Amorphis. Markus Laakso

Amorphis - Markus Laakso


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Stress zuhause, knallte die Türen, die Schule ging mir sonstwo vorbei und alles nervte nur noch.“

      Auch Martinlaakso, wo jeder jeden kannte, wirkte auf einmal beklemmend. Alle schienen grundsätzlich derselben Meinung zu sein, weil sich das in der Gruppe eben so gehörte. Koivusaari und der künftige ABHORRENCE-Sänger Jukka Kolehmainen hatten als einzige Jungen ihrer Schule lange Haare und waren schon dadurch Außenseiter, die nicht ins Schema passten. Ihr Dresscode war an Finnlands wichtigste Thrash-Metal-Band STONE angelehnt: Turnschuhe, schwarze Jeans und Leder- oder Bomberjacke, darüber eine helle Jeansweste mit Buttons, Aufnähern und selbstgezeichneten Bandlogos. Mit den neunziger Jahren hielten Flanellhemden Einzug.

      „Martinlaakso hatte einen ganz eigenen Touch. Ich merkte irgendwann, dass ich anders tickte als der Rest. Der Herdentrieb war mir immer zuwider. Wenn die anderen ihre Mofas paradierten, spielte ich Gitarre. Musik und Bands waren das einzige Mittel dazu, was Eigenes auf die Beine zu stellen. Ich wollte raus aus der ganzen Inzucht“, gesteht Koivusaari. „Was nicht heißen soll, dass es da nicht auch tolle Typen gab. Aus Martsari sind mir viele lebenslange Freundschaften geblieben.“

      DIE MITGLIEDER VON VIOLENT SOLUTION ließen sich meist vom Vater von Drummer Eklund nach Klaukkala abholen. Der dortige Proberaum war geräumig und asketisch: Die Einrichtung beschränkte sich weitgehend auf die Instrumente. Man kam, probte und ging wieder. Die Saiten waren in Standardhöhe gestimmt und die Band um kein Image bemüht. Die Mitglieder sahen auf den Promofotos genauso aus wie sonst auch, mit offenen Haaren und im Thrash-Look. Gekünstelte Posen waren in Speed- und Thrash-Kreisen verpönt, es ging schließlich um die Musik.

      Mit Esa Holopainen an der Gitarre nahmen VIOLENT SOLUTION zwei Tonträger auf: das Demo Period Of Depression (1990) und die 7”-EP Paralysis/Individual Nightmare (1990). Period Of Depression entstand am 03.–04. 02. 1990 im Studio Syke Oy, der kleinen Klitsche in Nurmijärvi, in der schon das erste Demo Disorder Of Composure fünf Monate zuvor eingespielt worden war. Es waltete dieselbe kosteneffiziente Methode: Die Songs wurden live eingespielt und die Spuren direkt gemischt. Abends verließ die Band das Studio mit der fertigen Kassette in der Hand, die dann zuhause vervielfacht wurde. „Wenn die Aufnahme läuft, bist du einfach nervös. Zu Analogzeiten war das noch ärgerlicher, weil Korrekturen furchtbar umständlich waren. Die erste Session lief meiner Meinung nach überraschend gut. Von Perfektion konnte keine Rede sein, aber es war auch kein Fiasko. Im Gegenteil: Wir waren stolz auf das Tape“, erinnert sich Holopainen.

      Für die auf eigene Kosten produzierte EP nahm die Gruppe am 18.–20. 06. 1990 zwei Songs im TTT-Studio des STRATOVARIUS-Gitarristen Timo Tolkki auf. „Timppa“ war ein Bekannter von Eklund und den ANTIDOTE-Mitgliedern Laurenne und Arnkil. Der begabte Gitarrist und Produzent hatte mit seiner damals noch unbekannten Powermetal-Band gerade das erste Album aufgenommen, Fright Night (1989). VIOLENT SOLUTION wussten es zu schätzen, mit einem Metaller zusammenzuarbeiten, der schon einen Plattenvertrag hatte, aber dennoch in denselben Kreisen verkehrte wie sie selbst. Tolkki verwendete ein 16-Spur-Gerät von Fostex, ein Spirit-Folio-Mischpult und zwei Behringer-Kompressoren – kein Top-Equipment, aber professioneller als die Ausstattung von Syke. Die Stücke wurden auch diesmal live eingespielt, mit einigen nachträglichen Gesangskorrekturen. Bassist Kulinock hatte die Band kurz vor den Aufnahmen verlassen, weil sein neues Mofa ihn stärker interessierte, sodass Snoopy im Studio auch den Bass übernahm.

      „Die EP-Aufnahmen waren der Höhepunkt der Karriere von VIOLENT SOLUTION“, urteilt Holopainen. „Timppa war ein netter Typ, aber er hatte nicht viel Geduld mit Teenies, die an ihren Stücken feilen wollten. Wenn was nicht so lief, wie er wollte, oder jemand zu spät kam, fing seine Oberlippe an zu zittern. Wutreaktion. Tolkki hat sich damals nicht als Produzent betätigt, er nahm nur auf und mixte, ohne sich in irgendwas einzumischen. Brauchte er auch nicht, denn wir hatten die beiden Stücke, die wir aufnehmen wollten, gründlich geprobt.“ Beim Mix wurde hauptsächlich auf eine angemessene Balance zwischen Instrumenten und Gesang geachtet. Hier und da wurde etwas Echo hinzugefügt. Die gruselige Coverzeichnung stammte von Arnkil, der auch das erste Demo gestaltet hatte. Von der Vinylscheibe wurden 100 Exemplare gepresst. Einige wurden per Post oder in den Underground-Plattenläden Oskun Divari und Diskeri verkauft, den Rest brachten die Bandmitglieder bei Konzerten und anderen Szenetreffen persönlich unters Volk.

      Die Stücke waren der damals gängige Mischmasch aus Speed und Thrash, dominiert von Kreischgesang, manisch wechselnden Songbestandteilen, Doppelbass-Eruptionen, obligatorischen Solos und Gitarrenharmonien à la STONE. Kehrverse und Wiederholungen wurden durch überbordenden Spieleifer und eine schier unfassbare Anzahl von Riffs ersetzt.

      „Beneath The Remains von SEPULTURA war seinerzeit (1989) am stärksten angesagt und sicher unser größter Einfluss“, erinnert sich Holopainen. „Auf STONE standen wir schon seit Jahren. Ich muss in der neunten Klasse gewesen sein, als das Debütalbum von denen rauskam. Das war das Härteste, was je aus Finnland gekommen war. Für Jungs in meinem Alter absolut prägend.“

      Gemessen an den Verkaufszahlen wurde der Metalmarkt von den stilbildenden amerikanischen, britischen und deutschen Bands beherrscht, aber in Finnland hatten STONE mindestens ebenso viel Einfluss, wenn nicht sogar noch mehr. Als MEGADETH zur Zeit ihres Bestsellers So Far, So Good, So What (1988) ein Open-Air-Konzert im Hof des Lepakko-Clubs gaben, traten STONE als Anheizer auf – und waren für viele Besucher der eigentliche Hauptact das Abends. Auch Holopainen konnte mit STONEs energischem Rübengeschüttel und chirurgischer Präzision erheblich mehr anfangen als mit den eher zahmen Amerikanern. Es war inspirierend zu sehen, dass es auch im kleinen Finnland möglich war, Metal von internationalem Niveau zu spielen. Vor großem Publikum, ohne falsche Bescheidenheit und volle Kanne.

      VIOLENT SOLUTION waren von ähnlichem Ehrgeiz getrieben wie STONE, auch wenn Songs und Können noch nicht vom selben Kaliber waren und die Musiker sich auf der Bühne noch schüchtern hinter ihren Haaren versteckten. Die Gruppe zeigte jedoch vielversprechende Ansätze. Die EP offenbart ein überraschend tightes Zusammenspiel, zumal angesichts der Jugend und Unerfahrenheit der Bandmitglieder. Wie bei der Mehrheit der finnischen Metaldemos jener Zeit klang die Produktion ziemlich dünn, doch der Mix war sauber genug, um die Instrumente voneinander unterscheiden zu können. Getrübt wurde der Stolz auf das Werk durch das allgemeine Verdikt der Hörerschaft: Die Scheibe klang besser, wenn sie anstelle der vorgesehenen 45 mit 33 rpm abgespielt wurde. Bei langsamerem Tempo klangen die Songs brutaler, die Gitarren heavier, die Produktion fetter und das Kreischen mutierte zu bestialischem Grollen.

      Weder das Demo noch die EP sorgten in der Szene für größeres Furore. Sie an die finnischen Plattenfirmen zu senden, wäre Portoverschwendung gewesen. Die goldenen Schallplatten jener Tage gingen an einheimische Mainstreamrocker sowie Pop- und Schlagerstars, während Speed und Thrash abgemeldet waren. Von einem ganzen Album war nicht einmal innerhalb der Band die Rede. Das Geld der Musiker reichte gerade mal für einen oder zwei Tage in einem Demostudio; eine größere Produktion auf eigene Kosten kam nicht in Frage. Auftritte gab es genug, aber das Honorar lag bei null.

      „Wir kamen noch nicht mal auf die Idee, Geld zu verlangen. Im Gegenteil: Falls uns jemand eine Rechnung über unseren Gig geschickt hätte, hätten wir die sogar bezahlt. Die Shows liefen soweit gut, aber wir haben nie groß darüber diskutiert. Heutzutage verbringen wir von Jahr zu Jahr mehr Zeit damit, unsere Gigs direkt hinterher zu analysieren. Ich vermisse unsere unbeschwerte Jugend: das Publikum war zufrieden und wir auch. Heute perfektionieren wir unseren Sound mit In-Ear-Monitorsystemen und meckern hinterher, weil irgendwas zu laut ist oder rauscht. Irgendwie ist die alte Spontaneität nicht mehr da“, sinnt Esa.

      Die Band tourte fleißig in den Jugendzentren der Hauptstadtregion: Suutarila, Herttoniemi, Kauniainen, Munkkiniemi. Die Stars dieser Nachwuchsszene waren Rytmihäiriö, deren damals wie heute unmittelbar von der Boulevardpresse inspirierten Texte sich hauptsächlich um im Rausch begangene Totschlagsdelikte drehen. VIOLENT SOLUTION bemühten sich gezielt um gemeinsame Auftritte. Häufig mit dabei waren auch Koivusaaris ABHORRENCE, die bereits dabei waren, sich in internationalen Tape-Trading-Kreisen einen Namen zu machen.

      „Die Jugendclubs hatten ihre eigene Kultur. Die


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