LOVE YOUR NEIGHBOUR. David Togni
gedruckte Kollektion von LOVE YOUR NEIGHBOUR. Viele Freunde und Bekannte fanden die Sachen total cool, kauften ein und machten kräftig Werbung. Langsam lösten sich erste Steinchen und brachten die Lawine ins Rollen.
Zuerst bot ich die Kleider einzeln über Facebook an. Dazu fotografierte ich die Shirts, stellte sie ein und postete: „Willst du dieses Shirt haben? Schreibe uns!“ Nebenher richtete ich mit ein paar Profis zusammen langsam einen Onlineshop ein und baute die Produkte aus – mehr Designs, Accessoires, Sweatshirts etc. Jede einzelne Bestellung, die einging, ließ mich vor Freude fast platzen. Es ging einfach los, eigentlich ohne klares Konzept oder Struktur. Es war eine Herzenssache und ich war so happy dabei! Am 1. November 2013, ein halbes Jahr nach dem Traum, ging dann die Website von LOVE YOUR NEIGHBOUR offiziell online. Ein weiterer Meilenstein.
Es ist nachts um drei. Mir laufen die Tränen übers Gesicht, meine Finger zittern vor Erschöpfung. Ruhige Musik läuft in meinem nur mit einer Kerze erhellten Zimmer. Völlig übermüdet lasse ich mich aufs Sofa fallen und schließe die Augen. Gerade habe ich das letzte Päckchen fertig gemacht, das morgen in die Post muss. Mir ist ungeheuer wichtig, dass jede Bestellung von „LYN“ rechtzeitig rausgeht und ich die angegebene Lieferzeit einhalte. Müde öffne ich meine Augen und blicke auf den Stapel Pakete und Versandtaschen, die vor mir auf dem Boden liegen. Die Bestellungen häufen sich; innerhalb von nur wenigen Wochen nach der ersten Kollektion wollen immer mehr Menschen ein LOVE YOUR NEIGHBOUR-Shirt.
Mein Blick wandert zu meinem gekachelten Tisch, auf dem die Kerze flackert. Da stehen ein nostalgisches schwarzes Telefon und eine alte Schreibmaschine. An der rechten Tischkante liegen ein Siegel mit Segelschiffmotiv und rotes Wachs. Bestellungen mit nur einem T-Shirt, die ich in einer Versandtasche verschicke, erhalten auf der Rückseite immer noch ein edles Gepräge. Dazu träufele ich mithilfe der Kerze das Siegelwachs auf die Umschläge und drücke den Stempel ein. Jedes versandfertige Paket bekommt schließlich noch ein LOVE YOUR NEIGHBOUR-Logo und ich fotografiere es auf diesem Stillleben-Tisch. Jedes einzelne. Dann markiere ich das Bild für die Leute, die bestellt haben, bei Facebook und poste: „Du kannst dich freuen, morgen kommt dein Paket!“ So kurble ich die Vorfreude auf ein wunderbares, ganz besonderes T-Shirt an. Gleichzeitig sorge ich auf diese Weise für eine größere Reichweite und mache LOVE YOUR NEIGHBOUR über die Kunden bekannter.
Doch da ich alles allein bewältige, bin ich bei der wachsenden Nachfrage bald am Anschlag. Jede Bestellung erfordert etliche einzelne Handgriffe, so vieles – wie das Siegel, das Fotografieren und Posten –, das Zeit kostet, sodass ich oft bis spät in die Nacht hinein arbeite und packe. Jedem Paket widme ich mich mit voller Konzentration. Mir liegt sehr daran, jeden einzelnen Kunden durch meine Sorgfalt wertzuschätzen. Jedes Paket segne ich mit dem Wunsch, dass der Empfänger sich der Botschaft von LOVE YOUR NEIGHBOUR bewusst wird und sie in seinem Leben umsetzt.
Mein Blick wandert wieder zu dem Berg fertiger Sendungen. Trotz aller Erschöpfung erfüllt mich zutiefst, was ich mache. Zum ersten Mal in meinem Leben tue ich etwas, bei dem es mir nicht darum geht, was dabei für mich herauskommt oder wie viel ich dabei verdiene. Nein, ich lebe tatsächlich meinen Traum! Jetzt gerade und in Echtzeit! Innerlich jubelnd spüre ich, dass ich genau dort bin, wo ich sein will. Nirgendwo anders. Ein unglaubliches Glücksgefühl durchflutet mich, das ich bisher von keinem noch so erfolgreichen Job kenne. Tief dankbar schleppe ich mich mit letzter Kraft ins Bett und falle sofort in einen tiefen Schlaf.
Am nächsten Tag fahre ich mit meinen paar Dutzend Päckchen und Versandtaschen zur Post in Landquart. Schon manchmal habe ich mich gefragt, was das wohl mit den Postangestellten macht, wenn sie das Logo von LOVE YOUR NEIGHBOUR immer wieder sehen. Als ich heute am Schalter stehe, schaut die freundliche Dame erst neugierig die Pakete an, dann mich und fragt schließlich zögernd: „Was ist das eigentlich, das Loveyourneighbour?“ Freudestrahlend erzähle ich ihr von der Vision und dass Hunderte schon davon angesteckt worden sind. Begeistert gibt die Postdame zurück: „Wow, das finde ich genial. Man merkt, Sie leben das richtig. Sie strahlen so viel positive Energie aus.“ Schließlich bittet sie mich um den Kontakt, um selbst ein Shirt zu bestellen.
Als ich wieder im Auto sitze, laufen mir die Tränen übers Gesicht. Dankbarkeit und Freude erfüllen mich, dass Gott mir diese Vision anvertraut hat, dass sie Wellen schlägt und er immer wieder Menschen dadurch berührt. Zu Hause angekommen, gehe ich an meinen Gebetsort auf dem Berg und danke Gott für alles, was passiert und was ich gerade erleben darf. Ich will demjenigen das Lob weiterreichen, der das alles ins Leben gerufen hat.
Die Postdame gab später zwei Bestellungen auf. Das Postamt in Landquart und diese so wertvollen, kleinen Anfänge von LOVE YOUR NEIGHBOUR sind ganz kostbare Erinnerungen für mich. Ich liebte es, dorthin zu gehen und auch mal kleine Geschenke zu verteilen. Man spürte richtig, wie sich in der Post eine liebevolle Atmosphäre ausbreitete.
Genau darum geht es im Kern, dass wir immer mehr Leute anstecken mit diesem wunderbaren Nächstenliebe-Virus. LOVE YOUR NEIGHBOUR will einen Lifestyle der wertschätzenden Mitmenschlichkeit prägen und das in allem, was wir jeden Tag tun. Wie Mode zu tragen wird es zu einer alltäglichen Haltung, egal wo ich bin. Ganz selbstverständlich schaue ich nicht weg, sondern frage den Obdachlosen vor dem Supermarkt, was ich ihm mitbringen kann. Oder blicke der Reinigungskraft oder dem Busfahrer in die Augen und bedanke mich für das, was sie täglich tun. Inzwischen habe ich so viele Geschichten erhalten von Menschen, die mir schreiben oder posten, was sie mit LYN erleben. Mit den 28 000 Followern auf Facebook und stetig steigender Tendenz ist LOVE YOUR NEIGHBOUR in zweieinhalb Jahren zu einer riesigen Community angewachsen. Leute ermutigen sich dort gegenseitig mit ihren Storys, was es auslöst, wenn sie Liebe praktisch leben. Eine Frau schrieb, dass sie immer wieder auf das Shirt und die Message angesprochen wird und es plötzlich ganz leicht ist, von ihrem Glauben zu erzählen. Früher sei das für sie immer ein schrecklicher Krampf gewesen. Tatsächlich höre ich das von vielen Menschen. Dann gibt es Leute, die vorher Obdachlose regelrecht gehasst haben, die sie heute zum Essen einladen. Andere lassen sie bei sich übernachten und duschen. Eine Frau schrieb: „Immer, wenn ich das Shirt anhabe, bin ich so großzügig!“ Was für ein schöner Nebeneffekt!
Einmal kam ein junger Mann auf einem Event in der Schweiz zu mir. Mit Tränen in den Augen umarmte er mich fest: „Du bist doch der David?“ „Nein, ich bin Max“, blödelte ich. Als wir meine Quatscheinlage aufgelöst und herzlich gelacht hatten, wurde er ganz ernst und erzählte: „Drei Jahre lang hatte ich Depressionen. An dem Tag, als ich das Paket mit der LOVE YOUR NEIGHBOUR-Bestellung aufgemacht habe und den Pullover anzog, waren die Depressionen verschwunden. Von einem Moment auf den anderen. Es ist absolut verrückt!“ Überwältigt dachte ich: Ja, so ist Gott! Er erhört Gebete. Dankbar nahm ich den jungen Mann in den Arm.
Die vielen Leute, die auf Facebook posten, was sie erleben und was passiert (und die vielen, die es nicht posten und trotzdem tun), sind für mich die Fackeln aus der Vision, die immer mehr werden, immer mehr Licht und Wärme in ihrem Umfeld und ihren Städten verbreiten. Es sind die vielen kleinen Dinge, die wir mit großer Liebe tun, die Veränderung bewirken. Eine zweite Weisheit meines großen Vorbilds Mutter Teresa, das mich total beeindruckt. Zutiefst bin ich davon überzeugt, dass es auf den Einzelnen ankommt und die kleinen, nicht aufsehenerregenden Dinge – aber die Haltung dahinter. Das habe ich auch im Statement zur Vision von LOVE YOUR NEIGHBOUR formuliert: „Liebe oder Hass – du machst den Unterschied. Ich träume von einer Welt, in der jeder seine wahre Identität finden darf. Von einer Welt, in der sich jeder so lieben kann, wie er erschaffen wurde. Diese Liebe wird dein Umfeld, deine Stadt, dein Land und schließlich die ganze Welt verändern. Sei dabei, wenn wir die Welt verändern – denn DU bist genial.“
Von Anfang an war die praktische Liebe auch Teil des Labels und der Unternehmenskultur – wir bezeichnen uns als Social Fashion Label. In der ersten Zeit gaben wir jedes zehnte produzierte T-Shirt an Obdachlose, nach einer Weile schon jedes fünfte und zehn Prozent vom Erlös gingen an Projekte, die Bedürftige in unserer Nachbarschaft unterstützen. Inzwischen produzieren wir weit mehr als T-Shirts – auch Sweater, Caps, Accessoires und Taschen. Gerade