Chronik von Eden. D.J. Franzen

Chronik von Eden - D.J. Franzen


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Hund hat uns wieder gewarnt. Jetzt bin ich mir sicher, dass es derselbe wie in Königsdorf ist.«

      »Quatsch!« Sandra wischte mit der freien Hand durch die Luft, so als wolle sie Toms Schlussfolgerung verscheuchen wie ein lästiges Insekt. »Das ist nur Zufall. Hunde bellen eben von Zeit zu Zeit, daran ist nichts besonderes.«

      Bevor der Junge widersprechen konnte, tauchten drei weitere Zombies auf.

      Stephan fackelte nicht lange. Mit einem »Wir müssen Munition sparen!« rannte er auf die Neuankömmlinge zu und schwang dabei seinen Baseballschläger.

      »Was macht der Idiot?«, zischte Sandra. »Er läuft mir genau in die Schusslinie!«

      Martin wollte etwas sagen, wurde aber in diesem Moment wieder von einem Krampfanfall durchgeschüttelt.

      »Wir müssen ihm helfen, alleine schafft er das nicht.« Patrick hatte den Satz noch nicht richtig zu Ende gesprochen, da setzte er sich ebenfalls in Richtung der Zombies in Bewegung. Dabei entwickelte er ein Tempo, dass man ihm gar nicht zugetraut hätte.

      Diesmal war es also an Sandra, den anderen einfach nachzulaufen, wollte sie ihre »strahlenden Recken« nicht einfach hängen lassen.

      Mit einem eklig feuchten »Kaflatsch!« landete Stephans Baseballer mitten im Gesicht des vordersten Zombies. Wie bereits im Hinterhof des Restaurants wurde auch dieser von der Wucht des Treffers ein paar Schritte zurückgetrieben.

      »Du den linken, ich den rechten!«

      Patrick hatte die Untoten ebenfalls erreicht und rammte seiner »Zielperson« den Plastikschild mit voller Wucht gegen die Brust. Der Zombie ließ sich davon aber nur marginal beeindrucken und versuchte sogleich, seinen Angreifer am Schild vorbei zu fassen zu bekommen. Ein wuchtiger Hieb mit dem Streitkolben riss ihm fast den Kopf von den Schultern und beendete sein untotes Dasein.

      In diesem Moment war auch Sandra heran. Durch einen gezielten Schuss gab sie dem Zombie, den Stephan zuerst getroffen hatte, den Rest. Dann war auch schon alles vorbei.

      Vor ihnen lagen vier Untote, die nun endgültig tot waren. Zwei davon hatten ein Loch zwischen den Augen, und es fehlte ihnen die hintere Hälfte des Kopfes. Einem war der Schädel halb von den Schultern gerissen und hing merkwürdig zur Seite, der andere hatte dort, wo sein Kopf hätte sein sollen, nur noch einen schleimigen Klumpen.

      »Ich sag doch: Munition sparen.« Stephan grinste zufrieden. »Hat doch prima geklappt. Und ich habe dabei nicht mal einen Kratzer abbekommen.«

      In Sandras Gesicht arbeitet es. Sie reckte ihr Kinn nach vorne, sog hörbar die Luft ein. Dann atmete sie ebenso geräuschvoll wieder aus und steckte ihre Pistole weg.

      »Okay, weiter. Diese Penner haben uns schon genug Zeit gekostet.«

      *

      Kurze Zeit später fanden sie tatsächlich eine Apotheke, deren Eingangstür einen unversehrten Eindruck machte. Dieser Zustand hielt jedoch nicht lange an, als Stephans Baseballschläger dagegen krachte. Er benötigte nur drei Hiebe, dann war eine ausreichend große Öffnung entstanden um hindurchzuschlüpfen.

      Stephan betrat als erster den kleinen Verkaufsraum. Aufmerksam sah er sich nach allen Seiten um, dann winkte er den anderen, dass sie ihm folgen konnten.

      Zielstrebig ging Sandra auf die Ziehschränke hinter dem Tresen zu. »Die sind alphabetisch sortiert«, erklärte sie. »Gabi, wie heißt das Mittel, das du brauchst?«

      Das Kind nannte einen unaussprechlichen Namen, wie ihn sich nur die Marketing-Abteilung eines großen Pharmakonzerns ausdenken konnte. Glücklicherweise waren die ersten beiden Buchstaben klar zu erkennen, so dass Sandra nicht lange suchen musste.

      »Ist nur eine Packungen, und die ist schon ein paar Tage über dem Verfallsdatum, aber das ist erst einmal besser als nichts.« Sie drückte Gabi die Schachtel in die Hand.

      »Lass uns nachsehen, ob sie auch Antibiotika dahaben«, schlug Patrick vor. »Verbandszeug und ein paar Schmerztabletten wären vermutlich auch nicht schlecht.«

      Sandra nickte und begann, die Schränke zu durchforsten. »Los, helft mit! Ihr wisst doch auch, wie das Zeugs aus der Werbung ausschaut.«

      Ein paar Minuten später betrachteten sie ihre Ausbeute. Viel war es nicht, die Apotheke schien die benötigten Präparate wohl überwiegend erst bei Bedarf bestellt zu haben.

      Früher war das kein Problem gewesen, denn der gut funktionierende Pharmaapparat hatte sichergestellt, dass jede Apotheke mindestens zweimal am Tag beliefert worden war, manche sogar drei- oder viermal. »Just in time« hatte man das genannt, und es hatte geholfen, die Kosten zu drücken und somit den Gewinn zu maximieren.

      Nun stellten die wenigen Überlebenden, die noch normal waren, schmerzlich fest, dass man Geld tatsächlich nicht essen konnte.

      Immerhin verfügten die Pilger jetzt über mehrere Schachteln Schmerztabletten, einen Verbandskasten und zwei Packungen mit einem Breitbandantibiotikum. Bislang hatten sie nichts in dieser Art benötigt, aber das war wohl mehr Glück als alles andere.

      Patrick wurde kurzerhand zum Apotheker der Gruppe erklärt, da er sich mit diesen Dingen offenbar am besten auskannte.

      »Wohin jetzt?« fragte er, nachdem er die Sachen in seinem Rucksack verstaut hatte. »Wollen wir noch nach etwas Essbarem schauen?«

      Sandra schüttelte den Kopf. »Im Augenblick sind wir notdürftig damit versorgt, viel mehr können wir sowieso nicht ohne weiteres tragen. Daher sollten wir lieber nach einer Unterkunft für die Nacht schauen.«

      »Jetzt schon?« Stephan sah sie überrascht an. »Es ist doch noch helllichter Tag!«

      »Das mag schon sein, aber schau dir doch mal unsere beiden ›Problemfälle‹ an. Die brauchen jetzt Ruhe. Alleine die Suche nach einer Unterkunft wird sie vollends an den Rand dessen führen, was sie heute noch zu leisten vermögen.«

      Stephan nickte mit undurchdringlicher Miene.

      »Suchen wir uns wieder etwas am Ortsrand?« Martins Stimme klang brüchig.

      »Das wird das beste sein. Vielleicht finden wir ja einen Bauernhof, der ein wenig abseits der anderen Häuser steht, und sich im Zweifelsfall gut verteidigen lässt.«

      Nachdem keiner mehr Fragen hatte, machten sich die Pilger wieder auf den Weg.

      *

      Das Rauschen und Wispern in Martins Kopf nahm zu, er konnte sich nicht dagegen wehren. Seine Gedanken wirbelten wild durcheinander. Mühsam hielt er mit den anderen Schritt und versuchte dabei weiterhin krampfhaft sich zu konzentrieren.

      Immer wieder vermeinte er, kleine spitze Laute durch das Rauschen zu vernehmen. Sie erinnerten ihn an die Angstschreie von kleinen Säugetieren. Das war natürlich Blödsinn, denn wenn hier irgendwo Tiere schrien, würden die anderen es auch hören und in irgendeiner Weise darauf reagieren.

      Das Rauschen schwoll an, schien sich dabei regelrecht zu fokussieren. Diese Empfindung war neu. Martin versuchte, sie zu verdrängen, doch es war zwecklos. Das Geräusch klang mit einem Mal so, als würde man ein »Pfff!« rückwärts abspielen, dann hörte er eine Stimme in seinem Kopf: Martin, ich bin es, Tom!

      Verwirrt hob Martin den Kopf. Der Junge ging ein paar Schritte vor ihm. Dabei machte er nicht den Anschein, mit ihm zu kommunizieren, aber das konnte täuschen.

      Martin! Sag, hörst du mich? Komm schon, antworte bitte!

      Es kostet ihn einige Mühe, aber schließlich schaffte er es, eine Antwort zu senden: Was ist denn? Ich bin so schwach, so schwach …

      Hörst du die anderen?

      Martin wurde hellhörig. Welche anderen? Plötzlich war ein Teil seiner Müdigkeit wie weggewischt, und er konnte sich wieder besser konzentrieren.

      Die anderen Kinder. Du musst ihre gedanklichen Hilferufe doch ebenfalls empfangen haben!

      Diese … diese Geräusche, das Fiepen, das sind andere Kinder?


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