Krafttraining - Die 100 Prinzipien. Jan Pauls

Krafttraining - Die 100 Prinzipien - Jan Pauls


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widerlegt. Alle Weltklasse-Sprinter betreiben heutzutage ein Krafttraining als wichtigen Bestandteil ihres Trainingsprogramms. Dabei werden sowohl Hantelübungen eingesetzt als auch Laufübungen gegen höhere Widerstände. Verschiedene Varianten der Kniebeuge, Gewichthebertechniken wie Umsetzen und Reißen, Rumpfkräftigung, Sprünge und Läufe bergauf oder gegen Widerstände, die gezogen oder geschoben werden, sind Inhalte des Krafttrainings zur Steigerung der Sprint- und Antrittskraft.

      Das Körpergewicht des Sportlers ist ein hoher Widerstand, den die Muskulatur der Beine zunächst beschleunigen und dann maximal schnell weitertragen muss. Mit zunehmender Höhe einer Last, nimmt die mögliche Geschwindigkeit, mit der sie – bei einer gegebenen Muskelkraft – bewegt werden kann, ab. Im Umkehrschluss lässt sich die Bewegungsgeschwindigkeit gegen eine hohe Last durch eine Steigerung der Muskelkraft erhöhen. Es ist eine bekannte Regel, dass bei hohen Widerständen (z. B. Körpergewicht) die Maximalkraft für die Bewegungsschnelligkeit eine wichtige Rolle spielt. Bewegungen gegen sehr leichte Widerstände sind hingegen weniger von der Maximalkraft abhängig.

      Für Schnelligkeitsleistungen sind die Fähigkeiten des Nervensystems von großer Bedeutung. Reaktions- und Aktionsschnelligkeit sind in großem Maße genetisch beeinflusst. Hierbei spielt auch das genetisch bedingte Muskelfaserprofil eine Rolle: Je höher der Anteil weißer, schnell zuckender Muskelfasern in der leistungsrelevanten Muskulatur ist, desto größer ist das Potential des Sportlers für Schnelligkeits- und Schnellkraftleistungen. Auch wenn der berühmte Satz »Der Sprinter wird geboren« berechtigterweise die genetischen Voraussetzungen betont, sind dennoch einige neuronale Komponenten und die Funktionskapazität der weißen Muskelfasern durch Krafttraining trainierbar.

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      Sprinter nutzen Krafttraining zur optimalen Leistungsentwicklung.

      Bei der Auswahl der Methoden dominieren jedoch explosive und reaktive Krafteinsätze mit maximal möglicher Bewegungsgeschwindigkeit gegen mittlere (50–60 % MVC) und sehr hohe Lasten (90– 100 % MVC) bei geringer Wiederholungszahl. Betont langsame Kontraktionen, hohe Wiederholungszahlen und eine völlige energetische Erschöpfung des gesamten Muskelfaserspektrums sind hingegen nicht sinnvoll und wirken eher kontraproduktiv. Auch spielt vor allem eine Optimierung der Muskelmasse des Athleten eine Rolle, nicht eine Maximierung (wie sie im Bodybuilding angestrebt wird). Für den Nutzen eines Krafttrainings für die Schnelligkeit von Sportlern ist also die Auswahl der geeigneten Übungen und Methoden von entscheidender Bedeutung, ob eine Leistungsverbesserung oder -minderung eintritt.

      VERWEISE:

      

Plyometrisches Training (29)

      

Schnellkraft (27)

      

Muskelfasertypen (20)

      

Das S.A.I.D.-Prinzip (4)

15Motivation und Willenskraft
Kraftleistungen erfordern und fördern die Willenskraft

      Motivation ist »die Orientierung des aktuellen Verhaltens auf ein bestimmtes, positiv bewertetes Ziel« (Meyer 2011, S. 86). Sie ist der Antrieb für das Anstreben einer bestimmten Handlung, z. B. die Bewältigung einer schweren Last beim Krafttraining. Das Erreichen dieses Ziels kann mit der Hoffnung auf das Erreichen weiterer positiv bewerteter Ziele verknüpft werden, z. B. ein Kraftzuwachs für künftige Wettkampferfolge, Lob, Anerkennung etc. Die Motivation für ein Krafttraining resultiert jedoch nicht nur aus dem Leistungsgedanken und dem Streben nach Erfolg. Auch Motive wie Gesundheit, Wohlbefinden, Geselligkeit oder Attraktivität spielen bei vielen Trainierenden, insbesondere im Fitnesstraining, eine bedeutende Rolle.

      Die Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung einer (motivierten) Handlung ist der Wille. Der Wille mobilisiert und konzentriert die Energien, die für die Bewältigung einer bestimmten Aufgabe freigesetzt werden müssen. Die Willenskraft bestimmt (neben dem Trainingszustand) die Ausprägung der Mobilisation. Für kurzzeitige, hohe Beanspruchungen (z. B. Hebeversuch beim Gewichtheben mit maximaler Last) wird eine hohe Willensstoßkraft benötigt. Muss eine längere Belastung eingegangen werden (z. B. Kraftausdauerbelastungen mit hohen Wiederholungszahlen) ist die Willenspannkraft von entscheidender Bedeutung. Aus der trainingspraktischen Erfahrung und wissenschaftlichen Untersuchungen mit Krafttests weiß man, wie stark sich Motivation und Willenskraft auf eine Kraftleistung auswirken können. Eine mangelnde psychische Mobilisation ist vielleicht der größte wahrscheinliche Messfehler bei wissenschaftlichen Studien zum Krafttraining mit Untrainierten. Große Kraftleistungen erfordern also eine hohe Motivation und ausgeprägte Willenskraft. Im Gegenzug stärkt die erfolgreiche Bewältigung einer anspruchsvollen Aufgabe, z. B. das Erreichen einer neuen persönlichen Bestleistung, das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit, führt zu neuen Zielsetzungen und fördert durch eine positive Rückkopplung wiederum Motivation und Willenskraft. Erfolge im Sport sind eine intensive Erfahrung von Selbstwirksamkeit, d. h. aufgrund eigener Fähigkeiten gewünschte Handlungen erfolgreich bewältigen zu können. Die im Sport gestärkte Selbstwirksamkeitserwartung und Willenskraft kann schließlich auch in anderen Lebenssituationen nutzbringend angewendet werden. Der Wille spielt natürlich nicht nur bei kurzzeitigen Krafteinsätzen eine Rolle, sondern bestimmt auch das langfristige, allgemeine leistungsrelevante Verhalten, z. B. die Einhaltung regelmäßiger Trainingszeiten sowie gezielter Ernährungs- und Regenerationsmaßnahmen. Er steht damit in engster Verbindung mit dem, was landläufig als »Selbstdisziplin« bezeichnet wird. Für den Leistungssportler ist es jedoch von großer Wichtigkeit, nicht nur langfristig, sondern vor allem zum Zeitpunkt des Wettkampfes seine Energien auf sein Ziel konzentrieren zu können.

      Als entscheidend wichtige psychische Voraussetzungen für kurzzeitige, hochintensive Kraftleistungen, nennt Rolf Frester (1991, S. 83)

      

ein richtiges internes Abbild vom Bewegungsablauf,

      

eine spezielle Mobilisationsfähigkeit,

      

eine hohe emotionale Stabilität.

      Entscheidend sei für die psychische Mobilisation »die schnelle Herbeiführung eines Zustands der optimalen Leistungsbereitschaft« vor der Ausführung (Frester 1991, S. 86) und schließlich die Ausprägung der aktiven Mobilisation während der Ausführung. Viele Athleten verharren z. B. sehr lange an der Hantel bevor sie einen entscheidenden Hebeversuch starten. Dies zeigt die Wichtigkeit der psychischen Vorbereitung direkt vor der Ausführung. Unter emotionaler Stabilität wird in erster Linie Nervenstärke verstanden, im Sinne einer Resistenz gegen den negativen Einfluss von Störfaktoren, die durch äußere Bedingungen (organisatorische Probleme, Publikum, hohe Erwartungen) auftreten können.

      VERWEISE:

      

Trainingsplanung (3)

      

Individualisierung (5)

      

Dokumentation (64)

16Kraft und Körpergewicht
Die relative Kraft macht Kraftleistungen vergleichbar

      Wenn ein Sportler 100 Kilogramm (kg) im Bankdrücken bewältigen kann, so sagt dies etwas über seine absolute Kraft in dieser Disziplin aus. Will man diese Leistung


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