Chronik von Eden. D.J. Franzen

Chronik von Eden - D.J. Franzen


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uns Schutz und Nahrung.«

      »Dabei hat Wasser gar keine Kalorien.« Martin versuchte ein Grinsen, aber es misslang.

      »Ich sehe, dass der Glaube in dir noch schwach ist. Aber das wird sich von ganz alleine ändern, wenn dich der Herr erst mehr von seinen Wundern schauen lässt.«

      »Im Augenblick würde mir ein weiches Bett fürs Erste als Wunder genügen.«

      »Oh, natürlich, wie dumm von mir.« Patrick machte eine entschuldigende Geste. »Dir geht es nicht wirklich gut. Komm, wir schauen gemeinsam, ob du dich hier irgendwo hinlegen kannst.«

      *

      »Es gibt eine kleine Planänderung«, eröffnete Sandra, als Patrick zusammen mit Martin wieder im Wohnzimmer bei den anderen eintraf. »Wir haben unsere Bleibe für die Nacht gefunden. Die Zombies scheinen aus irgendeinem Grund einen Bogen um dieses Haus zu machen, also sollten wir die Chance nutzen, uns hier ein wenig auszuruhen. Morgen versuchen wir dann, den Fliegerhorst in Nörvenich zu erreichen. Dort kann man uns sicher weiterhelfen.«

      »Wie geht es Gabi«?, erkundigte sich Patrick. »Hilft das Spray?«

      »Ein wenig.« Sandra nickte. »Die Beschwerden sind zwar nicht ganz weg, aber zumindest gelindert.«

      »Na, immerhin. Dann mache ich uns jetzt etwas zu essen, und heute Nachmittag gebe ich den Kindern den ersten Unterricht. Wer hilft mir in der Küche?«

      Miriam und Regina erhoben sich wie auf Kommando und schlossen sich dem Pfarrer an.

      »Sonst niemand?« Patrick blickte auffordernd in die Runde.

      »Das ist okay so«, erklärte Regina. »In der Küche ist ohnehin gerade mal Platz für uns drei. Wir können den anderen ja den Abwasch überlassen.«

      Abwasch?!? Martin glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Das alles war grotesk. Die Welt, wie er sie einst kannte, existierte nicht mehr. Draußen hatten Zombies das Land übernommen, die nichts kannten außer ihrer Gier nach frischem Fleisch. Und in diesem Haus machte man sich Gedanken darüber, wer das Geschirr spülte?

      Lass sie, drangen Toms Gedanken zu ihm durch. Das ist ihr Weg, um nicht vor lauter Verzweiflung und Kummer den Verstand zu verlieren.

      Dann packte Martins Affe ihn wieder im Genick und schüttelte ihn so heftig, dass der Kontakt zu Tom abriss.

      *

      Ein altes Sprichwort besagt »Hunger ist der beste Koch«. Ob es daran lag oder einfach an Patricks Geschick in dieser Richtung, vermochte niemand zu sagen, trotzdem herrschte beim Essen gefräßige Stille.

      Als alle fertig waren, griff Patrick grinsend hinter sich und meinte: »Für die Erwachsenen unter uns habe ich noch etwas gefunden, dass das Mahl vollends abrundet.«

      Er holte seine Hand wieder hinter dem Rücken hervor und hielt eine Flasche mit Klarem hoch.

      »Die stand im obersten Schrank ganz hinten. Wer möchte?«

      Sandra und Stephan lehnten dankend ab. Martin verzog nur angewidert das Gesicht, ihm war auch so schon schlecht.

      »Kein Problem, dann trinke ich für euch einen mit. Gesegnet seien die Gaben des Herrn.«

      Patrick schraubte die Flasche auf, setzte sie direkt an und nahm einen kräftigen Schluck. Dann schüttelte er sich. »Pfui Deibel, tut das gut.«

      »Übertreiben Sie’s aber nicht mit dem Zeug.« Sandra sah den Pfarrer kritisch an. »Wenn sie sich den Kanal zusaufen und nicht mehr auf eigenen Beinen gehen können, dann lasse ich Sie genauso zurück wie jeden anderen, der uns über die Maßen aufhält.«

      »Von zusaufen kann gar keine Rede sein. Ich habe mir nur einen zur Verdauung genehmigt. Das wird wohl noch erlaubt sein.«

      »Ich wollt’s nur klarstellen, nicht dass es hinterher heißt, ich hätte mal was sagen können.«

      »Nachdem das geklärt ist, können wir ja jetzt mit dem Unterricht beginnen. Selbstverständlich sind die Erwachsenen herzlich eingeladen, ebenfalls daran teilzunehmen.«

      »Und was ist mit dem Abwasch?«, wollte Rosi wissen.

      »Das war doch nur ein Witz.« Tom grinste schief. »Regina weiß doch so gut wie alle anderen, dass sie dieses Haus morgen früh zusammen mit uns für immer verlassen wird.«

      »Ach so.« Rosi wurde ein wenig rot. »Steht es denn schon fest, dass wir nie wieder hierher zurückkehren werden?«

      »Für den Moment sieht es zumindest so aus, ja.« Sandra nickte. »Jetzt ist zuerst einmal wichtig, dass ich euch in Sicherheit bringe. Danach sehen wir weiter.«

      »Ich verstehe.« Rosi versuchte, ein tapferes Gesicht zu machen, obwohl jeder sehen konnte, dass sie in diesem Moment am liebsten losgeheult hätte.

      »Ich denke, es ist das beste, den Unterricht mit einer Lesung aus der Bibel zu beginnen«, ergriff Patrick wieder das Wort. »Denn in den Worten des Herrn hat schon so mancher Trost gefunden, der sich verloren glaubte.«

      »Ich suche mir ’ne Ecke zum Pennen.« Martin stand mühsam auf. »Ich will heute Nacht fit sein, um auch eine Wache übernehmen zu können.«

      Während er das Zimmer verließ, hörte er, wie Patrick damit begann, gemeinsam mit den anderen ein Vater Unser zu beten.

      *

      Martin wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, als er plötzlich hochschreckte. Draußen war es noch hell, und er musste ein paarmal blinzeln, bis er wieder einigermaßen klar sehen konnte.

      Sein Affe war fürs Erste verschwunden, und sein Magen hatte sich ebenfalls beruhigt. Trotzdem war er sich sicher, den Entzug noch nicht überstanden zu haben.

      Martin trat ans Fenster und blickte hinaus. Die Straße lag immer noch verlassen da. Hatte er geglaubt, dort draußen würden sich nach und nach Zombies zusammenrotten, um sich das Frischfleisch aus dem kleinen hellblauen Haus zu holen, so hatte er sich getäuscht.

      Am Stand der Sonne erkannte er, dass es auf den Abend zugehen musste. Hunger verspürte er trotzdem keinen, auch wenn sein Magen immer noch leer war. Kurz überlegte er, ob er sich vorbeugend eine Dosis Nasenspray verabreichen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Er würde auch so wieder vollends auf die Beine kommen.

      Sein Traum fiel ihm wieder ein. Ja, er hatte geträumt, wenn auch merkwürdig diffus und verwaschen. In seinem Traum war er durch eine wunderschöne Parklandschaft gegangen. Auf einer Wiese war eine Gruppe Kinder gewesen, die einen Kreis bildeten und sich an den Händen hielten. Während sie langsam um den imaginären Mittelpunkt des Kreises gingen, sangen sie ein fröhliches Kinderlied.

      Die ganze Szenerie hatte etwas Unwirkliches gehabt, aber das war bei einem Traum nicht weiter verwunderlich. Dann fiel ihm wieder ein, was ihn so sehr daran gestört hatte. Immer wieder war eine Stimme zu hören gewesen, die sanft »das ist der Garten Eden« gewispert hatte, und im Hintergrund waren Sphärenklänge zu hören gewesen.

      Martins Miene verfinsterte sich. Hier hatte sich wohl der Text aus dem Lied der Kinder mit Patricks ständigem Gerede über Gott und die Bibel zu einem kitschigen Gemälde der Glückseligkeit vereint. Es hatte nur noch gefehlt, dass weiße Tauben aufflogen und die Chöre der Engel aus den Wolken hervorbrachen, um ein Hosianna anzustimmen. Und das ihm, wo er doch mit der Kirche rein gar nichts am Hut hatte und auch keinerlei Interesse zeigte, dies zu ändern.

      Überrascht stellte Martin fest, dass er plötzlich doch Hunger bekam. Vielleicht war ja vom Mittagessen noch etwas übrig. Auf dem Weg in die Küche verflogen die Gedanken an den Traum und machten denen an weltlichere Dinge Platz.

      *

      Nachdem Martin sich ein wenig gestärkt hatte, betrat er das Wohnzimmer. Dort ging Sandra wie ein gereizter Tiger auf und ab. Patrick, Stephan und die Kinder hatten sich offenbar in andere Bereiche des Hauses zurückgezogen.

      »Was ist denn los?«, wollte er von ihr wissen. »Ist irgendetwas


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