Sperare Contra Spem. Susanne Hegger
Es sei an dieser Stelle noch einmal auf Bernhard Körners differenzierende Untersuchung hingewiesen. Herkömmlicherweise steht die Bezugnahme auf einen locus theologicus im Dienst der Argumentationssicherheit, d. h. sie zielt auf die Untermauerung einer Position durch (institutionelle) Autorität. Mystik als subjektivem Erfahren kommt eine solche Autorität aber zunächst einmal nicht zu. Körner schlägt deshalb seinerseits, dabei ganz der Grundintention Balthasars folgend, vor, nicht Mystik und/oder Spiritualität, sondern vielmehr die Heiligen selbst als locus theologicus zu verstehen. „Heilige sind konkret benennbare Personen, denen durch ihre kirchliche Anerkennung [faktisch, aber auch formal] jene Autorität zukommt, die für einen klassischen locus theologicus charakteristisch und wohl auch unumgänglich ist“ (ders.: Mystik und spiritualität, 230).
356 H I, 401.
357 VC, 234.
Balthasar wendet sich damit vehement gegen ein in der Mystikforschung dominierendes Verständnis, wonach in der mystischen Erfahrung eine völlige Verschmelzung von Subjekt und Objekt stattfindet, sodass letztlich kein Erfahrungsinhalt mehr zu bestimmen ist. Mystische Erfahrung wird so auf ein psychologisches Phänomen reduziert. Balthasar betont demgegenüber die notwendige Unterscheidung zwischen subjektiver Erfahrung und dem in dieser Erfahrung begegnenden objektiven Gehalt, der in der nachträglichen theologischen Interpretation durchaus als solcher zu erfassen ist (vgl. dazu Balthasar: Vorwort, in: Speyr: Wort und die Mystik, 1. Teil: Subjektive Mystik, 10; Haas: Adrienne von Speyrs Typologie der Mystik, bes. 9–16).
358 EB, 77.
359 SV, 330.
360 Vgl. SV, 321. Balthasar charakterisiert das Verhältnis zwischen allgemeiner und besonderer Geistbegabung näherhin als Realdistinktion zwischen Charis und Charisma, die er als den „innerlichste(n) Punkt der analogia entis, des geschaffenen Seins in seiner erreichten Bestimmung der Partizipation am innergöttlichen ewigen Sein“ begreift (ebd., 322; Kursiven im Original).
361 PI, 320.
362 Konda: Verhältnis von Theologie und Heiligkeit, 337.
363 H I, 402.
364 H II/1, 27.
365 Schmid: Im Ausstrahl, 13.
366 Vgl. dazu Klaghofer-Treitler: Gotteswort im Menschenwort, bes. 399–428; vgl. auch ders.: Wahre Grundlagen authentischer Theologie, bes. 176–186.
367 Klaghofer-Treitler: Gotteswort im Menschenwort, 399. Eine kritische Auseinandersetzung mit dieser gleichermaßen formalen wie inhaltlichen Bestimmung balthasarscher Theologie leistet Klaghofer-Treitler in ders.: Karfreitag.
368 R, 28 f (= ZsW, 69 = MW, 63 f).
369 H I, 9; vgl. dazu auch Lochbrunner: Theologik, 95.
370 Schmid: Im Ausstrahl, 37.
371 Vgl. dazu H I, 74–110.
372 Schmid: Im Ausstrahl, 33 (Hervorhebungen im Original wurden nicht übernommen).
373 GL, 6. Für Balthasar sind „das mysterium iniquitatis, das Scheitern in Schuld und Sünde und die Theodizeefrage, die quälende Frage ‚Warum das Leid?‘, … der Prüfstein, an dem der Unterschied zwischen der theologischen Ästhetik und einer ästhetischen Theologie gemessen werden kann“ (Lochbrunner: Analogia Caritatis, 165; Hervorhebungen im Original wurden nicht übernommen).
374 Die Durchführung erfolgt, wie der Untertitel „Schau der Gestalt“ schon sagt, bes. in H I. Eine gute Einführung leistet Körner: Fundamentaltheologie bei Hans Urs von Balthasar, 129–152.
375 H I, 118. Durchbuchstabiert wird diese Lehre vor allem in den beiden Bänden von H III/2. Zur Unterscheidung von Erblickungs- und Entrückungslehre vgl. ferner H III/1.1, 25 f; H III/2.2, 25 f.
376 H III/2.2, 26.
377 Lochbrunner: Analogia Caritatis, 189 (Hervorhebungen im Original).
378 Lochbrunner: Analogia Caritatis, 189.
379 H I, 30.
380 H I, 126.
381 Henrici: Trilogie Hans Urs von Balthasars, 345.
382 Vgl. dazu Endriß: Balthasar versus Kierkegaard, bes. 86–90.
383 Endriß: Balthasar versus Kierkegaard, 88.
384 Endriß: Balthasar versus Kierkegaard, 89.
385 VC, 101.
386 H I, 47.
387 Endriß: Balthasar versus Kierkegaard, 94.
388 Guerriero: Monographie, 285.
389 Gadient: Offenbarung als Drama, 201.
390 ZsW, 82 (= MW, 77).
391 TD I, 113.
392 ZsW, 82 (= MW, 76 f). Balthasar selbst verwendet mit Blick auf sein Werk häufig den Begriff ‚Triptychon‘, der „in der Kunst Ausdruck des Universalen ist“ (Wittschier: Kreuz, Trinität, Analogie, 81). Es ist sicherlich keine Überinterpretation, hierin einen Hinweis auf seine Intention aber auch auf seinen Anspruch zu erkennen: „Balthasar geht es um einen neuen Darstellungstyp von Theologie, der das Universale ermöglicht, also um ein Gesamt-Denk-Werk, vergleichbar einem Gesamt-Kunst-Werk“ (ebd.; Hervorhebungen im Original wurden nicht übernommen).
393 Gadient: Offenbarung als Drama, 197.
394 „Die Distanz zur Schultheologie ist schon biographisch faßbar. So hat er (= Balthasar; S. H.) selbst nie als Lehrer an einer Theologischen Fakultät gewirkt“ (Lochbrunner: Theologik, 101).
395 Lochbrunner: Hans Urs von Balthasar und seine Literatenfreunde, 292 f.
396 Balthasar ist denn auch der Überzeugung, „daß der entscheidende Dialog zwischen Antike und Christentum nicht so sehr der jahrtausendelang geführte zwischen Platon und der patristisch-scholastischen Theologie sei, als vielmehr der zwischen den Tragikern und den christlichen Heiligen um den Sinn der menschlichen Existenz: Das Tragische und der christliche Glaube“ (ZsW, 64 = MW, 58 f = R, 24). Den Kern alles Tragischen erkennt er in der unauflösbaren Aporie menschlicher Existenz, als geistiges Wesen in den Bereich der Transzendenz hinaus zu stehen und dennoch der Unvollendbarkeit alles Irdischen, den Widersprüchlichkeiten des Daseins und der undurchschaubaren Verflochtenheit in Schuld unentrinnbar verhaftet zu sein (vgl. dazu SC, 347–365, bes. 347–351). Diese Menschheitssituation wird in der griechische Tragödie, die ihrem Ursprung nach liturgisches Spiel ist, im Angesicht der Götter enthüllt und erfährt gerade darin ihre Annahme und Bejahung. Der Schlüssel zur griechischen Tragödie „liegt in dem Paradox, daß die menschliche Existenz die Sphäre des Dumpf-Naturhaften transzendiert und in einen durch das Göttergeschick bestimmten Raum hinaussteht, daß sie gerade so in eine äußerste, irdisch gar nicht aufzurechnende Dunkelheit gerät, aber zu Ehren der Götter sich vor ihrer eigenen Tragik nicht drückt, sondern sie als ihre unbegreifliche, vielleicht selbst die Götter noch übersteigende Größe bejaht“ (ebd., 353). Eine vergleichbare Situation der vollen Bejahung des Daseins in aller seiner Endlichkeit konstatiert Balthasar auch für den Alten Bund. Beide Tragödien, die griechische wie die jüdische, sieht er dann vollendet in der Tragödie Jesu Christi, in der die Situation des Menschen durch die tiefsten Abgründe, den Kreuzestod und die Scheol hindurch, in ihre letzte Annahme durch Gott hinein getragen wird.
397 TD II/1, 69.
398 Meier: Theater, theologisch, 56.
399 TD I, 11; vgl. auch ZsW, 83 (= MW, 78).
400 Kehl: Porträt, 55.
401 Das Gleichnis vom Welttheater selbst ist wesentlich älter. Es begegnet erstmals bereits in der antiken griechischen Popularphilosophie bei Bion von Borystenes (ca. 300–250 v. Chr.) und erfährt von da an stets neue Ausgestaltungen (vgl. Balthasar: Christ und Theater, 12 f). Wenngleich Balthasar die Transposition des Motivs in den christlichen