Seewölfe Paket 15. Roy Palmer
es war, sich mit einem so unberechenbaren und jähzornigen Mann wie Sir John zu verbünden. Aber auch das focht die beiden Komplicen Burton und Bromley nicht an, im Gegenteil, sie hielten das alte Schlitzohr für bestens geeignet, den Seewölfen und ihrem Kapitän die Hölle anzuheizen. Natürlich war ihnen auch bekannt, wie intensiv der Alte den sogenannten Bastard haßte – die „Natter“, die er angeblich an seiner Brust genährt hatte. Das war ein ziemlich dämlicher Vergleich zu jenem Verhalten, das der Alte tatsächlich gezeigt hatte. Denn er hatte Hasard kujoniert, gepiesackt und terrorisiert, wo er nur konnte.
Seine eigenen Mistkerle von Söhnen hatte er vorgezogen und gehätschelt bis zu jenem Zeitpunkt, an dem Hasard die Feste Arwenack ein für allemal verlassen hatte. Von da ab waren die drei eigenen Söhne das Ventil gewesen, das Sir John brauchte, um seinen überschüssigen Dampf abzulassen. Und weil sie kuschten, war der Alte noch unausstehlicher geworden.
Der dicke Burton blieb zäh beim Thema.
„Sir“, sagte er, „halten wir also noch einmal die Tatsachen fest. Diese Killigrew-Bande kehrte in drei Gruppen nach Plymouth zurück, jede Gruppe mit einem anderen Schiff. Nach dem Aussehen dieser Kerle müssen sie sich lange in Gebieten herumgetrieben haben, die weit südlich von uns liegen – wo es heiß ist und die Sonne scheint. Ich sprach bereits vom Nil. Ich habe Erkundigungen einziehen lassen und gehört, daß dieser Nil ein Strom ist, der in das östliche Mittelmeer mündet, aber man weiß nicht, wo sich seine Quelle befindet. Nach den spärlichen Berichten jedoch konnte ich in Erfahrung bringen, daß an den Ufern des Nils vor vielen Jahrhunderten oder Jahrtausenden sehr reiche Könige gelebt haben sollen. Sie wurden auch wiederum an den Ufern des Nils in merkwürdigen Bauten bestattet, und zwar mitsamt ihrer Schätze.“ Hier legte der gerissene Burton eine bedeutungsvolle Pause ein.
„Weiter!“ stieß der Alte hervor und hatte wieder dieses Glitzern in den Augen.
„Es ist vorstellbar“, sagte Burton langsam und mit Betonung, „daß die Killigrew-Bande dort geräubert und geplündert hat. Dieses Ungeheuer von Profos – Carberry heißt der Kerl – hat zum Beispiel die Schäden, die er und seine Bande in der ‚Bloody Mary‘ angerichtet haben, unter anderem mit einer sehr seltenen Perle bezahlt. Einer meiner Gewährsleute erfuhr das von Mister Plymson.“ Burton hüstelte dezent. „Es ist dies übrigens ein sehr merkwürdiges Verhalten der Killigrew-Bande. Erst wird alles demoliert, und dann bezahlt man mehr als großzügig …“
„Idioten!“ unterbrach ihn der Alte.
Burton schüttelte den Kopf. „Nein, Sir, ich möchte das anders interpretieren. Erstens haben sie genug an Beute, und zweitens können sie bei einer möglichen Anklage wegen mutwilliger Zerstörung einer Schenke immer erklären, sie hätten den Schaden ja wieder ersetzt, also Sühne geleistet. Für Mister Plymson ist das sogar ein Geschäft, da er, wie gesagt, mehr Entschädigung erhält, als zu Bruch gegangen ist.“
„Ah, verstehe“, murmelte der Alte und quetschte an seiner Knollennase herum. Sie hatte eine rot-bläuliche Färbung, Zeugnis vom vielen Suff. „Dennoch würde ich Plymson keinen Nickel zahlen, sondern mich rausreden.“
„Sehr wohl, Sir, das ist völlig richtig. Da werden im wahrsten Sinne des Wortes Perlen vor die Säue geworfen.“ Und der dicke Burton gestattete sich ein Lachen, das wie das Quaken eines Frosches klang. Dann hüstelte er erneut und fuhr fort: „Aber zurück zu den Tatsachen, von denen ich sprach. Diese Killigrew-Bande muß also über erhebliche Geldmittel verfügen, besitzt zur Zeit zwei Schiffe – dieses merkwürdige Fahrzeug aus dem Mittelmeer sowie die ‚Pride of Galway‘ – und läßt sich außerdem auf der Werft von Ramsgate ein neues Schiff bauen, eine Galeone, die man keineswegs als klein bezeichnen kann. Die Vermutung, die Mister Bromley vorhin aussprach, könnte durchaus stimmen. Man hat – natürlich gegen Bezahlung – die ‚Isabella VIII.‘ den Spaniern zum Nachbauen überlassen, also ein solides, gutes englisches Schiff, an dem die Spanier unseren hervorragenden Schiffbau studieren können. Und man hat sich den Spaniern – natürlich auch gegen Entgelt – angedient, um eine Invasion vorbereiten zu helfen. Zu diesem Zweck hat Killigrew Kontakte mit den Iren aufgenommen – Beweis: die ‚Pride of Galway‘. Wahrscheinlich plant man einen Zangenangriff auf unser Land, die Spanier landen an unseren südlichen Küsten, die Iren an der Nordwestküste.“ Burton hob drohend den rechten Zeigefinger. „Und dem muß Einhalt geboten werden!“
„Ausrotten, vernichten, zusammenschießen, köpfen …“ gurgelte Mark Bromley mit zuckendem Gesicht. Er sprang auf, reckte die Rechte wie zum Schwur, stierte den Alten an und stieß hervor: „Sir, Sie müssen uns beistehen im Kampf gegen das ekle Gewürm! Gemeinsam werden wir es zertreten wie – wie …“
„Gewürm“, sagte der dicke Burton.
„Jawohl, wie Gewürm!“ Der Ex-Hauptmann keuchte, als sei er zehntausend Yards in einem Stück gerannt. „Und uns gebührt der Lorbeer des Sieges …“
„Samt aller Schätze der Killigrew-Bande“, ergänzte der dicke Burton sachlich. „Und die Königin wird uns adeln, Landgüter schenken und eine Jahrespension aussetzen. Aber wir brauchen Ihre Hilfe, Sir John, Ihre Energie, Ihren brillanten strategischen und taktischen Überblick, Ihre Tapferkeit, Ihr Durchsetzungsvermögen!“
Das war eine Menge Honig um den Bart des alten Schlitzohrs. Er glukkerte einen aus der Flasche und verschluckte sich dieses Mal nicht.
„Hm-hm“, sagte er geschmeichelt, „hm-hm, mal sehen, hm-hm, mal sehen, wie wir diesem Hurensohn einen überbraten können. Wird überhaupt Zeit, daß er mal was vor die Schnauze kriegt, dieser Lümmel.“
Seine Söhne glotzten.
Dann ermannte sich Simon Llewellyn, reckte die Ferkelbrust, die nur fett, aber nicht breit war, und erklärte: „Ich mach ihn hin, den Bastard!“
„Ich auch!“ verkündete Thomas Lionel. „Ich zeig ihm, was ein echter Killigrew …“
„Maul halten!“ donnerte der Alte, soff wieder und erklärte: „Ich muß nachdenken.“
Der dicke Burton blickte den hageren Bromley mit seinen tückischen Augen an, was bedeutete, er möge sich wieder hinsetzen. Der gehorchte. Er hatte jetzt rote Flecken auf den hageren Wangen und wieder seinen flackernden Blick. Dann trank er hastig seinen Humpen leer, und Thomas Lionel schenkte ihm unaufgefordert nach. Sich selbst vergaß er dabei auch nicht, seinen Bruder ebenfalls nicht.
Man trank, und der Alte grübelte. Er stierte ins Feuer, nahm gedankenlos einen Schluck aus der Flasche und stierte weiter. Allmählich schwollen auf seiner Stirn zwei Adern, ebenfalls rotbläulich gefärbt wie die Knollennase.
Die beiden Ferkelsöhne kannten das und rutschten aus der Reichweite des Alten. Vorsicht ist immer der bessere Teil der Tapferkeit. Wenn die beiden Adern auf der Stirn des Alten erschienen, dann stand er unter Druck. Und wenn er explodierte, dann schepperte es, daß die Wände wackelten. Eben noch hatten sie den Bastard „hinmachen“ wollen, aber wenn bei dem Alten die beiden Adern anschwollen, dann kniffen sie den Schwanz ein und gingen in Dekkung, wobei ihnen offenbar entfallen war, daß der Bastard im knappen Mannesalter den Alten mal so eben ins Hirschgeweih gehängt und sie derart verdroschen hatte, daß sie noch Tage später nur so herumgekrochen waren.
Der Alte zuckte jäh hoch. Sekundenbruchteile später zerbarst die Whiskyflasche im Kamin, und er brüllte nach einer neuen Flasche.
Thomas Lionel empfing von seinem Bruder Simon Llewellyn einen Tritt, der besagte, daß er den Alten zu bedienen habe. Thomas Lionel sprang hastig auf, eilte zu dem Tisch, an dem sie getafelt hatten, grabschte dort nach einer angebrochenen Whiskyflasche, trank daraus, wischte den Flaschenhals ab und brachte dem Alten die Flasche.
Das Probieren hätte er sich dieses Mal sparen können. Der Alte beachtete es überhaupt nicht. Er hing sofort an der Flasche und trank den Whisky wie Wasser.
Ja, es wurde sehr viel getrunken – als sei der Alkohol geeignet, eine siegreiche Schlacht zu schlagen oder im Gehirn des Sir John präzise Gedanken über Strategie und Taktik zu entwickeln.
Der dicke Burton begann zu schwitzen. Was der Burgherr da in sich hineinsoff, war nicht mehr normal.