Die Badenfahrt. David Hess

Die Badenfahrt - David Hess


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wir denn froh sein, dass wenigstens Herr Egloff nach dem Verhältnis seiner Kräfte etwas Besseres als das bisher Bestandene aufgestellt hat.

      Und nun, da wir nach einem langen kritischen Spaziergang durch alle Bäder und Anstalten endlich spät und müde wieder in unserem Hinterhof angelangt sind, wollen wir uns auskleiden, auf unsere Betten hinlegen, und unter den Schreck- und Finsteraarhörnern unserer Federdecken so sanft als möglich dem kommenden Tag, mit welchem unser Badleben eigentlich erst beginnen wird, entgegenschlummern.

      DIE TAGWACHE

      In Pyrmont wird der Kurgast alle Morgen von einer Oboistengesellschaft aufgeweckt, welche ihn am Eingang der Allee mit lieblichen Harmonien zur sprudelnden Quelle ruft. Hier ist es anders. Der Gänsejunge öffnet früh das kleine Tor, das auf die Matte geht, und dann unter dem Fälklein die Ställe des Federviehs. Als ob das Capitol in Gefahr wäre, drängen sich einige Hundert Gänse und Enten hervor, erheben sämtlich ihre Stimmen und verbreiten sich auf dem Platz mit gellendem Geschnatter. Das ist die Tagwache, welche den Morgenschlaf aus dem Hinterhof verbannt. Nachdem die verschiedenen alten und jungen Familien aus dem Geschlecht der gelben Breitschnäbel einander weitläufig begrüsst, gemustert und auf dem Hofe sich gehörig umgesehen, ob aus dem Kehricht kein Stoff zur Unterhaltung aufzuschnobbern sei, so watschelt die gesprächige Gesellschaft früher oder später, je nachdem die Ausbeute reichhaltiger oder kärglicher ist, gegen das Tor, begibt sich auf die Matte und sucht dort Zeitvertreib und Nahrung im Grünen. Diese Szene ist eine Art von Prolog zu dem Schauspiel, welches gewöhnlich einige Stunden später an der nämlichen Stelle von ehrbaren Frau Basen und Muhmen aufgeführt wird. Wer auch durch diese Gänsesymphonie aus dem Schlafe geweckt, sich demselben noch gern auf eine Weile hingeben möchte, der wird durch die Bäckerinnen, welche mit Tagesanbruch aus dem Städtchen herabkommen, alle Türen bestürmen und ihre Eierweggen, ihre Rahmpastetchen, die beliebten Chräbeli und besonders die hochgefeierten Spanischbrötchen mit Ungestüm feilbieten, alle Augenblicke wieder wach gepocht. Wo nicht gleich Antwort gegeben wird und die Türe nicht abgeschlossen ist, treten diese Weibsleute mit ihren gepuderten Haaren, deren Geflecht hinten mit silbernen Nadeln in Gestalt eines Löffels aufgeheftet ist (wenn sie nicht etwa schon das Nationalkostüm der neueren Mode geopfert haben), ohne Umstände ins Zimmer, preisen ihre Ware an und lassen sich nur mit Not abweisen. So wird auch der Langschläfer früh genug auf und ins Bad getrieben; ein Zeitgewinn, dessen er sich den ganzen Vormittag zu erfreuen hat.

      DAS BAD

      Ich möchte jedem, der sich am frühen Morgen ins Bad begeben will, die bequeme Kleidung empfehlen, deren ich mich seit Jahren zu diesem Behuf bediene. Sie hält warm, ist in einem Augenblick an- und ausgezogen und besteht einzig in einem Kamisol von feinem englischen Flanell für den blossen Leib, einem weiten Strumpfpantalon von dichterem Flanell und einem Schlafrock von ähnlichem Stoff mit weiten Ärmeln, der vermittelst eines hinten befestigten Gürtels vorn mit einem Knopf geschlossen werden kann und einen aufstehenden Kragen hat, der unter dem Kinn eingeknöpft wird. Bei dieser aus nicht mehr als drei Stücken bestehenden Kleidung braucht man weder Hemd noch Strümpfe noch Unterhosen noch Halstuch mitzunehmen, was alles sonst im Badgewölbe herumhängen und nur mühsam wieder angezogen werden müsste. Nach dem Bad ist es auch besser, in lauter Wolle eingewickelt zu sein, deren sanftes Reiben besonders wohltätig auf die Haut wirkt. Den Frauenzimmern würde ich eine ähnliche Bekleidung anraten, wenn sie sich über dergleichen ins Toilettenfach einschlagenden Gegenstände etwas vorschreiben liessen.

      Das Fälklein im Hinterhof.

      So gegen die kühle Morgenluft geschützt, schlüpft man hinab ins Badgewölbe, in welchem selbst man sich unmöglich erkälten kann, weil da die Luft vom Dunst des Wassers immer angenehm erwärmt ist.

      Dem Badwäscher ist deswegen zu empfehlen, dass er die Fenster nur so lange offen lasse, bis die Luft erneuert ist, welches über die Zeit geschehen kann, wo er das Bad bereitet, und da dieses wohl auf der Stelle wärmer, aber nicht kälter gemacht werden kann, wenn man nicht gewöhnliches Wasser aus der Limmat beimischen will, so muss es sechs bis acht Stunden, ehe man sich desselben bedienen will, gefüllt sein, und sich bis auf etwa 23 Grad Réaumur durch Verdunstung abkühlen können.

      Ob das Bad in der Zwischenzeit von keinem ungebetenen Gast gebraucht worden, lässt sich an einem dünnen Häutchen erkennen, welches vermutlich von der Einwirkung der atmosphärischen Luft auf das Wasser gebildet, auf dessen Oberfläche schwimmt und von der leisesten Berührung verletzt wird. Es sieht demjenigen ähnlich, welches auf dem künstlichen Kalkwasser entsteht, wenn dieses einige Zeit der Luft ausgesetzt war, und mag einige äusserst feine Schwefelblumenteilchen enthalten.

      Da man bei verschiedener Lufttemperatur den Wärmegrad des Wassers unmöglich durch das blosse Gefühl bestimmen kann, so ist es nötig, ein Badethermometer bei sich zu haben, das man während des Auskleidens ins Wasser senkt und so viel warmes aus der Röhre nachlaufen lässt, bis die Wärme auf den Grad, dessen man bedarf, gesteigert ist. Vermittelst dieser Massregel kann man sicher sein, immer in der gleichen Temperatur zu baden.

      Auf den Thermometern nach Réaumur ist der 25. Grad für die Bäder bezeichnet. Allein nicht alle solche Instrumente sind gehörig reguliert, und die Körperwärme der Menschen ist sehr verschieden. Das beste Regulativ für jeden möchte folgendes sein: Man stecke das Thermometer in einem Augenblick, wo man weder erhitzt ist noch friert, unter die Achselhöhle auf den blossen Leib und knöpfe die Kleider wieder zu; nach Verfluss von höchstens fünf Minuten wird der Weingeist oder das Quecksilber genau die Blutwärme dessen bezeichnen, der sich das Thermometer anpasste. Man merke sich bestimmt und ein für allemal den Grad und bade immer in dieser Temperatur, wenn der Arzt nicht verordnet hat, dass man wärmer oder kälter als der Blutgrad baden soll.

      Bauern und viele andere unberatene Leute wähnen, nie warm genug baden zu können, je heisser das Wasser, desto kräftiger glauben sie, sei es. Dies ist aber gar nicht der Fall und wer im Bade geschwitzt und sich rotgebrüht hat, wird Kopfschmerzen und Schwindel bekommen, sich geschwächt fühlen und, zumal bei kühler Luft, sich im Freien bald erkälten. Ob man nur bis an die Brust oder bis ans Kinn im Wasser sitzen müsse, darüber herrschen verschiedene Meinungen. Salomon Hottinger sagte drollig genug und Scheuchzer hat es ihm nachgeschrieben: «Dass der Nabel so viel als der Marchstein, wie des Menschen unteren und oberen Leibs, also auch des Sitzens in dem Bad sei.» Wer indes keine schwache Brust hat und überhaupt keine Unbequemlichkeit davon spürt, tut meines Erachtens wohl daran, wenn er das heilsame Element so viel als möglich auf die ganze Oberfläche seines Körpers wirken lässt.

      Wer nach des Arztes Verordnung durch längeres Baden den so manchen Krankheitsstoff durch die Poren ausführenden, oft äusserst wohltätigen Ausschlag bekommen soll, fängt mit zwei Stunden vormittags und einer des Abends an, steigt bis auf fünf Stunden im Tag, und wenn der Ausschlag sich gehörig gebildet hat, so badet man denselben, die Stundenzahl allmählich vermindernd, wieder weg, welches alles in 21 Tagen möglich ist. Viel Bewegung im Freien und an der Sonne fördert diese Krisis; allein man soll sich dabei sorgfältig vor jeder Erkältung hüten, welche den Ausschlag immer richtig wieder zurücktreibt und schwerere Krankheiten verursachen kann, als die war, wegen der man ins Bad kam.

      Wer es hingegen zu keinem Ausschlag soll kommen lassen, darf nicht länger als vormittags eine ganze und abends eine halbe Stunde im Bade verweilen.

      Auf keinen Fall darf der Badende sich im Wasser dem Schlaf überlassen. Alle Ärzte raten das wohlmeinend und schon vor drei Jahrhunderten schrieb Alexander Sytz: «Man soll allenthalben im Bad etwas Kurzweil haben mit Fabulieren und dergleichen, um damit dem Schlaf zuvorzukommen, denn der Schlaf zieht die Geister hinein und das Bad heraus.»

      Die meisten Kurgäste gebrauchen das zweite Bad nachmittags um vier oder fünf Uhr und gehen dann wieder aus und dem Vergnügen nach. Manche setzen sich, nur um bald fertig zu sein, gleich nach dem Essen ins Wasser, was aber höchst schädlich ist, weil die Verdauung dadurch gestört und das Blut nach dem Kopf getrieben wird. Ich habe mich immer am besten dabei


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