Chronik von Eden. D.J. Franzen

Chronik von Eden - D.J. Franzen


Скачать книгу
zu glätten. »So wie du es gerade darstellst, ist es nun auch wieder nicht.«

      »Ach nein? Wie ist es denn dann? Wobei: Ich frage mich gerade, ob mich das überhaupt noch interessiert. Irgendwie könnt ihr mich so langsam alle mal. Ich brauche jetzt dringend frische Luft. Wenn ihr euren Mumm wiedergefunden habt, könnt ihr mich ja vor der Tür besuchen kommen.«

      Damit rauschte sie hinaus. Die Haustür fiel hinter ihr dermaßen heftig ins Schloss, dass im Wohnzimmer die Fensterscheiben bebten. Tom und die Männer sahen ihr mit offenem Mund hinterher.

      *

      Sandra lehnte sich mit dem Rücken an die Außenwand des Hauses und schloss die Augen. Ihr Körper bebte. Sie versuchte, bewusste, tiefe Atemzüge zu machen, um sich wieder zu beruhigen, aber es wollte ihr einfach nicht gelingen.

      Was dachten sich diese drei Holzköpfe nur? Hatte ihnen die scheinbare Sicherheit das Gehirn vernebelt? Es war doch nur eine Frage der Zeit, bis auch hier wieder Zombies auftauchen würden. Irgendwann würden sie deren schierer Anzahl nicht mehr widerstehen können, und dann war alles umsonst gewesen.

      Herrgottnochmal! Auf was hatte sie sich da nur eingelassen? Sandra verstand sich selbst nicht mehr. Sie und Kinder hüten, das passte ja wie die Faust aufs Auge! Kein normaler Mensch würde jemandem wie ihr seine Kinder anvertrauen, nicht einmal für fünf Minuten. Und verdammt, die Leute hatten recht!

      Hätten sie zumindest, wenn das hier noch normale Zeiten wären. Waren sie aber nicht, ätsch!

      Ätsch?!?

      Sandra schüttelte unwillig den Kopf. Was war auf einmal mit ihr los? Verlor sie den Verstand? Fühlte es sich etwa so an, wenn sich ein Teil des Ichs vom Rest abspaltete und damit begann, ein Eigenleben zu führen? Tauchten dann in den eigenen Gedanken plötzlich Wörter auf, die man gar nicht hatte denken wollen und die nicht wirklich passend waren?

      Sandra fand den Gedanken faszinierend, dass in ihr ein böser Zwilling erwachen könnte. Dieser würde immer dann die Kontrolle übernehmen, wenn es brenzlig wurde. Er wäre tough, würde ohne mit der Wimper zu zucken die richtigen Entscheidungen fällen, egal wie hart diese auch sein mochten. Und sie konnte dann endlich das brave Mädchen sein, die angesehene und ruhige Bürgerin, die freundlich zu den Menschen und bei allen beliebt war.

      Ein Kichern stieg Sandras Kehle empor. Aber es klang nicht heiter, sondern irgendwie kratzig und auch viel zu schrill. Es erinnerte an eine alte Hexe, die gerade dabei war, den Kessel für die frisch gemästeten Kinder anzuheizen.

      Da waren sie schon wieder, diese unpassenden Gedanken! Sandra schüttelte erneut den Kopf, aber diese hielten sich hartnäckig darin fest.

      Selbstmord, was war damit? War das vielleicht eine Lösung? Einfach die Pistole an den Kopf ansetzen, abdrücken, und alles wäre vorbei. Schluss. Aus. Ende. Einfach so.

      Aber was wurde dann aus den Kindern? Richtig, die Kinder! Nur wegen ihnen nahm sie das alles hier auf sich. Alleine hätte sie vermutlich viel bessere Chancen. So war es bisher immer gewesen. Sandra konnte sich auf sich selbst verlassen, jemand anderen brauchte sie nicht. Früher nicht, und jetzt auch nicht.

      Ein Geräusch schreckte sie aus ihren Gedanken auf.

      *

      »Sandra, wir sind soweit.« Das war Martins Stimme.

      Die Angesprochene schaute hoch. In ihrem Gesicht schien es für einen Moment zu flackern, dann sah sie wieder aus wie immer.

      »Habt ihr euch also doch eines Besserem besonnen, ja?«

      »Nenne es wie du willst.« Auf Martins Stirn bildete sich eine Unmutsfalte. »Wichtig ist erst einmal nur, dass wir alle zusammenbleiben.«

      »Schafft du das denn, mit uns mitzuhalten?« Sandra taxierte ihn mit einem eisigen Blick. »Aber wenn ich es mir recht überlege, sollten wir dich auf jeden Fall mitnehmen.«

      »Weil ich mich bisher bewährt habe?«

      »Nein, weil wir dich prima brauchen können, wenn uns das nächste Mal eine Horde Untoter nachjagt. Wir könnten dich dann zum Beispiel einfach liegen lassen, wenn du wieder einen Turkey-Schub bekommst, sozusagen als kleinen Snack. Das würde sie bestimmt ein paar Minuten aufhalten und unseren Vorsprung sichern.«

      »Ich weiß zwar nicht, was ich dir getan habe, aber ich gewöhne mich langsam daran, wie du mich behandelst. Tu mir aber bitte wenigstens den Gefallen, und sei nett zu den Kindern, okay?«

      »War ich das jemals nicht?«

      »Zumindest warst du ihnen gegenüber nicht unfreundlich. Für deine Verhältnisse warst du also vermutlich nett zu ihnen.«

      »Bevor du anfängst zu flennen, gehe ich lieber meine Sachen holen. Und du solltest das ebenfalls tun, wenn du mitkommen willst, denn wir brechen jetzt auf.«

      *

      Gut eine halbe Stunde später hatten sie den Ortsrand von Kerpen erreicht. Gabi bekam nur mühsam Luft und musste immer wieder stehenbleiben, um Atem schöpfen zu können. Martin hatte versucht, sie zu tragen, das Unterfangen dann aber schnell aufgeben müssen, da auch er erheblich geschwächt war. Er hatte damit gerechnet, dass von Sandra wieder ein spitzer Kommentar kommen würde, diese hatte die Situation jedoch zur Überraschung aller achselzuckend akzeptiert.

      Sandra hatte eigentlich vorgehabt, die kürzeste Strecke zu nehmen und die Wege zwischen den Feldern zu benutzen. Nun kamen ihr Zweifel, den speziell an den Stellen, wo der Mais noch nicht abgeerntet war, bot sich das Gelände höchst unübersichtlich dar. Für die Zombies war das geradezu ideal, um sich auf die Lauer zu legen.

      Während sie noch zögerte, tauchte etwa hundert Meter vor der Gruppe ein weißer Hund aus einem seitlichen Feldweg auf. Dort blieb er stehen und sah die Pilger an.

      »Da ist der Köter schon wieder«, sagte Sandra mehr zu sich selbst.

      »Du glaubst also inzwischen auch, dass es immer derselbe ist?« Tom sah sie fragend an.

      »Was ich glaube, spielt keine Rolle. Und ebenso egal ist es, ob es immer der gleiche Wauwau ist, oder ob dessen Mutter ein ganzes Rudel davon in die Welt gesetzt hat, das nun über die Gegend verstreut lebt.«

      »Bislang sind immer arme Seelen aufgetaucht, wenn der Hund in der Nähe war.« Patrick fuhr sich nachdenklich mit der Hand über das stoppelige Kinn, was ein schabendes Geräusch verursachte.

      »Dann ist er vielleicht mit ihnen im Bunde.« Stephan hob seinen Baseballschläger und machte sich schlagbereit.

      »Nein, ist er nicht.« Tom schien sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein. »Er hat uns bisher immer vor ihnen gewarnt.«

      »Das kann genauso gut ein Trick gewesen sein, um uns in Sicherheit zu wiegen«, knurrte Stephan. »Erst hilft er uns zum Schein zwei- oder dreimal, und am Ende lockt er uns dann in die Falle.«

      »Wir sind uns aber schon einig, dass wir über einen Hund und nicht über einen ausgebufften Superschurken reden, ja?« Sandra sah Stephan von der Seite an.

      »Was weiß denn ich?« Er zuckte mit den Schultern. »Ich konnte Hunde noch nie leiden, also habe ich mich auch nicht mit ihnen beschäftigt. Von daher habe ich keine Ahnung, ob und wieviel so ein Vieh planen oder denken kann.«

      »Vielleicht sollten wir ja versuchen, ihn herzulocken«, schlug Patrick vor. »Der Hund war schon immer der treueste Freund des Menschen, und unserer Gruppe könnte es sicher nicht schaden, auch einen dabei zu haben. Wenn uns der Herr schon dieses Zeichen schickt, sollte wir auch darauf hören.«

      »Ich denke, mit Gott hat das recht wenig zu tun«, zeigte sich Martin deutlich erdverbundener. »Das Tier wird einfach nur Hunger haben.«

      »Die Wege des Herrn sind unergründlich, und wir alle sind seine Diener.«

      Man konnte Martin ansehen, was er davon hielt, aber er zog es vor, diese Meinung für sich zu behalten.

      »Wenn die Herren dann genug philosophiert haben, würde ich gerne weitergehen.« In


Скачать книгу