umgelegt.

      „Papageien haben keinen Affenarsch!“ schrie er.

      „Das ist mir völlig Wurscht!“ brüllte Carberry zurück. „Außerdem hast du eben mit Gewalt mein Hemd zerrissen …“

      „Herrschaften, jetzt ist Schluß“, donnerte Philip. Hasard Killigrew und markierte ein wildes Gesicht, obwohl er Mühe hatte, ernst zu bleiben. „Mac, du hast Ed provoziert und warst dabei unsachlich – und du, Ed, brauchst gar nicht zu grinsen, du warst genauso unsachlich. Auffallend ist dabei, mit welchem Geschick ihr die Tatsachen auf den Kopf stellt, um dem anderen was am Zeug flicken zu können. Außerdem fällt auf, daß immer ihr beiden es seid, die sich in die Haare geraten. Jedenfalls seid ihr in der Crew die beiden Streithammel vom Dienst. Vertragt euch, oder ihr bekommt mit mir Krach. Ist das klar?“

      „Aber Sir!“ ereiferte sich der Profos. Und er sah so fromm aus, als gelte es, jetzt einen Choral anzustimmen. „Du irrst dich ganz sicher, Sir. Mac und ich sind keine Streithammel vom Dienst, überhaupt nicht. Mac ist mein Freund, seit wir uns kennen. Nicht, Mac, stimmt doch?“

      „So isses!“ bestätigte Mac und hatte auch ein Choralsängergesicht, allerdings mehr mit Tendenz zum Klagelied. „Seit langen Zeiten sind Ed und ich einander in unverbrüchlicher Freundschaft zugetan. Durch dick und dünn gehen wir, einer ist der Schild des anderen – und seien der Feinde noch so viele!“

      „Jawohl“, sagte der Profos und war ganz gerührt, weil Mac so schön und so gesalbt gesprochen hatte.

      „Mir kommen gleich die Tränen“, sagte Philip Hasard Killigrew. „Aber glaubt bloß nicht, mir was vorschwindeln zu können, ihr scheinheiligen Schlitzohren. Es bleibt dabei – beim nächsten Krach bin ich der Knüppel aus dem Sack, und ich schätze, da wird auch der Schild des anderen wenig Deckung geben.“

      „Sir“, versicherte der Profos mit seiner bekannten Treuherzigkeit, „es gibt keinen Krach zwischen Mac und mir – es hat nie einen gegeben, ehrlich!“

      „Und was war das eben, mein lieber Ed?“

      „Eben? Oh, das war eine Unterhaltung, weißt du? Wir unterhalten uns viel, Mac und ich, weil das für uns beide so anregend ist. Nicht, Mac?“

      Auch das bestätigte Mac, und er fügte hinzu: „Es ist nicht nur anregend, Sir, wir tauschen auch Erfahrungen aus, wie sich das für gute Freunde gehört.“

      Hasard nickte. „Über Waschfrauen, nicht? Über Schlampen und Ladys aus den besseren Kreisen. Ich erinnere mich, daß du bei eurer Unterhaltung, die dem Erfahrungsaustausch galt, viel geschrien hast, Mac.“

      „Ich?“ Mac Pellew wirkte etwas durcheinander. Hilfesuchend blickte er zu Carberry.

      Klar, daß der seinem „Freund“ beisprang, wiederum mit einem ziemlich faulen Ei.

      „Sir!“ dröhnte er. „Mein Freund Mac muß ab und zu bei unserer anregenden Unterhaltung etwas schreien, weil ich zeitweise Störungen beim Zuhören habe.“

      Der Kutscher räusperte sich, hatte einen düsteren Blick drauf und sagte: „Typischer Fall von Verstopfung des meatus auditorius externus mit cerumen auris.“ Er nickte dazu und runzelte die Stirn.

      „Was, wie?“ schnappte Carberry. „Was hast du gesagt, Himmel-Ar… Äh, Arche Noah! Mußt du immer so kariert daherreden?“

      „Ich sprach“, sagte der Kutscher gemessen, „von einer Verstopfung des äußeren Gehörgangs mit Ohrenschmalz – cerumen auris –, welchselbiges vermutlich in reichlicher Anhäufung, verdickt und verklumpt vorhanden ist und zumeist zu Schwerhörigkeit, Ohrensausen, Kopfschmerzen und Schwindel führt. Klar, daß mit einem solchen Leiden behaftete Menschen sehr leicht von der Rah fallen, ganz abgesehen davon, daß sie bei temporärer Taubheit möglicherweise wichtige Befehle überhören.“ Der Kutscher blickte zu Hasard. „Ein sehr ernster Fall, Sir!“

      „Das ist mir klar geworden“, sagte Hasard, grinste innerlich, weil er sehr genau wußte, daß der Kutscher den schlitzohrigen Profos nageln wollte, und hieb in die gleiche Kerbe: „Du denkst an einen operativen Eingriff zur Heilung dieses Leidens, nicht wahr?“

      „So ist es, Sir. Ich kann es in meiner Eigenschaft als Feldscher hier an Bord nicht verantworten, wenn ein Mann der Crew mit einem Ohrenleiden dahinsiecht oder sich womöglich das Genick bricht …“

      „Ich habe kein Ohrenleiden!“ brüllte der Profos, dem längst schwante, daß es ihm jetzt an den Kragen ging. Das fehlte noch, daß ihm dieser Knochenflicker im Ohr herumfummelte und nach angeblich vorhandenen Dingsbums-Schmalz pulte.

      „Was brüllst du denn so, Mister Carberry?“ fragte der Kutscher freundlich. „Ich bin nicht schwerhörig.“ Er betonte das „Ich“. Und er fügte hinzu: „Du sagtest eben selbst, du habest zeitweise Störungen beim Zuhören. Hast du sie nun, oder hast du sie nicht?“

      Damit schnappte die Falle zu, eine Falle, die der Profos selber aufgebaut hatte. Und nun zappelte er und schwitzte Blut und Wasser. Was sollte er jetzt antworten? Dem dusseligen Mac Pellew fiel auch nichts ein, der schielte auf seine Latschen, die er mit den Spitzen nach innen gestellt hatte. Der stand da, als habe er sich in die Hosen gemacht. Der Profos knurrte.

      „Ja?“ fragte der Kutscher aufmerksam. „Wolltest du etwas sagen – oder hast du meine Frage nicht verstanden? Hm-hm, offenbar ist der Fall noch ernster, als ich dachte. Vermutlich sind beide Gehörgänge verklumpt.“ Er trat ein paar Schritte zurück und flüsterte: „Kannst du mich hören, Mister Carberry?“

      „Ja.“ Das klang ziemlich gequetscht.

      „Hm. Drehe mir mal das rechte Ohr zu. Welche Zahl


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