Seewölfe Paket 27. Roy Palmer
hatte die Prinzessin erkannt, und jetzt kannte die Freude keine Grenzen mehr.
Fünf, sechs Boote hielten auf sie zu. Männlein und Weiblein kletterten an Bord und stimmten ein lautes Hallo an.
Die Arwenacks wurden wie langerwartete Götter begrüßt.
„Das wird ein Fest geben“, prophezeite Carberry. „Hoffentlich hat der liebe Papalagi für den durstigen Ed auch einen guten Schluck zur Stärkung.“
Häuptling Malahiwi erschien mit prunkvollem Gefolge feierlich an Bord und schloß seine Tochter gerührt in die Arme. Er war ein großer hagerer Mann, der ein holperiges Spanisch sprach und die meisten Endsilben verschluckte.
Er ließ sich seine Rührung nicht anmerken, das stand einem großen Häuptling nicht zu, aber Hasard erkannte an seinem Gesicht trotzdem, wie bewegt und innerlich aufgewühlt er war.
Dem Trauerkloß vom Dienst, Mac Pellew, hatte eine Inselschöne ein Blumengebinde um den mageren Hals gehängt, und damit stolzierte Mac wie ein Pfau auf dem Schiff herum. Er grinste sogar, aber dieses Grinsen fiel wie immer in der üblichen Art aus. Seine Augen verschwanden hinter kleinen Falten, und er sah aus, als hätte man ihm zwei faule Zitronen in den Hals gesteckt.
Am späten Nachmittag hielt der Papalagi eine Rede am Strand und dankte den Mannen für die Rettung seiner Tochter.
Inzwischen wurde alles für das Fest hergerichtet, bis den Arwenacks das Wasser im Mund zusammenlief.
Malahiwi erwies sich als großzügiger Gastgeber, der den Seewölfen vor Freude am liebsten die ganze Insel geschenkt hätte. Nur seine Dankesrede dauerte länger als eine Stunde, und die mußten die Mannen eben geduldig über sich ergehen lassen.
Sie waren alle am Strand bei den Hütten versammelt. An Bord der Galeone befand sich nur Old O’Flynn, der freiwillig die Ankerwache übernommen hatte. Später sollte er von einem anderen abgelöst werden, damit die Eingeborenen sein Holzbein bewundern konnten, wie der Profos grinsend sagte.
Auf dem freien Platz zwischen den Hütten wurden Schweine in Bananenblättern in breiten Gruben gedämpft. Eine riesige Tafel war gedeckt worden, die unter der Last von Früchten, gebackenen Hühnern und Gemüse fast zusammenbrach. In Schalen standen Getränke, um die der Profos grinsend herumstrich.
Er kam voll und ganz auf seine Kosten, und er brauchte sich auch nicht selbst zu bedienen, denn alles wurde ihm gereicht oder freundlich zugeschoben.
„Hier kann man es schon ein paar Jahre aushalten“, meinte er mit Kennerblicken. „All die lieblichen Weiberchen, die köstlichen Getränke und das herrliche Essen. Das ist doch was Feines, was, wie?“
Paddy Rogers, der neben ihm stand, bestätigte das eifrig.
„Ganz besonders das Essen“, meinte er. „Ich habe schon regelrechte Bauchkrämpfe vor Hunger. Ich könnte so ein gebackenes Schweinchen ganz allein verschlingen.“
Das Fest war üppig, und seit langer Zeit gab es mal wieder frisches Fleisch. Die Eingeborenen tanzten und waren ausgelassen und fröhlich wie kleine Kinder.
Bis in den frühen Morgen dauerte das Fest, aber es war noch nicht zu Ende, wie der Papalagi versicherte. Derartige Feste wurden immer mindestens drei Tage und drei Nächte lang gefeiert, und vorher konnten sie nicht weg, wenn sie den Gastgeber nicht beleidigen wollten.
Aber den freundlichen Häuptling wollte natürlich keiner beleidigen.
Sie blieben insgesamt fünf Tage auf Ponape, dann erst brachen sie auf, um die Reise nach China fortzusetzen.
Am letzten Tag wurden die Geschenke überreicht. Hasard ließ Werkzeuge zurück, was mit großer Freude begrüßt wurde.
Der Häuptling revanchierte sich mit einer ganzen Ladung Früchte und Gemüse, mit acht noch lebenden Schweinen, Brotfrüchten und allem, was die Insel hergab.
Das schönste Geschenk aber – das war jedenfalls die Ansicht Edwin Carberrys – waren zwanzig hübsche Hühnerchen, die fleißig Eier produzierten. Und damit sie auch einen Häuptling hatten, gab der Papalagi noch einen stolzen Hahn dazu, der besonders lautstark und durchdringend zu krähen verstand.
Von da an träumte der Profos wieder von Eiern mit Speck. Er half auch eifrig mit, an dem Verschlag für die Hühner zu bauen.
Am nächsten Morgen verließ die „Santa Barbara“ die Insel Ponape, um weiter ins Land des Großen Chan zu segeln …
ENDE
1.
Von guter Laune an Bord der „Santa Barbara“ zu sprechen, wäre stark geprahlt gewesen.
Philip Hasard Killigrew ärgerte sich über den verdammten Kompaß, den er erheblicher Mißweisungen verdächtigte. Und das Kartenmaterial an Bord dieser ehemals spanischen Galeone entsprach auch nicht den Idealvorstellungen eines verantwortlichen Lotsen, der sein Schiff sicher ans Ziel bringen möchte.
Dan O’Flynn, zuständig für die Navigation, bezeichnete die paar Seekarten schlicht als „Sauerei“, dies um so mehr, weil sie sich in einem ruinösen Zustand befanden.
Vermutlich waren sie von dem früheren Lotsen oder dem Kapitän zweckentfremdet worden – zum Beispiel als Tischdecke. Zu den zahlreichen Fettflecken gesellten sich rötliche Kringel, die darauf hindeuteten, daß die Señores dem Rotwein gehuldigt hatten. Der Durchmesser dieser Kringel entsprach dem Fuß eines Rotweinglases.
Da war ferner auf der jetzt maßgeblichen Karte die Inselgruppe der Karolinen. Nur hatte man sie ertränkt. Dan tippte auf Suppe, die über den Inseln ausgelaufen war. Die Insel Ponape war noch sichtbar, aber deren Standort brauchten sie nicht mehr, weil sie bereits hinter ihnen im Osten lag.
Mit den Palau-Inseln weiter im Westen zwischen dem 130. und 140. Längengrad war das auch so ein Kreuz. Dort prangte nämlich ein Loch, genauer gesagt, ein Brandloch, was darauf schließen ließ, daß Lotse oder Kapitän oder beide dem Genuß des Tabakrauchens gefrönt hatten.
Dieser Verdacht bestätigte sich, als Dan in einem der Schapps Tonpfeifen und Tabak entdeckte. Da mußten also bei der Arbeit an der Karte glühende Tabakteilchen auf die Palau-Inseln gefallen sein und hatten sie gewissermaßen ausgebrannt.
Einziger Lichtpunkt auf dieser trostlosen Karte waren die Philippinen am westlichen Kartenrand zwischen 116 und 127 Grad östlicher Länge. Sie waren erhalten geblieben und keinem Brand, keiner Suppe, keinem Fettfleck oder Rotwein zum Opfer gefallen.
Den Kutscher und Mac Pellew plagten andere Sorgen, die mit einer rapiden Abnahme des Trinkwassers zusammenhingen. Allerdings konnten sie etwas aufatmen, als die „Santa Barbara“ jetzt, Anfang August des Jahres 1596, den 140. Längengrad hinter sich ließ und in ein Gebiet geriet, über das der Himmel seine Schleusen öffnete.
Bei Old O’Flynn hatte eh seit mehr als dreizehn Stunden das Holzbein gezwackt und damit verkündet, daß was im Anmarsch sei.
„Ein kleiner Taifun oder so“, hatte er gesagt.
Natürlich – die Verniedlichung und das „oder so“ hatten dann wieder den Profos auf die Palme gebracht, der stets prompt reagierte, wenn der alte Zausel großklotzige Sprüche klopfte und so tat, als seien Stürme von Orkanstärke für ihn nichts weiter als laue Frühlingswinde.
Sie hatten sich beide angestänkert und allerlei Freundlichkeiten gesagt, aber es war nicht zu verkennen gewesen, daß sie dabei so richtig bissig wurden. Klar, Old Donegal war gereizt, weil ihn die Schmerzen im Beinstumpf plagten. Und der Profos hatte schlechte Laune, weil sie seit Verlassen von Ponape den Wind gegenan hatten und nach Westen aufkreuzen mußten.
Sie hatten alle das Gefühl, nicht vom Fleck zu kommen. Dazu trug bei, daß sie an manchen Tagen bekalmt wurden.
Die