Liselotte Welskopf-Henrich und die Indianer. Erik Lorenz

Liselotte Welskopf-Henrich und die Indianer - Erik Lorenz


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Mit ihrem Ringfinger klopfte sie in der für sie typischen Weise an die Tür, so dass die Mitarbeiter schnell wussten: »Da steht die Welskopf vor der Tür, und wenn wir jetzt nicht aufmachen, kann es Ärger geben.«

      Ärger machte sie aber nicht nur manchen wissenschaftlichen Kollegen. Besonders für die DDR-Führung war Welskopf-Henrich eine oft unbequeme Person. Mit dem der SED-Führung kritisch gegenüberstehenden, antifaschistischen Politiktheoretiker Robert Havemann (1910-1982, auch er hatte Hartke zum Gegner) führte sie in wissenschaftlichen Zeitschriften Diskussionen, mit dessen Freund, dem Liedermacher und Lyriker Wolf Biermann (geb. 1936), war sie ebenfalls bekannt.

      Sie lehnte sich in Aufsätzen gegen die strenge ideologische Zensur und unqualifizierte Kritik in der DDR auf:

      Das Nichterscheinen von mit rassistischen und diskriminierenden Vorurteilen belasteten Büchern befürwortete sie hingegen.

      Welskopf-Henrich schrieb viele Briefe an Beamte und veröffentlichte Artikel, mit denen sie versuchte, die Entwicklungen zu stoppen, die wenig mit dem Traum von einem sozialistischen Staat zu tun hatten, den sie während des Krieges gemeinsam mit ihrem Mann geträumt hatte. Zwischenzeitlich wurde Welskopf-Henrich eine regelrechte Untergrundarbeiterin, da öffentliche und offene Konfrontationen oftmals nichts bewirkten. Das wurde zum Beispiel am Fall Havemann erkennbar: Dessen Auflehnung gegen die SED blieb ohne nachhaltigen Erfolg und brachte für ihn eine Reihe persönlicher Nachteile mit sich.

      Noch härter als sie traf die mangelhafte Umsetzung des Sozialismus ihren Mann Rudolf Welskopf, der die Idee, die ihn während seiner schwersten Zeit im Zweiten Weltkrieg aufrecht gehalten hatte, verraten sah und doch nichts dagegen zu tun vermochte.

      Als kommissarische Leiterin der Abteilung Alte Geschichte setzte sie sich für Kollegen und Studenten ein, die als politisch-ideologisch verdächtig galten und schützte sie vor Repressionen. Einer ihrer Schüler und späteren Kollegen, der Althistoriker Peter Musiolek, wurde infolge eines angeblichen Missverständnisses in der Nachkriegszeit in einem sowjetischen Lager inhaftiert. Als er entlassen wurde, hatte er große Probleme, sich in der DDR gesellschaftlich und beruflich zu etablieren. Welskopf-Henrich nahm ihn bei sich zu Hause auf, beschaffte ihm eine Arbeit und ermöglichte ihm so die Rückkehr in ein geregeltes Leben. Schließlich besuchte er die Universität und wurde ein international angesehener Wissenschaftler.

      Ein anderer junger Mann, der aus britischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrte und bei der BBC gearbeitet hatte, wurde in der DDR denunziert, und die angestrebte Rundfunk- und Verlagslaufbahn wurde ihm daraufhin verwehrt. Als er in Not war, hat sich Welskopf-Henrich auch seiner angenommen. Sie hat stets Menschen gefördert, die einen anderen Weg gehen wollten, als offiziell möglich war.

      Die Wahrheit in der Dichtung

      Eines Tages erschien bei uns eine unbekannte Dame und erwirkte von der vom SD gestellten Bewachung, dass sie uns Lebensmittel zustecken durfte. Einmal wagte sie sich sogar in die Wachbaracke des Lagers Lichterfelde und gab ein Paket für mich persönlich ab.

       Und das alles, obwohl ich ihr eindringlich sagte, dass das verboten sei und sie selber in größter Gefahr stehe.

      Als Liselotte Welskopf-Henrich das Gebäude betritt, begrüßt der Pförtner, ein älterer Mann, sie mit einem mitleidigen Blick. Sie nimmt auf einer Bank ohne Lehne Platz. Neben ihr sitzt ein altes jüdisches Ehepaar. Von dem Korridor gehen mehrere Zimmer ab, die hinter verschlossenen Türen verborgen sind. Man lässt die Frau warten, will sie zermürben. Die Angst vor dem Ungewissen soll ihre Konzentration schwächen. Welskopf-Henrich ist sich dessen bewusst und spricht energisch einen vorübergehenden Mann an, dessen Uniform silberne Sterne und Balken auf den Schulterstücken zieren. Sie fordert, endlich vorgelassen zu werden. Sie verweist auf ihre amtliche Tätigkeit und erklärt, dass sie nicht unbegrenzt Zeit habe. Ihre Taktik ist wohlüberlegt.

      Es ist der 11. August des Jahres 1944, und Welskopf-Henrich ist in die Französische Straße in Berlin zum Verhör durch die Gestapo bestellt worden. Sie weiß: Es geht heute um nicht weniger als ihr Leben. Sie ist sich darüber im Klaren, dass es in jedem Fall verwirkt wäre, wenn der Geheimdienst hinreichende Beweise für auch nur eine ihrer zahlreichen illegalen Aktionen besäße. So setzt sie auf die Flucht nach vorn. Und tatsächlich: drei Minuten später wird sie in ein Hinterzimmer gerufen, wo ein kleiner Beamter hinter einem Schreibtisch auf sie wartet. Kaum dass sie sich, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, auf den »Besuchsstuhl« neben dem Schreibtisch setzt, fährt der Beamte wütend hoch und beschuldigt sie, ein Verhältnis mit einem Juden zu haben. Er schreit und beschimpft sie und ereifert sich über seine eigenen Vorwürfe, aber Welskopf-Henrich ist erleichtert: Ihre »kommunistischen Verbindungen« sind der Gestapo offensichtlich entgangen. Das Verhältnis mit einem Juden streitet sie ab, überhaupt habe sie keine Verhältnisse. Sie gibt sich den Anschein großen Selbstbewusstseins, so, als habe sie nichts zu befürchten, nutzt ihre rhetorische Überlegenheit, um den Verhörenden zu narren. Sie lässt ihn in dem Glauben, sie überlisten zu können und ihr, ohne dass sie es bemerken würde, ein Geständnis entlocken zu können, während sie in Wirklichkeit ihm entlockt, was genau er über sie weiß und was nicht. Zwei Stunden später hat sie die Gewissheit, dass die Informationen ihres Gegenübers nur sehr vage sind, und sie durchschaut sämtliche seiner Manöver. Aus dem Nebenzimmer hört sie


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