Liselotte Welskopf-Henrich und die Indianer. Erik Lorenz

Liselotte Welskopf-Henrich und die Indianer - Erik Lorenz


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Ideologie des Marxismus-Leninismus« waren.15

      Oft wurden die Kollegen auch direkt zu Welskopf-Henrich nach Hause eingeladen. Bevor aber Welskopf-Henrichs Gäste zwecks Diskussionen im großen Besprechungsraum Platz nehmen konnten, mussten sie erst einmal in ihr Haus am Rande des Treptower Parks gelangen. Das gestaltete sich oft als abenteuerliches Unterfangen, denn Welskopf-Henrich besaß einige große Schäferhunde, die selbst bei ihren Freunden gefürchtet waren. Wenn man die Klingel neben dem Gartentor drückte, stürzten zuerst einmal die Hunde ans Tor. In den meisten Fällen wurden sie dann von Welskopf-Henrichs Mann Rudolf weggesperrt, bevor der Besuch das Grundstück betreten konnte.

      

      Liselotte Welskopf-Henrich mit ihrer Schäferhündin Unni

      Ein tschechischer Althistoriker, dessen fachliche Kompetenz Welskopf-Henrich sehr schätzte und den sie oft zu Vorträgen einlud, wohnte und schlief einige Nächte im Dachzimmer ihres Hauses. Während seines Besuches war Welskopf-Henrich eines Abends unterwegs, und die Hunde liefen frei auf dem Gelände umher, da in der Gegend viel gestohlen wurde. Als Welskopf-Henrich nach Hause kam, belagerten die Hunde die Tür des Dachzimmers; ihr Gast hatte sich vor lauter Angst von innen mit Tischen und Matratzen verbarrikadiert. Dass er mit den Hunden nicht umgehen konnte, nahm sie ihm sogar etwas übel.

      Ganz im Gegensatz zu einem rumänischen Kollegen: Er kam eines Tages nichtsahnend auf ihren Hof, als er sie besuchen wollte, und ehe er sich versah, stürzten die Hunde auf ihn zu. In barschem Ton rief er ihnen auf rumänisch »Sitz!« zu, und – sie saßen. Seitdem sprach sie mit größter Hochachtung von ihm.

      Neben diesen fachlichen Differenzen resultierten die Spannungen zwischen den beiden wohl auch aus unterschiedlichen politischen Anschauungen. Darüber hinaus warf Welskopf-Henrich, die ehemalige Widerstandskämpferin, dem früheren NSDAP-Mitglied Hartke dessen Tätigkeit unter den Nationalsozialisten vor: Er arbeitete in einer deutschen Zentrale, die versuchte, englische und amerikanische Codes zu entschlüsseln. Diesen Codes legten die Engländer und Amerikaner jeweils ein exotisches literarisches Werk zugrunde, übernahmen daraus Worte und Textteile und vermischten diese nach einem bestimmten Zahlensystem. Man musste das entsprechende Buch kennen, um den jeweiligen Code dechiffrieren zu können. Dazu brauchte man außerordentlich gebildete Menschen, die zufällig auftauchende, seltene Worte, die entschlüsselt worden waren, einem bestimmten Buch zuordnen konnten.

      Während der jahrelangen Auseinandersetzungen und Streitigkeiten scheute sich Welskopf-Henrich nicht, Hartke zu provozieren. Hartke wiederum verfuhr mit ihr nicht anders, wie sie berichtete. Als Welskopf-Henrich gerade an einem ihrer autobiographischen Romane arbeitete, sprach sie Hartke mit der Bemerkung an, in ihrer Geschichte tauche ein SS-Offizier auf. Sie komme mit dessen Sprache und Ausdrucksweise einfach nicht klar – da könne der verehrte Professor Hartke doch sicher einmal behilflich sein.

      Differenzen gab es auch mit Erfurt, dem Lektor des Akademieverlages, in dem einige ihrer wissenschaftlichen Arbeiten erschienen. Erfurt hatte die Angewohnheit, sprachliche Verbesserungen, die er für nötig hielt, in die Manuskripte zu schreiben. Diese »Verbesserungen« waren oftmals jedoch sehr fragwürdig. So missbilligte er das schlichte Wort »und« und pflegte es stets durch ein »sowie« zu ersetzen.

      Welskopf-Henrich stapelte daraufhin die von diesem Lektor durchgesehenen Arbeiten auf einem Schrank im Versammlungszimmer. Empfing sie nun Gäste oder erhielt wissenschaftlichen Besuch, konnten ihre Kollegen ein Blatt Papier sehen, das aus diesem Stapel Papier heraushing und auf dem in großen Buchstaben geschrieben stand: »Von Herrn Erfurt verdorbene Manuskripte«. Welskopf-Henrich, die ihren Mitarbeitern weitgehende Eigenständigkeit gewährte, beanspruchte und forderte diese auch für sich selbst.

      * * *

      Für Außenstehende mögen Welskopf-Henrichs Tätigkeiten als Wissenschaftlerin und Schriftstellerin den Eindruck einer Art Doppelleben erwecken. Tatsächlich schenkten Welskopf-Henrichs Kollegen ihrer schriftstellerischen Arbeit nie viel Aufmerksamkeit (so zum Beispiel Rößler, der die Romane Welskopf-Henrichs nach eigener Aussage zu seinem Bedauern viel zu spät las) und bekamen Welskopf-Henrichs Begeisterung für die Indianer nur bei wenigen Gelegenheiten zu spüren, zum Beispiel wenn sie ihnen in Arbeitspausen Pemmikan servierte, eine nahrhafte Mischung aus zerstoßenem Dörrfleisch, Fett und eventuell Beeren oder Kräutern. Aufgrund seiner Haltbarkeit war Pemmikan bei den Indianern als Proviant auf Reisen und als Wintervorrat sehr beliebt. Welskopf-Henrich verstand es ausgezeichnet, dieses Gericht zuzubereiten und ihre Gäste damit zu bewirten.

      * * *

      So wie es für Welskopf-Henrichs Kollegen kaum Berührungspunkte mit ihrer Schriftstellerei gab, so wussten die Bewunderer ihrer belletristischen Werke meist nichts von ihrem Beruf als Althistorikerin und ihren wissenschaftlichen


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