Resilienz. Linda Graham

Resilienz - Linda Graham


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gewinnen an Stabilität und Stärke, wenn Sie Ihr Verwandtsein mit den Menschen anerkennen, die in demselben Boot wie Sie sitzen – oder die aus demselben Boot wie Sie über Bord geworfen wurden. Sie werden sich der gemeinsamen Humanität Ihrer Situation bewusst. »Ich bin nicht die Einzige. Ich bin nicht alleine.«

      ÜBUNG 2–9: EINER SELBSTHILFEGRUPPE BEITRETEN ODER EINE SOLCHE SELBER GRÜNDEN

      1. Suchen Sie sich eine Selbsthilfegruppe in Ihrem Umkreis für Menschen, die das gleiche Trauma oder ein ähnliches Trauma wie Sie erlebt haben: eine Selbsthilfegruppe für Krebspatienten, für Angehörige von Alzheimererkrankten oder für Eltern, die ein Kind durch Gewalt, Krankheit oder eine Naturkatastrophe verloren haben. Sie erhalten Unterstützung, Ermutigung und lernen Vorbilder kennen, die wissen, was Sie gerade durchmachen, ohne dass Sie irgendetwas sagen, rechtfertigen oder erklären müssten. Dies sind Menschen, die, mit den Worten von Brené Brown, »das Recht verdient [haben], Ihre Geschichte zu hören«. In der Gemeinschaft mit sicheren anderen zu sein stärkt den sozialen Vagus einer jeden. Sie helfen einander, Ihre Emotionen zu regulieren, gerade, indem Sie sich gegenseitig unterstützen.

      2. Gibt es eine solche Selbsthilfegruppe nicht, dann gründen Sie eventuell eine. Die 84-jährige Mutter einer Freundin von mir zog in ein Altersheim, nachdem ihr Mann nach 62 gemeinsamen Jahren verstorben war. Sie gründete dort eine Selbsthilfegruppe für kürzlich Verwitwete in ähnlicher Situation. Geschichten zu teilen und Hilfe anzubieten machten einen ansonsten schmerzlichen Übergang leichter.

      3. Jahrzehnte an Studien in der Verhaltensforschung bestätigen den Nutzen von Selbsthilfegruppen. Aber den Kontakt zu vielen Menschen zu suchen ist eine großräumigere Erfahrung neuer Konditionierung. Wenden Sie auch hier das Prinzip des Wenig und Oft an. Fragen Sie Freunde, ob sie eine geeignete Gruppe empfehlen können. Gehen Sie zu einem Treffen, um zu sehen, ob diese Erfahrung für Sie hilfreich ist. Vielleicht lassen Sie sich beim ersten Mal von einer Freundin begleiten. Ist die Gruppe das Richtige für Sie, dann gehen Sie bitte weiter hin. Wenn nicht, dann versuchen Sie bitte, Ihre Erfahrungen nur mit einer anderen Person zu teilen.

       Rekonditionierung

      Jedes Mal, wenn Sie Ihren Körper bewegen und Ihre Haltung ändern, ändern Sie Ihre Physiologie. Jedes Mal, wenn Sie Ihre Physiologie ändern, ändern Sie die Aktivität und den Zustand Ihres vegetativen Nervensystems. Sie können diese Veränderung selber erleben:37 Legen Sie einen Bleistift zwischen Nase und Oberlippe (dazu müssen Sie mithilfe Ihrer Gesichtsmuskeln die Stirn runzeln). Legen Sie ihn dann zwischen Ihre Zähne (dazu müssen Sie mithilfe Ihrer Gesichtsmuskeln lächeln). Bemerken Sie, wie sich das forcierte Stirnrunzeln und das forcierte Lächeln anfühlen, und den Unterschied zwischen beiden. Mit etwas Übung können Sie den Wechsel in Ihrem inneren Zustand durch die Veränderung Ihrer Physiologie bemerken. (Danke sehr, Dan Siegel, für diese Übung!) Sie können diese Art von Rekonditionierung – die Gegenüberstellung von negativen und positiven körperlichen Bewegungen – anwenden, um zum physiologischen Fundament Ihrer Resilienz zurückzukehren. Und während dieses Prozesses verdrahten Sie vielleicht sogar die Erfahrungen Ihrer physischen Zustände neu.

      Ebene 1: Nur ein kleines Ungleichgewicht

      Die nachfolgenden Übungen sind einfache Werkzeuge mit großer Wirkung. Üben Sie wenig und oft, um neue Leitungsbahnen in Ihrem Gehirn zu erzeugen.

      ÜBUNG 2–10: EINEN MOMENT DER ENTSPANNUNG GENIESSEN38

      Lassen Sie Ihren Körper seufzen: Atmen Sie tief aus und lassen Sie dabei die Anspannung in Ihrem Körper los. Ein tiefer Seufzer (oder mehrere) ist die natürliche Art des Körpers, sein Nervensystem zurückzusetzen. Üben Sie, indem Sie auf jeden Moment der Anspannung, auch beängstigende Momente, mit einem bewussten Seufzen reagieren, um Ihre Physiologie in einen entspannteren Zustand zu versetzen.

      Die Kopplung von angespannten und entspannten Zuständen dann, wenn der entspannte Zustand stärker ist, stärkt den »Muskel« Ihrer Vagus-Bremse und ermöglicht selbst in angespannten Momenten mehr Ruhe.

      ÜBUNG 2–11: PROGRESSIVE MUSKELENTSPANNUNG39

      Da wir nicht gleichzeitig das sympathische und das parasympathische Nervensystem aktivieren können, kann unser Körper nicht gleichzeitig angespannt und entspannt sein. Die progressive Muskelentspannung aktiviert den Parasympathikus und dient der schrittweisen Entspannung des gesamten Körpers. Die nachfolgende Anleitung funktioniert von den Füßen zum Kopf. Sie können sie aber auch andersherum machen. Die gesamte Übung dauert circa sieben bis zehn Minuten und kann im Liegen oder Sitzen gemacht werden.

      1. Fangen Sie an, indem Sie die Zehen des rechten Fußes krümmen. Halten Sie diese Anspannung und zählen Sie bis sieben. Lösen Sie dann die Anspannung und strecken die Zehen. Zählen Sie bis fünfzehn. Krümmen Sie danach das rechte Fußgewölbe, als wollten Sie Ihren Fuß vom Körper weg strecken. Halten Sie diese Anspannung und zählen Sie bis sieben. Entspannen Sie den Fuß wieder und zählen Sie bis fünfzehn. Beugen Sie den Fuß und ziehen Sie die Zehen zum Schienbein hin. Halten Sie diese Anspannung und zählen Sie bis sieben. Entspannen Sie den Fuß und zählen Sie bis fünfzehn.

      2. Beim Anspannen bis sieben und beim Entspannen bis fünfzehn zu zählen stellt sicher, dass Sie sich länger entspannen als anspannen. Das gehört zum Rekonditionierungsprozess. Zählen hält Ihr Gehirn auch davon ab, in den Standardmodus von Sorge und Grübelei zu wandern. Wenn Sie beim Anspannen einatmen und beim Entspannen ausatmen, schalten Sie den Parasympathikus mehr als den Sympathikus ein und bringen so mehr Ruhe in Ihren Körper.

      3. Fahren Sie damit fort, andere Körperbereiche anzuspannen und zu entspannen und beim Anspannen einzuatmen und bis sieben und beim Entspannen auszuatmen und bis fünfzehn zu zählen. Spannen Sie Ihre rechte Wade an und entspannen Sie sie, dann den rechten Oberschenkel, die rechte Hüfte und danach das rechte Gesäß. Spannen Sie nun Ihre linken Zehen an und entspannen Sie sie wieder, dann den linken Fuß, die linke Wade, den linken Oberschenkel und danach die linke Hüfte und das linke Gesäß. Spannen Sie Ihren Rumpf an und entspannen ihn wieder, dann den Hüftbereich, den Bauch und im Anschluss die Muskeln im Rippen- und im Wirbelsäulenbereich. Spannen Sie die Finger jeder Hand an und entspannen Sie sie wieder, dann die Handflächen, die Handgelenke, die Unterarme, die Ellbogen, die Oberarme, die Schultern und zuletzt den Nacken. Spannen Sie danach alle Gesichtsmuskeln an und entspannen Sie sie wieder – Kiefer, Hals, Lippen, Wangen, Ohren, Augen, Nase, Stirn.

      4. Beenden Sie die Übung mit einem tiefen Seufzer. Verweilen Sie eine ganze Minute lang in diesem entspannten Zustand.

      Probieren Sie diese Übung abends aus: Sie ist eine hervorragende Einschlafhilfe.

      ÜBUNG 2–12: YOGA – KIND-HALTUNG

      Eine der unter Yoga-Lehrerinnen beliebtesten Asanas oder Haltungen zur Entspannung oder Regeneration ist Balasana oder »Kind-Haltung«.Nach einer 45- oder 90-minütigen Yogastunde, in der die Praktizierende den Körper durch viele verschiedene Haltungen mit begleitenden Atemübungen geführt hat, darf sie sich ausruhen und all die körperliche Aktivität nun in einem entspannten, kohärenten Ruhezustand zusammenführen, der den Geist nährt und den Körper entspannt. Aber Sie können diese Haltung zur bewussten Entspannung von Körper und Geist auch dann einsetzen, wenn Sie nie Yoga praktizieren.

      1. Stehen Sie auf einer Yogamatte, dem Teppich oder auf einer gepolsterten Unterlage.

      2. Gehen Sie auf alle viere. Hände und Knie stützen Ihren Körper in einer »Tisch«-Position.

      3. Lehnen Sie sich zurück. Strecken Sie das Gesäß zu den Füßen und senken Sie es auf die Fersen hinunter (oder auf ein zwischen Gesäß und Fersen gelegtes Kissen). Ihre Arme sind natürlich nach vorne ausgestreckt. Legen Sie die Stirn auf den Boden (oder auf ein Kissen).

      4. Entspannen Sie sich und ruhen Sie in dieser Haltung zwei oder drei Minuten lang. Atmen Sie sanft ein und aus, richten Sie Ihren Geist auf die Leichtigkeit in Ihrem Körper aus.

      5. Sie können die Kind-Haltung nach jeder Art der körperlichen Betätigung einnehmen (oder nach einem langen Tag). Die Entspannung im Körper zu erleben hilft Ihnen, sich in Ihrer natürlichen Resilienzbasis zu verankern.

      Ebene


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