Krafttraining - Die 100 Prinzipien. Jan Pauls
href="#fb3_img_img_58d5c043-7541-59af-a5f7-6716531850ed.jpg" alt="image"/> Periodisierung (9)
Dysbalancen (82)
Intensivtechniken (35)
High-Intensity-Training (37)
Das Schockprinzip (57)
9 | Periodisierung | |
Höchstleistungen müssen vorbereitet und nachbereitet werden |
Ein Sportler kann nicht das ganze Jahr über in Hochform sein. Dies ist eine grundlegende Erkenntnis aus dem Leistungssport. Vielmehr ist es sinnvoll, durch einen periodischen Wandel der Trainingsumfänge und -intensitäten auf eine maximale Leistungsfähigkeit an gewissen Zeitpunkten im Jahr, z. B. an Wettkämpfen, hinzuarbeiten. Dies schützt einerseits vor einem schleichenden Überlastungsprozess (Übertraining) und führt andererseits zu außerordentlichen Spitzenleistungen. Ein einseitiger, monotoner Trainingsaufbau begünstigt hingegen eine Leistungsstagnation. Aus diesen Gründen fordert die Trainingslehre eine Periodisierung des Trainings im Jahresverlauf.
Das Jahr gliedert sich üblicherweise in ein bis drei sogenannte Makrozyklen, die drei grundlegende Phasen mit unterschiedlichen Zielsetzungen enthalten:
Vorbereitungsphase,
Wettkampfphase,
Übergangsphase.
In der frühen Vorbereitungsphase stehen im Kraftsport Muskelaufbaumethoden im Vordergrund. In der späten Vorbereitungsphase werden die Intensitäten deutlich erhöht und die Umfänge reduziert, wodurch ein verstärktes Training der intramuskulären Koordination und der wettkampfspezifischen Beanspruchung erzielt wird. Technische Übungen werden in der gesamten Vorbereitungsphase durchgeführt. In der Wettkampfphase findet ein Training mit wettkampfnahen Übungen und Intensitäten zur Erhaltung bzw. Weiterentwicklung der Höchstform statt. In der Übergangsphase steht die Erholung von den anstrengenden, vorangegangenen Phasen im Vordergrund, z. B. alternative sportliche und regenerative Aktivitäten.
Ein Makrozyklus wird in mehrere Mesozyklen untergliedert, die meist etwa 4–6 Wochen dauern. Dies ermöglicht eine differenziertere Trainingsplanung, indem in jedem Mesozyklus bestimmte Trainingsschwerpunkte eingeplant werden. Die Mesozyklen werden wiederum in Mikrozyklen mit einer Dauer von mehreren Tagen bis zu einer Woche unterteilt. Die kleinste Planungseinheit ist schließlich die einzelne Trainingseinheit.
Man unterscheidet eine lineare und eine wellenförmige, nonlineare Periodisierung. Bei der linearen Periodisierung steigt vom Beginn der Vorbereitungsperiode bis zum Wettkampf die Trainingsintensität ständig an, während der Trainingsumfang stetig sinkt. Eine wellenförmige Periodisierung arbeitet mit wechselnd steigenden und fallenden Intensitäten wodurch in der einzelnen Trainingsperiode eine größere Variabilität und Individualisierung in der Planung möglich ist und einer Stagnation durch eine Trainingsmonotonie, insbesondere im Hochleistungsbereich, effektiver entgegengewirkt werden kann. Im Fitnesstraining, bei dem es häufig keine Wettkämpfe gibt, ist eine Periodisierung ebenfalls sinnvoll, um einer Frustration durch Trainingsmonotonie und Leistungsstagnation vorzubeugen. Im rehabilitativen Training ergibt sich eine Periodisierung häufig automatisch durch die sich verändernde Belastbarkeit des Patienten aufgrund fortschreitender bzw. abgeschlossener Heilungsprozesse. Die Vorteile einer Periodisierung sind allgemein anerkannt und werden im Hochleistungssport konsequent genutzt.
VERWEISE:
Kontinuität (7)
Variation (8)
Maximalkrafttraining (25)
Übertraining (83)
10 | Superkompensation | |
Die Verarbeitung von Trainingsreizen folgt dem Prinzip der Superkompensation |
Das Prinzip der Superkompensation ist eine grundlegende Erklärung für die Anpassungsvorgänge des Körpers durch Training. Superkompensation kann übersetzt werden als »übermäßiger Ausgleich«, was soviel heißt wie eine Anpassungsreaktion des Körpers, die über die Wiederherstellung der ursprünglichen Verhältnisse vor dem Training hinausgeht.
Zunächst wird im Training ein so genannter überschwelliger Trainingsreiz gesetzt, z. B. eine Kraftübung mit ungewohnt hohen Gewichten oder einer ungewohnt langen Belastungsdauer. Durch die intensive Beanspruchung werden die Energiereserven des Muskels aufgebraucht bzw. Gewebestrukturen (z. B. die Integrität des Sarkomers) zerstört. Dadurch sinkt die Leistungsfähigkeit während einer intensiven Belastung stetig ab und ist am Ende der Trainingsübung bzw. Trainingseinheit an einem Tiefpunkt angelangt. In der nun folgenden Ruhephase für den Muskel nach dem Training, gleicht der Körper diese intensive Störung seines Gleichgewichts (Homöostase) aus, indem er die Energiespeicher wieder auffüllt und verschlissenes Gewebe erneuert. Dies dauert einige Stunden bis Tage.
Das Entscheidende ist jedoch, dass der Körper nicht nur den Zustand vor dem Trainingsreiz wieder herstellt, sondern darüber hinaus für künftige Beanspruchungen vorsorgt und mehr Energieträger einlagert bzw. mehr krafterzeugende Proteinstrukturen aufbaut als vor dem Training vorhanden waren. Dies wird z. B. über die Erhöhung der Kohlenhydratspeicher (Glykogen) und eine Vermehrung der Myofibrillen in der Muskelzelle erreicht. Dadurch entsteht für eine gewisse Zeit eine erhöhte Leistungsfähigkeit. Wenn in dieser Phase ein erneutes Training stattfindet, kann der Sportler nun auf diese erhöhte Funktionskapazität zurückgreifen, was sich in besseren Leistungen zeigt. Setzt er erneut einen überschwelligen Trainingsreiz, kann der Ablauf von vorn beginnen, so dass Schritt für Schritt – über einen längeren Zeitraum betrachtet – die Leistungsfähigkeit stetig anwächst. Wird allerdings längere Zeit kein erneuter Trainingsreiz gesetzt, sinkt die kurzfristig durch die Superkompensation erhöhte Leistungsfähigkeit wieder ab. Erfolgt die nächste intensive Trainingsbelastung zu früh, das heißt vor dem Abschluss der Erholungsphase, ist die Funktionskapazität sogar verringert, da die Energiespeicher noch nicht wieder voll aufgefüllt und die krafterzeugenden Proteinstrukturen noch nicht wieder voll hergestellt sind. Die Superkompensation – das sei nochmals betont – läuft nur dann ab, wenn der Trainingsreiz entsprechend überschwellig war, d. h. hoch genug, um den Muskel derart aus dem Gleichgewicht zu bringen, dass er zur Anpassung gezwungen wird.
Wie lange die Wiederherstellung bzw. Superkompensationsphase dauert, hängt von der Erholungsfähigkeit des Trainierenden sowie von der Intensität und Art des Trainingsreizes ab. Das Prinzip der Superkompensation wurde anhand der Belastungsreaktion der Energieträger im Muskel entwickelt und ist auf Mechanismen der Proteinsynthese (Muskelwachstum) übertragbar. Neuronale Trainingsanpassungen (z. B. das Bewegungslernen) zeigen andersartige Verläufe, so dass das Prinzip der Superkompensation in seiner »klassischen Form« diesbezüglich nicht angewendet werden kann.
VERWEISE:
Das Prinzip des überschwelligen Reizes (2)