Die Tränen der Rocky Mountain Eiche. Charles M. Shawin

Die Tränen der Rocky Mountain Eiche - Charles M. Shawin


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nötige Holz in der Sägemühle, holte es mit dem Fuhrwerk ab und sorgte für einen genügenden Vorrat an Nägeln, Dollen, Klammern und Bolzen. Schließlich vertraute ihm der alte Blackmore so sehr, dass es Cuthbert leicht fiel, ihm die Unterschriftsvollmacht abzuschwatzen, und fortan nahm er Aufträge selbständig entgegen.

      Tatsächlich schien es, als fände er Gefallen an der täglichen Arbeit. Er schaffte es auch, den Brüdern Wiley Aufträge abzuluchsen, indem er direkt an die Neuankömmlinge herantrat, um ihnen seine Dienste anzubieten und nicht erst zu warten, bis sie zu ihm kamen. Schließlich hatte er so viel erwirtschaftet, um einen neuen Mann einstellen zu können: Ben Bennry.

      Bennry war aus Boston zugezogen und lebte erst seit wenigen Wochen in St. Louis, wo er bei seiner Tante untergekommen war. Trotz seiner erst vierundzwanzig Jahre erwies er sich als sehr geschickt und durfte schon bald neben John Higgens die Hauptarbeit leisten, während Dave kurzerhand dazu degradiert wurde, Balken zu schleppen oder Bretter anzunageln.

      Mr Hastings Blackmore zog sich fast vollständig zurück. Das Rheuma, das ihm oft unerträgliche Schmerzen aufbürdete, machte die schwere Arbeit unmöglich. Er beschränkte sich deshalb auf das Berechnen des nötigen Holzes.

      Doch Cuthberts Eifer währte nicht lange. So, wie er aufgeflammt war, so verlosch er wieder. Immer seltener erschien Cuthbert auf der Baustelle. Dave musste sich dann um fehlende Bretter oder Nägel kümmern. Während Cuthbert die Arbeit und das damit verdiente Geld scheinbar gleichgültig wurden, waren sie Dave ganz und gar nicht egal. Er bekam inzwischen einen geringen Lohn – Mr Blackmore bestand darauf, obwohl Dave noch immer bei ihnen aß –, und sicher hätte er auch woanders Arbeit und sein Auskommen gefunden. Für Mr und Mrs Blackmore aber bildete die Zimmerei die einzig mögliche Einkommensquelle. Ohne sie konnten sie nicht leben. Ihnen zuliebe versuchte er, so viel und so gut wie möglich zu arbeiten, und wenn Cuthbert weg war, um unten am Pier oder im Saloon herumzuhängen und zu saufen, übernahm er dessen Aufgaben.

      Am 10. August 1830 starb unerwartet und plötzlich Mrs Ashley Blackmore an Herzversagen. Hastings Blackmore weinte, weil er ihr wegen seiner rheumatischen Finger nicht einmal ein Kreuz in den Ahornsarg schnitzen konnte. In den letzten Monaten hatte Ashley ihr Unrecht eingesehen, als sie Cuthbert dauernd verteidigt hatte, und Hastings hatte seine Frau von ihrer liebenswerten Seite kennengelernt. Vielleicht schenkte er ihr deshalb ein letztes Mal den Luxus, mit dem sie sich ein Leben lang so gern umgeben hatte. Er ließ ihr ihr schönstes Kleid anziehen, die goldene Haarnadel in den Dutt stecken, wobei ihm Mrs Clara Gardner behilflich war, und bezahlte einen horrenden Preis für die Samtauslegung des Sargs.

      Als dann seine Frau in die trockene Erde gelassen wurde, weinte dieser Berg von einem Mann.

      Cuthbert weinte nicht, aber sein Gesicht war aschfahl und seine Hände zitterten. Dave hatte ihn die letzten zwei Tage nicht gesehen. Nun stand er angetrunken am offenen Grab, stank nach Whiskey und Rauch und schwankte so sehr, dass die neben ihm Stehenden befürchteten, er stürze in die offene Grube. Sein Vater warf ihm deshalb hasserfüllte Blicke zu.

      „Weißt du, mein Junge”, sagte Hastings Blackmore am Abend nach der Beerdigung zu Dave, „im Grunde war Ashley eine gute Frau. Vielleicht war sie nur so zänkisch, weil sie sich Sorgen machte. Ich glaube auch, dass sie eifersüchtig auf deine Mum war, wenn auch grundlos. Na ja, und ich war auch nicht immer anständig zu ihr. Manchmal bin ich einfach fort und tat Sachen, die ihr bestimmt nicht gefallen hätten.”

      „Ich weiß”, sagte Dave.

      Mr Blackmore sah ihn erstaunt an, aber er fragte nicht. Er wollte nicht wissen, wie es Dave erfahren hatte, er war ihm aber sehr dankbar, weil er Ashley gegenüber nie etwas erwähnt hatte.

      Er sagte nur: „Manchmal macht man Sachen, die einem später leid tun. Ich wünschte, Ashley könnte mir noch verzeihen. Jetzt ist es zu spät. Ist es nicht seltsam, dass man einen Menschen erst richtig liebt, wenn er fort ist?” Er weinte wieder.

      Dave tat es im Herzen weh, einen Mann wie Hastings Blackmore, der ihm zum Vater geworden war, weinen zu sehen.

      „Aber Sie haben doch noch Cuthbert”, versuchte er Mr Blackmore zu trösten.

      Der alte Zimmermann hob müde den Kopf und sah ihn mit Augen an, die jeden Glanz verloren hatten, die leer und ausdruckslos waren.

      „Ich hab nur noch dich, Dave”, sagte er.

      Die bittere Wahrheit, die dahinter steckte, erahnte Dave nur.

      Welch große Lücke Mrs Blackmore hinterließ, bekamen beide schon bald zu spüren. Mr Blackmore wurde mürrisch und an manchen Tagen richtig unausstehlich. Einen Teil trug wohl auch das Rheuma bei, das ihn mit fortschreitendem Stadium mehr quälte. Weil er fast nichts mehr anfassen konnte, ohne dass es zu Bruch ging, oblag es Dave, den Haushalt zu versorgen, das Essen zuzubereiten – falls welches zur Verfügung stand –, die Tiere zu versorgen und die Wäsche zu waschen. Doch es schien, als fände Gott Gefallen an ihrem Leid, und wie ein böser Fluch zog ein Unglück das andere nach sich.

      Den Sommer über brachte Cuthbert nur wenige Aufträge. Dave verstand es deshalb, dass auch John Higgens ging, um bei den Wileys ein neues Einkommen zu finden. Nun waren er und Ben Bennry allein. Bennrys Bruder war aus Boston nachgekommen und hatte in der Nähe Farmland erworben. Von den Erträgen gab er Ben ab, er brauchte sich also um den Winter nicht zu sorgen. Aber Mr Blackmore sah der Zeit, in der ein Zimmermann nicht arbeiten konnte, mit Angst entgegen. Seine Ersparnisse waren fast aufgebraucht, und er fürchtete schon, sein Haus verkaufen zu müssen. Auch Dave besaß nichts mehr, womit er beide hätte durchbringen können.

      Manchmal, wenn er bei Mr Blackmore in der Küche saß, nahm Dave die Kentucky-Büchse vom Haken. Dann fuhr er mit der flachen Hand verträumt über den geschliffenen Lauf, besah den polierten Ahornschaft und die feinen Schrammen, die der jahrelange Gebrauch hinterlassen hatte, und erinnerte sich mit Wehmut an längst vergangene glückliche Tage.

      Doch dann erschien Cuthbert an einem Sonntagmorgen im November überraschend in Daves Hütte. „Komm mit!”, rief er nicht unfreundlich zur Tür herein.

      „Was willst du?”, fragte Dave barsch. All die Jahre hatte er sich herumkommandieren und demütigen lassen. Vom Sohn des Chefs hatte er ja noch Befehle akzeptiert, jetzt aber war Cuthbert nichts weiter als ein trinkender Taugenichts.

      „Wirst es erfahren”, meinte Cuthbert nur. Seine Augen, die gerötet vom Alkohol waren, leuchteten vor stolzer Freude.

      Ein letztes Mal, dachte Dave. Er zog sich seine Schafwolljacke über und folgte Cuthbert.

      Die Luft draußen war unangenehm kühl, und über der Stadt hingen graue Wolken, die aussahen wie eine riesige, schmutzige Daunendecke. Dünner Graupel sank schwer zu Boden. Der November nahm den Häusern den Glanz, sie wirkten farblos und traurig; die

      Menschen, so weit sie sich bei diesem Wetter ins Freie wagten, waren in schwere Mäntel gehüllt und zogen ihre Hüte tief ins Gesicht.

      Dave stampfte Cuthbert hinterher, die Hauptstraße hinauf, die jetzt ein einziges Matschfeld war, dann hinunter zum Missouri. Sie verließen die Stadt und folgten dem Fluss westwärts. Nach gut fünf

      Minuten erreichten sie Phil Stufords Hufschmiede.

      Das Ufer erhob sich hier sechs Fuß hoch, fiel aber flach zum Fluss hin ab. Etwa hundert Yards vom Fluss entfernt stand das steinerne Wohnhaus, daneben der Stall, die Scheune und die Schmiede. Zu dem Anwesen gehörte etwas Land, das Stuford als Weide für seine zwei Milchkühe und ein Dutzend Schafe genutzt hatte. Die Tiere waren jetzt verschwunden, der Stall und die Scheune leer, das Feuer der Esse verloschen. Vor vier Monaten war der Hufschmied an Typhus gestorben. Seine Frau hatte zwei Wochen danach das Vieh, das Land und die Gebäude verkauft und war mit ihren zwei Kindern nach

      Mobile, ihrem Geburtsort, gezogen.

      Schmieriger Graupel hatte in einer dünnen Schicht den Boden und die Gebäude bedeckt. Das dämmrige Licht und die düsteren Wolken im Hintergrund verliehen allem eine gespenstische Atmosphäre. Vor dem einstöckigen Wohnhaus stand ein angespannter Tilbury, auf dessen Ledersitzen der Graupel herunterlief und sich zu Wasserpfützen sammelte.

      Den


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