EINSICHT in UNerhörtes. Dr. Manfred Nelting

EINSICHT in UNerhörtes - Dr. Manfred Nelting


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der Name Blue Zones. Der Amerikaner Dan Buettner, Geograf, Journalist und Autor, untersuchte diese Gegenden, die Menschen, die dort lebten, und ihre Lebensbedingungen und Lebensstile systematisch und begründete das Konzept der Blue Zones.

      Übrigens fand man in sardinischen Dörfern, dass es dort auch eine deutlich erhöhte Zahl von hundertjährigen Männern gab, sich die Lebenserwartung von Männern und Frauen dort fast angeglichen hatte. Sonst ist die Lebenserwartung von Frauen ja einige Jahre höher als die von Männern.

      Die Lebensweise in den Blue Zones ist hier exemplarisch zusammengefasst:

       Lebensstile in den Blue Zones

      •Arbeit im eigenen Tempo, sich Zeit lassen, Auszeiten, kein Ruhestand im Alter

      •Viel natürliche Bewegung am Tag, insbesondere bei der Arbeit, Tänze, Sport eher nicht

      •Persönliche gute sinnhafte Gründe morgens aufzustehen, auch im hohen Alter

      •Viele soziale Kontakte in familiäre Bindungen und Gemeinschaften, Rituale, viel Kontakt der Alten mit den Kindern

      •Freunde und dabei gute Wahl richtiger und passender Freunde, also Freunde, die durchs Leben begleiten

      •Maßvolles Essen: vorrangig Obst, Gemüse (Bohnen), Nüsse/Samen, Olivenöl, Wein in Maßen

      •In den Bergen auch etwas Schaf-/Ziegenfleisch, am Meer Fisch.

      Abb. 4: Merkmale der Lebensstile in den Blue Zones

      Es sind Lebensstile, die zur Natur und Physiologie des Menschen gut passen. Und sie bewirken Folgendes:

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      Abb. 5: Wirkungen von zu Natur und Physiologie des Menschen passenden Lebensstilen

      Interessanterweise haben diejenigen alten Menschen auf der Halbinsel Nicoya in Costa Rica die längsten Telomere und werden entsprechend auch am ältesten in guter Gesundheit, die täglich mit kleinen Kindern zusammenkommen bzw. leben. Dies sind Hinweise, die wir auch in Deutschland sinnvollerweise beachten könnten für gute Kontakte der Alten mit Kindern, z. B. bei der Architektur und Stadtplanung (Altenheime und Kindergärten in Sicht- und Laufnähe).

      Wir sprechen bei einer gesundheitsförderlichen Lebensweise auch von Lebenspflege, die von mir exemplarisch dargestellt ist und die natürlich jeder für sich aufstellen bzw. modifizieren kann und dies bei Interesse auch tun wird.

      Heutzutage unterscheiden sich die meisten Lebenssituationen stark von den Möglichkeiten in den Blue Zones, aber die Lebenspflege kann sich bei der Umsetzung doch daran orientieren.

      Die auch zur Lebenspflege heute gehörende souveräne Mediennutzung beschreibe ich genauer in Kapitel 5.

       Krankheitsförderliche Lebensweise

      Was bringt uns aus dem Gleichgewicht und führt so zu einer krankheitsförderlichen Lebensweise?

      Gegenspieler der Balance bei dauernder Einwirkung:

      •Dauer-Stress, Ängste

      •Sozialvergleich, soziale Ungerechtigkeit

      •Krankheitsförderliche Ernährung bei sitzender Lebensweise

      •Einschränkung der Körperwahrnehmung mit Entäußerung (Exo-Skelett durch „Experten“)

      •Alltage, die „pausenlos, schlaflos, bewegungslos, maßlos, sinnlos, bodenlos, bindungslos, atemlos“ sind.

      Diese Themen werden wir noch ausführlich bei dem Fokus auf die Situation der Kinds-Eltern und auf die Bedeutung von Dauer-Stress und Burn-out bei den Eltern anschauen.

       Die epigenetische Bedeutung von Lebensstilen

      Die Lebensgewohnheiten haben nun eine zentrale Wirkung auf die Physiologie des Körpers und speziell des Gehirns, derart, dass die gewählte oder geforderte Nutzung der körperlichen und psychischen Herausforderungen über eine längere Zeit Informationen für die Zellen und die Gene in den Zellkernen darstellen. Dort wird dann über mehrere Zwischenschritte durch Enzyme und Botenstoffe festgestellt, dass einige Eiweiße wenig genutzt wurden, die Produktion also offensichtlich eher unwichtig ist, bei anderen quasi ein Mangel herrscht und mehr angefordert ist.

      Da die Gene für die Eiweißproduktion von z. B. Enzymen zuständig sind, bedeutet das, dass die Arbeit einiger Gene abgeschaltet oder gedrosselt wird, andere Gene dagegen angeschaltet bzw. zur verstärkten Arbeit angeregt werden. Das nennt man Epigenetik, weil dies von speziellen Botenstoffen um die Gene herum bewirkt wird, und zwar sehr spezifisch und passgenau.

      Die Epigenetik bestimmt sozusagen das Muster der aktiven und passiven Gene und reagiert empfindlich auf den Lebensstil. Einfach dargestellt wird das Leben dann auf epigenetischer Ebene in der Summe lebensförderlich oder auch vielfach bei unserer heutigen westlichen Lebensweise krankheitsförderlich geschaltet.

      Das eröffnet uns einerseits großartige Möglichkeiten, ist auch eine Grundlage des Satzes: „Jeder ist seines Glückes Schmied.“ Wir dürfen aber diesen Satz natürlich nicht als Begründung benutzen, um Menschen in schwierigen sozialen Situationen Selbstverschuldung vorzuwerfen, statt gemeinwohlorientiert zu handeln. Aber wir haben doch viel in der Hand, können vieles beeinflussen, müssen auch mit den Folgen leben, wenn wir unsere Physiologie krankheitsförderlich bedrängen bzw. die Herausforderungen mit unseren Mitteln und Ressourcen nicht bewältigen können.

      Allerdings wissen wir auch bei der Epigenetik noch nicht genug, um alles gut steuern zu können, wir können lebensförderlich handeln, sollten aber auch demütig bleiben, weil das Leben manchmal auch Krankheiten für uns bereithält, die trotz bestem gesundheitsförderlichem Bemühen entstehen und dies für uns eben unerklärlich bleiben kann.

      Und von einer epigenetischen Kontrolle einzelner Gene sind wir in den meisten Fällen noch weit entfernt. Aber wir wissen mittlerweile, dass lebensförderliche Lebensstile funktionieren, sich also epigenetisch in den meisten Fällen sehr günstig auswirken.

      Was ebenfalls sicher ist:

       Das Beste für Kinder ist es, wenn es den Eltern gut geht! Am besten schon vor der Empfängnis!

       1.7 Die Dunedin-Studie zur Selbstkontrolle

      Ich möchte hier jetzt noch abschließend für dieses Kapitel eine Studie anführen, die die ganze Bedeutung einer hinreichend gesunden Hirnentwicklung mit guter Ausbildung der Selbststeuerungs-Funktion zeigt. Diese Studie hat hohe Beachtung und Anerkennung in der Wissenschaft gefunden. Solche Langzeitstudien mit einer Beobachtungszeit über mehrere Jahrzehnte sind ungemein wichtig und bringen besondere Zusammenhänge zutage.

       Die Studie

      1972 startete an der medizinischen Universität-Klinik in Dunedin in Neuseeland ein Langzeitprojekt der Abteilung für Präventiv- und Sozialmedizin der Universität von Otago (Studienleiter Richie Poulton), das über mehrere Jahrzehnte angelegt war.4 Alle in der Stadt innerhalb eines Jahres geborenen Kinder (Anzahl ca. 1.000 Kinder) wurden erfasst. Alle diese Kinder wurden von Ärzten und Psychologen regelmäßig (alle zwei Jahre) in den ersten elf Jahren einen ganzen Tag lang im Beisein der Eltern untersucht. Nachfolge-Termine gab es im Jugendalter und zum Abschluss mit 32 Jahren. Das Ziel der Studie war es, die Entwicklung der Selbstkontrolle zu beobachten und zu sehen, wie sich dies im weiteren Leben im Jugendlichen-Alter und als Erwachsene auswirkt.

      Sozioökonomischer Status, ADHS-Diagnosen und Geschlechter-Differenzen konnten statistisch herausgerechnet werden.


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