Seewölfe Paket 30. Roy Palmer
erregt. „Wollt ihr euch alle ermorden lassen? Das kann doch nicht euer Ernst sein. Das lasse ich nicht zu.“
„Warum wartet ihr nicht ab, bis sich die Piraten und die Fremden gegenseitig die Köpfe einschlagen?“ fragte eine der anderen Frauen.
„Wir können den Ausgang des Gefechtes nicht abschätzen“, entgegnete Domingo so ruhig wie möglich, obwohl er allmählich zornig wurde. „Nehmen wir an, die Piraten siegen. Dann kehren sie in das Dorf zurück, und wir können ewig hier in den Höhlen bleiben.“
Asuncion stemmte die Fäuste in die Seiten. „Nehmen wir an, ihr Männer besetzt jetzt das Dorf. Und die Piraten kehren zurück. Was wollt ihr dann tun?“
„Ihnen eine Falle stellen“, sagte Rodrigo.
„Die Piraten haben ein Waffenlager im Dorf“, fügte Hernán Zorba hinzu. „Wir werden es finden und ausplündern. Und dann gnade Gott diesen Teufeln, wenn sie zurückkehren.“
„Das schafft ihr nie!“ stieß eine andere Frau verzweifelt hervor. „Das kann nicht gut ausgehen!“
„Da seht ihr, wie wenig Vertrauen unsere Frauen in uns setzen“, sagte Zorba.
„Schluß jetzt mit der Debatte“, sagte Domingo Calafuria. „Wir rücken aus – und damit basta.“
„Ich will mit!“ stieß Zorbas Sohn noch einmal hervor. Doch wieder war es sein Vater, der sein Mitwirken bei der bevorstehenden Aktion ablehnte.
Auch Pamela Calafuria wollte die Männer begleiten. Doch ihr Vater und ihr Bruder waren strikt dagegen. Domingo Calafuria, Hernán Zorba und Rodrigo wurden zu den Anführern der Kampfgruppe gewählt.
Als auf See das Grollen von Kanonenschüssen ertönte, griffen sich die Fischer die wenigen Waffen, die sie hatten, und verließen die Höhle. Die Frauen schauten ihnen nach. Sie bekreuzigten sich und beteten.
„Herr, beschütze sie“, flüsterte Asuncion Calafuria.
Dan O’Flynn und Bill entdeckten als erste den Verband der Piratenschiffe, der sich von Westen näherte. Die Dreimastkaravelle und die drei Schaluppen rollten und taumelten in der immer noch aufgewühlten See. Der Wind wehte von Nordwesten und drückte die Segler mit großer Geschwindigkeit ihrem Ziel entgegen.
Daß dieses Ziel die Schebecke war, daran hatte nicht einmal Paddy Rogers, der sonst kein Schnellmerker war, irgendwelche Zweifel. Und der Seewolf handelte. Längst war die Schebecke klar zum Gefecht. Jetzt lichteten die Mannen den Anker. Dann setzten sie die Segel, und das Schiff glitt durch die Kabbelsee aus der Bucht.
Als die Schebecke das offene Meer erreichte, betrug der Abstand zwischen den beiden Piraten nur noch eine halbe Meile. Schon waren die lauten Flüche zu vernehmen, die von Bord der Piratensegler herüberwehten.
„Bei den vorherrschenden Verhältnissen wird es nicht leicht sein, Treffer anzubringen“, sagte Ben Brighton nach einem Blick durch den Kieker zum Gegner.
„Wir haben aber auch die Höllenflaschen und die Brandpfeile“, erwiderte der Seewolf. „Wenn es ganz hart kommt, können wir ein oder zwei Brandsätze abfeuern.“
„Ja, natürlich“, sagte Ben. „Und wir haben noch einen Vorteil. Die Karavelle hat zwar auch Lateinersegel, aber wir sind wendiger und liegen vermutlich höher am Wind.“
Die Mannen gaben grimmige Laute der Genugtuung von sich. Sie waren derselben Meinung – die Schebecke konnte es mit den vier Gegnern aufnehmen. Die Arwenacks hatten schon ganz andere Kämpfe ausgefochten und durchgestanden. Sie würden es diesen Schnapphähnen, die auf Mallorca hausten und versucht hatten, ihnen einen Hinterhalt zu legen, schon zeigen!
Olivaro feuerte den ersten Schuß ab, als die Entfernung zwischen der Karavelle und der Schebecke auf knapp anderthalb Kabellängen zusammengeschrumpft war. Dröhnend sauste die 17-Pfünder-Kugel aus dem Rohr. Etwa zehn Yards vor dem Bug der Schebecke klatschte sie ins Wasser. Eine Fontäne stieg auf und fiel wieder in sich zusammen.
„Das war die Kriegserklärung“, sagte Hasard.
„Feuer frei, Sir?“ fragte Carberry, der mit abgespreizten Beinen auf dem Deck stand.
„Nein, wir warten noch.“ Gelassen beobachtete Hasard den Gegner durch den Kieker.
Die Karavelle verfügte über sechs Culverinen. Sie hatte keine Drehbassen. Auf dem Achterdeck stand ein glatzköpfiger Kerl. Seinem Gebaren nach war er der Anführer. Neben ihm erkannte Hasard einen Mann mit Gesichtsverletzungen.
„Das muß der Kerl sein, der uns entwischt ist“, sagte der Seewolf.
Ferris Tucker grinste. Er hatte ebenfalls einen Blick durch das Spektiv geworfen. „Die Höllenflasche hat ihn ganz hübsch zugerichtet. Na, der wird sich freuen, wenn ihm die nächste Ladung um die Ohren fliegt.“
Die Piraten-Schaluppen, so stellten die Mannen fest, hatten als Armierung nur jeweils zwei Drehbassen, eine vorn und eine achtern. Insgesamt betrug das Aufgebot der Schnapphähne schätzungsweise vier Dutzend Kerle. Gut zwanzig befanden sich an Bord der Karavelle, die anderen an Bord der Einmaster.
Rasch verringerte sich die Distanz zwischen den feindlichen Schiffen. Olivaro verlor die Beherrschung.
„Feuer!“ brüllte er.
Schon zündeten die Kerle die Geschütze der Backbordseite. Drei Kugeln heulten im Donnern der 17-Pfünder auf die Schebecke zu.
Die Arwenacks gingen in Deckung. Doch fast hatten sie es erwartet – die Kugeln trafen nicht. Sie lagen zu kurz. Wirkungslos klatschten sie ins Wasser. Dann krachten auch die Buggeschütze der Schaluppen. Mit dem gleichen Mißerfolg. Wieder hatten die Piraten drei Kugeln vergeudet. Sie gaben ihrer Enttäuschung mit neuerlichen Flüchen Ausdruck.
Hasard und seine Männer grinsten.
„Wir warten noch ein bißchen“, sagte der Seewolf. Er schien die Ruhe in Person zu sein. Seine innerliche Anspannung war ihm nicht anzumerken.
„Drauf!“ schrie Olivaro. „Entern! Schießt sie nieder, die Hunde, stecht sie ab! Ich will ihre Köpfe!“ Er begriff nicht, warum die „Bastarde“ von der Schebecke nicht zurückfeuerten. Hatten sie etwa keine Munition?
Die Karavelle und die drei Schaluppen nahmen direkten Kurs auf die Schebecke. Sie versuchten, das Schiff der Seewölfe einzukreisen. Eine der Schaluppen ging platt vor den Wind und schoß wie ein Pfeil auf die Schebecke zu.
„Ich glaube, es wird Zeit, daß wir zurückschlagen“, sagte der Seewolf. „Was meint ihr, Freunde?“
„Von mir aus kann’s losgehen“, antwortete der Profos. Er rieb sich die Hände, daß die Knochen knackten.
„Alles bereit“, meldete auch Ferris Tucker, der liebevoll mit seinen Höllenflaschen hantierte.
„Brand- und Pulverpfeile klar!“ rief Big Old Shane, der mit Batuti auf dem Vordeck Posten bezogen hatte. Bei dem herrschenden Seegang konnten sie nicht – wie sie es sonst bei Gefechten taten – in den Groß- und Vormars aufentern.
„Feuer!“ rief der Seewolf.
Im Nu verwandelte sich die Schebecke in eine feuerspuckende Festung. Der Angriff erfolgte jäh und überraschend für die Piraten. Die 17-Pfünder dröhnten und spuckten, die Flaschenbomben wirbelten durch die Luft, und brennende Pfeile, von Batuti und Shane abgeschossen, huschten zu der Karavelle und den drei Schaluppen.
7.
In dieser Phase des entbrennenden Gefechts begriff Olivaro etwas von dem, was Guzman ihm kurz zuvor hatte auseinandersetzen wollen. Diese Fremden an Bord der dreimastigen Schebecke – das waren nicht irgendwelche hergelaufene Kerle vom Kaliber gewöhnlicher Schnapphähne.
Nein, die waren aus einem anderen Holz geschnitzt. Jetzt ging dem Bandenführer auch auf, warum Guzman mit seinen Kerlen gescheitert war, als er danach getrachtet hatte, den Hunden eine Falle zu stellen.
Aus