Seewölfe Paket 27. Roy Palmer
flitzten nur so, um Fässer an Deck aufzustellen und den Regen über ausgespreiztes Segeltuch in die Fässer zu leiten.
Anschließend fand eine Badeorgie statt – mit gleichzeitiger Wäsche der schmutzigen Plünnen. Das war alles möglich, weil es so herrlich goß, aber gleichzeitig flappten die Segel, weil der Wind mal wieder geruhte, eine Schlaf pause einzulegen.
Da sich die riesigen Seegebiete östlich der Philippinen in den Sommermonaten „bis zur Weißglut“ aufheizen, waren die Regenmassen jetzt zwar eine herrliche und willkommene Erfrischung, dafür aber dampfte die „Santa Barbara“ wie ein überkochender Wasserkessel, als der Regen nach etwa drei Stunden abrupt aufhörte.
Der Wind schlief weiter.
„Schöne Scheiße“, lautete der Kommentar Edwin Carberrys.
Es war nicht genau zu ergründen, was er damit meinte. Er wrang gerade ein Hemd aus, das er zu einer Riesennudel zusammendrillte – und da ratschte es. Zweifellos war der Stoff mürbe – oder der Profos hatte mit seiner urigen Kraft des Guten zuviel getan.
Als er die Riesennudel von Hemd ausschüttelte, war das Ergebnis zu sehen: der rechte Hemdsärmel hing nur noch an ein paar Fäden, und übers Kreuz zog sich von der rechten Schulter zur linken Hüfte ein prachtvoller Riß.
Noch während der Profos dieses Ergebnis seines Auswringens stirnrunzelnd betrachtete, begann Mac Pellew, dieser Sauertopf, den Ziegenbock zu spielen.
Er meckerte. Er meckerte so richtig aus Herzenslust und Schadenfreude.
„Hä-hä-hä!“ schallte es über die Kuhl. „Hö-hö-hö! Da sieht man’s mal wieder! Kann vor Kraft kaum laufen, dieser Profos, aber daß man zum Auswringen von Hemden auch Köpfchen braucht, ist bei ihm nicht drin. Der muß erst alles zerreißen, dieser Wüterich, bis auch sein letztes Hemd nur noch zum Putzlappen taugt. Hä-hä! Die mieseste Waschfrau von Plymouth kann’s besser, aber die hat ja auch Grips im Kopf – und Gefühl in den Händen!“
„Ach ja?“ Carberry hatte den tückischen Blick drauf. „Erzähl mir noch mehr über die Waschfrauen von Plymouth, die Grips im Kopf und Gefühl in den Händen haben. Haben sie dich mal gekitzelt, diese Waschfrauen?“
„Gekitzelt? Wieso?“
„Weil du von Gefühl in den Händen sprichst, mein guter Mac. Denn davon müssen sie wirklich eine Menge haben, um bei dir herumzugrabbeln, damit du das lustig findest. Ich meine, die müssen dich schon mächtig unter den Fußsohlen kitzeln, damit bei dir der Nieselregen aufhört. Und was flötest du dann? Du flötest: Huch – nein! Was seid ihr heute stürmisch, aber euer lieber Mac mag’s gern noch stürmischer! Und nicht nur an den Fußsohlen! Und darum müssen die Waschfrauen mit Grips im Kopf und Gefühl in den Händen soviel Zeit aufbringen – und wenn sie das tun, dann fängst du erst zwei Tage später an zu kichern. Aber da sind auch den Waschfrauen die Gefühle längst vergangen.“
„Bei mir noch nie!“ empörte sich Mac Pellew. „Noch nie! Das kann ich beschwören!“
„Aha!“ Der Profos nickte zufrieden. „Daraus ist zu schließen, wo du dich rumtreibst, wenn du in Plymouth an Land schießt! Du raubst ehrbaren Waschfrauen die Unschuld! Das ist es! Schämen solltest du dich!“ Und der Profos hob die Stimme: „Ein Waschfrauenverführer bist du! Jetzt wissen wir es! Du – du Waschfrauentröster! Du Waschschürzenjäger, du lotteriger!“
Es war mal wieder hanebüchen, wie der Profos die Dinge auf den Kopf stellte und vom Thema ablenkte. Außerdem hatte er die Lacher auf seiner Seite – dies um so mehr, weil Mac Pellew den Fehler beging, auf den Unsinn einzugehen.
Erbost schrie er: „Du bist ja nur neidisch, weil du bei den Waschfrauen nicht landen kannst! Die laufen ja schon weg, wenn sie dich nur von weitem sehen!“
Der Profos winkte erhaben ab und entgegnete unverfroren: „Ich pflege keinen Umgang mit Waschfrauen, mein Guter. Ich verkehre in besseren Kreisen, wie sich das für einen Profos ziemt. Waschfrauen sind mir zu vulgär. Bei dir ist das etwas anderes, du paßt zu ihnen. Gleich und gleich gesellt sich gern, nicht wahr?“
Mac Pellew war außer sich und mußte nach Luft schnappen. Als er sie wieder hatte, schrie er: „Jedenfalls sind sie sauberer als deine Schlampen!“
Der Profos rümpfte die Nase. „Sauberer? Sie stinken nach Schmierseife, das ist alles. Außerdem sind sie so dick wie ihre Waschzuber und sehen selbst so aus, als würden sie den ganzen Tag gekocht. Nein, nein, für einen Mann von Welt, wie ich einer bin, ist das nichts. Ich habe eben gehobene Ansprüche und liebe eine gepflegte Unterhaltung, die natürlich weit über dem Niveau eines Waschbottichs liegt. Kannst du mir noch folgen, mein lieber Mac?“
Mac stieß ein hysterisches Gelächter aus.
„Mann von Welt!“ stammelte er. „Gehobene Ansprüche! Gepflegte Unterhaltung! So gepflegt wie die ordinären Sprüche, die du deiner Plärrkrähe beibringst, hä?“
Wo war denn das Vieh? Mac spähte zum Rigg hoch. Richtig, Sir John trippelte längs der Großrah, plusterte sich auf, fühlte sich angesprochen und krakeelte: „Hosianna-hallerhollerluja!“
Der Profos nickte fromm, blickte bieder drein und kommentierte: „Von wegen ordinäre Sprüche! Bei mir doch nicht! Bei mir lernt Sir Jöhnchen nur Worte der Erbauung, Andacht und Demut, die dem Seelenheil förderlich sind.“
„Gloria-Kruzifix-Marsbrassenkabelgatt!“ plärrte Sir John. Es klang wie das Geknatter von Pistolenschüssen.
Mac Pellew war restlos geschafft. Er gurgelte etwas Unverständliches, warf sich herum und verschwand in der Kombüse. Mit einem fürchterlichen Krach donnerte er das Schott hinter sich zu.
Bei dem Donnerschlag flatterte Sir John erschreckt auf, erboste sich, vergaß die „Worte der Erbauung, Andacht, und Demut“, und schrie: „Saufsack-verdammter-hol’s-der-Teufel-fier-weg-die-Scheiße!“
Aber das hörte Mac Pellew nicht mehr. Und er sah auch nicht, daß der Profos bis zu den Ohrläppchen grinste.
Indessen sagte der Kutscher so ein bißchen tiefsinnig: „Jaja, bei einem mit Gewalt zerrissenen Hemd hat’s angefangen, und geendet hat’s bei ‚fier-weg-die-Scheiße‘, ganz abgesehen von verschiedenen Exkursionen über die Waschfrauen im allgemeinen und besonderen, die laut Aussage eines gewissen Mister Carberry einerseits ehrbar und unschuldig, andererseits jedoch vulgär und für gepflegte Unterhaltungen ungeeignet sein sollen. Wie das unter einen Hut paßt, weiß wohl nur ein Märchenerzähler, der aber natürlich ein Mann von Welt sein muß, einer, der in den besseren Kreisen verkehrt und gehobenere Ansprüche hat.“ Und der Kutscher lächelte freundlich.
„Kutscher“, sagte der Profos mit leisem Grollen in der Stimme, „Kutscher, halt dich da ja raus und bleibe verdammt noch mal sachlich. Diese Essiggurke von Mister Pellew hat die Behauptung aufgestellt, zum Auswringen von Hemden brauche man Köpfchen und Gefühl – wie die mieseste Waschfrau. Ich hingegen behaupte, daß auch die beste Waschfrau dieses Hemd beim Auswringen zum Putzlumpen verarbeitet hätte. Es ist nämlich mürbe – bitte sehr!“ Und der Profos nahm einen Hemdzipfel zwischen Daumen und Zeigefinger beider Hände, hob ihn hoch und bewegte die Hände entgegengesetzt.
Ratsch!
„Leinen!“ sagte der Profos. „Gutes englisches Leinen, aber wohl nicht so gut wie das deutsche. Gleichviel, es ist mein ältestes Hemd, gut sechs Jahre alt und hunderte Male gewaschen und ausgewrungen, gebleicht und getrocknet im Seewind, in der Sonne, versalzen, was weiß ich! Wir werden ja auch älter, nicht wahr? Und eines Tages sind wir nicht mehr zu gebrauchen – oder so morsch wie dieses verdammte Hemd. Wenn dann dieser Griesgram daherkommt und mich dumm anlabert, da habe ich wohl das Recht, ihm passend zu antworten. Ist das klar, Kutscher?“
Der Kutscher hatte mit Erstaunen zugehört. Schau einer an, dachte er, dieser Poltermann von Profos stellt Vergleiche an, die fast philosophisch zu nennen sind. Außerdem stimmen sie. Ob Mensch oder Materie, alles ist vergänglich.
So sagte er: „Entschuldige, Ed, schon klar, was du meinst. Es war verkehrt von Mac, dich auf diese Weise