Seewölfe Paket 15. Roy Palmer

Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer


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backen und durfte allenfalls unbemerkt mit den Zähnen knirschen.

      Das war’s also.

      Und Sir John hatte mal wieder eine Beute zu seinen Gunsten verteilt, über die er noch gar nicht verfügte.

      Ein feines Geschäftchen, dachte er, und lachte dröhnend, der alte Halunke.

      3.

      Vor lauter Gram über das miese Geschäft hatte der dicke Burton mit dem Alten und seinen beiden Ferkelsöhnen einen Humpen nach dem anderen geleert und war lange nach Mitternacht volltrunken und mit Hilfe von zwei Dienern in eine Turmkammer gewankt, wo man ihm ein Bett bereitet hatte. Dorthin war auch schon der schnarchende Bromley befördert worden, ohne daß er aufgewacht wäre.

      Der Alte hatte noch eine Weile herumrandaliert, war dann aber in seinem Sessel vor dem Kamin eingeschlafen.

      Das Ferkel Thomas Lionel, das zwischenzeitlich aus dem Keller Wein hatte heraufholen sollen, war im Suff nicht dort gelandet, wo die Weinfässer standen, sondern hatte sich in den Rübenkeller verirrt. Die Kerze war ihm bei seiner Torkelei ausgegangen, so daß er sich nicht mehr zurechtgefunden hatte. Er ruhte also auf schmutzigen Rüben, und Edwin Carberry hätte mit Recht von einem Rübenschwein sprechen können.

      Dann hatte der Alte Simon Llewellyn losgejagt, um für Nachschub zu sorgen, aber der war auch nicht zurückgekehrt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Alte bereits vergessen, daß er seine Söhne in den Keller geschickt hatte. Er war nämlich selbst damit beschäftigt gewesen, daß Hirschgeweih über dem Kamin anzuspringen, um es herunterzureißen.

      Das Hirschgeweih!

      Scheißgehörn, hatte er in seinem umnebelten Gehirn gedacht, da hängst du mich nicht mehr rein, du Krücke von einem Bastard! Nach dem Ansprung war er am Rand des glosenden Kaminfeuers gelandet und hatte sich die Finger versengt. Von da ab hatte er randaliert und mit allem, was er zu fassen kriegte, nach dem Hirschgeweih geworfen. Immer daneben.

      Darum hatte er sich in den Sessel zurückfallen lassen, um das Gehörn vor der nächsten Attacke noch einmal genau anzupeilen. Als er mehrere Geweihe sah, war er eingeschlafen.

      Eingeschlafen war indessen auch das Ferkel Simon Llewellyn, das in eine Kiste gestiegen war – mit einer Kruke Wein in der Hand. Die hatte er noch abgezapft, während in seinem Kopf das Weinfaß und das Gewölbe auf und ab geschwankt waren wie der Atlantik bei Sturm. Umnebelt war er dann in die Kiste gestiegen, die er für die Treppe gehalten hatte. Es war eine leere Kiste, die irgend jemand in der Nähe der Steintreppe irgendwann abgestellt hatte, und seitdem stand sie dort.

      Aus dieser Kiste hatte er nicht mehr herausgefunden – das war ein grausames Schicksal. Die Kruke lag längst auf dem Kistenboden, und der Wein war ausgelaufen. Bis zur Brust ging ihm die Kiste, aber darüber tasteten seine suchenden Finger in der Luft herum, links war auch Luft, rechts ebenfalls. Wo feste Wände hätten sein müssen, war Luft.

      In seinem schwer beduselten Kopf wähnte Simon Llewellyn, er werde von den Geistern der Finsternis in die Hölle entführt und schwebe durch die Nacht der Verdammnis. Und da hatte er sehr geweint, der Ferkelsohn, war in der Kiste in sich zusammengesackt und vom Schlaf aus seinem Höllenflug erlöst worden. Mit dem dicken Hintern hatte er sich in den ausgeflossenen Rotwein gesetzt, der noch nicht ganz durch die Fugen der Kistenbretter gesickert war.

      Da hätte Edwin Carberry, der Profos der Seewölfe-Crew, von einem Rübenschwein mit rotem Affenarsch sprechen können. Es war wirklich schade, daß er das nicht sah – das eine Rübenschwein im Rübenkeller, das andere in der Kiste.

      Im Morgengrauen ruckte Sir John aus seinem Holzsessel hoch und hatte ein schiefes Genick, eingeschlafene Füße, ein krummes Kreuz und einen Geschmack im Mund, der eine reine Ferkelei war.

      Seine Laune war dementsprechend.

      Als er sich aus dem Sessel hochquälte – man war ja nicht mehr der Jüngste –, trat er mit den Stiefeln in die Scherben seiner nachmitternächtlichen Wurfübungen. Es knirschte mächtig, und er zuckte zusammen, weil er dachte, dieses Knirschen deute darauf hin, daß seine Knöchel aus dem Leim gingen. Manchmal, vor allem in den letzten Jahren, war das schon so gewesen, daß er meinte, das Knarren seiner Knochen gehört zu haben.

      Und jetzt? Er ächzte und schaute nach unten. Auch das war schon schwierig, weil er das Gefühl hatte, sein Kopf säße verkehrt auf dem Hals. Er spähte also schief geneigt zu den Stiefeln hinunter – wie ein Hahn, der einäugig auf einen fetten Wurm stiert –, aber er entdeckte eben nur seine Stiefel, deren Leder seine Waden, Knöchel und Füße verbargen, natürlich, durch Leder hat man keinen Durchblick.

      Er brauchte eine Weile, um das zu begreifen. In dieser Weile begann es in seinen eingeschlafenen Füßen zu kribbeln und zu krabbeln, und darum brüllte er um Hilfe, wobei er wie ein müder Brummbär auf den Scherben herumtappte.

      Es erschien niemand. Das waren so die Zustände auf Arwenack. Lady Anne lebte seit Jahren in einem anderen Flügel der Feste, zurückgezogen von ihrem unflätigen Mann und ihren ebenso unflätigen Söhnen. Sie hatte es aufgegeben, diese versoffene und vulgäre Männer-Sippschaft noch zu ertragen. Und von der Dienerschaft zeigte sich niemand, weil man es gewohnt war, daß der Burgherr nach durchzechten Nächten erst gegen Mittag aus den Federn kroch. Und auch da hielt man sich zurück, weil man seine stinkige Laune kannte und keine Lust hatte, sich von diesem Wüterich anbrüllen oder verprügeln zu lassen. Außerdem hatte die Erfahrung ergeben, daß der Burgherr seine Brüllerei meist einstellte, wenn keiner da war, der ihm zuhörte.

      So auch jetzt. Im übrigen brummte dem Alten der Schädel, und mit der Brüllerei tat er sich überhaupt keinen Gefallen, weil das Schädelbrummen davon nur schlimmer wurde.

      Er fand einen Rest Whisky, kippte ihn hinunter, sackte wieder in den Holzsessel mit der hohen Lehne und schnarchte bereits nach ein paar Minuten.

      Aufgeweckt mit seiner Brüllerei hatte er nur die drei Bestien, die in der Nähe des Kamins geschlafen hatten. Die hatten auch so ihre Erfahrungen. Sie lauerten noch ein Weilchen, und als sie die Schnarchtöne vernahmen, wußten sie, daß der Weg frei war. Sie tigerten zu dem Bohlentisch, an dem das Freß- und Zechgelage stattgefunden hatte, und räumten ab. Sie hielten also gewissermaßen Nachlese und sorgten dafür, daß nichts verdarb. Im gewissen Sinne ging es den Hunden auf Arwenack eigentlich besser als dem Gesinde und der Dienerschaft.

      Daß beim Abräumen ein paar Tonkrüge und Tonschüsseln zu Bruch gingen, besagte nichts weiter. Auch das gehörte dazu. Es bleibt nur noch hinzuzufügen, daß die Wohnhalle mal wieder chaotisch aussah, ganz abgesehen von den Gerüchen, mit denen die Halle geschwängert war. Von einem Saustall zu sprechen, wäre noch untertrieben.

      Erst gegen Mittag erwachte die Feste über Falmouth allmählich zum Leben – jedenfalls jener Teil, den Lady Anne wie gesagt seit Jahren nicht mehr betreten hatte. Sie selbst war natürlich längst aus den Federn und das für sie zuständige Gesinde auch. Dort, im Flügel der Lady Anne ging man mit den Hühnern schlafen und stand beim ersten Hahnenschrei wieder auf, dafür sorgte schon die Burgherrin. In ihrem Haushalt klappte auch alles, im Gegensatz zu der Lotterwirtschaft des Burgherrn.

      An diesem Mittag nun begab sich Lady Anne ganz gegen ihre sonstigen Gewohnheiten in den Trakt der Feste, den Sir John bewohnte.

      Es war nämlich folgendes passiert: Die Hühnermamsell von Lady Anne hatte am Vormittag festgestellt, daß aus dem Volk ihres Federviehs ganze zehn Hühner fehlten, darunter zwei der besten Leghennen. Da sie einen bestimmten Verdacht hegte, war sie zu den Küchenräumen Sir Johns hinübergegangen und hatte sie durchsucht. Zu diesem Zeitpunkt war dort noch niemand bei der Arbeit, so daß sie ungestört war.

      Sie hatte mit ihrer Suche Erfolg gehabt: Erstens hatte sie in einem Abfallkübel braune Federn gefunden, was eindeutig bewies, daß dies Federn aus ihrem Hühnervolk sein mußten, denn Sir Johns Hühnervolk bestand aus weißen Hühnern, die nach Lady Annes Ansicht schlechter legten als die braunen. Zweitens fand die Mamsell in demselben Abfallkübel unter anderem das Gebeinpaar der beiden Leghennen, und dieser Beweis war noch eindeutiger, weil der rechte Lauf der beiden Leghennen mit einem


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