Der Herzenfresser. Josef Scherz

Der Herzenfresser - Josef Scherz


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      †††

      Pfarrer Johannes hatte sich auf einen Stuhl in eine dunkle Ecke seiner Stube zurückgezogen und dachte in sich zusammengesunken nach. So sehr er sich auch bemühte, er konnte keinen klaren Gedanken fassen und starrte reglos auf den Boden. Erst allmählich fand er wieder zu sich. Er war die oberste Autorität im Dorfe. Er war es, der jedes Fehlverhalten schonungslos anprangerte, und nun würde ausgerechnet auf seinem Pfarrhof eine junge, unverheiratete Mutter mit einem Kind der Sünde leben. Noch dazu durfte der Kindsvater niemals öffentlich werden. Aber was, wenn sie es irgendwann doch verriet? Würden die Leute ihr glauben? Die Folgen wären unabsehbar. Sein Blick richtete sich auf das Kreuz an der Wand.

      Oh mein Gott! Was soll ich nur tun? Hilf mir!

      Da klopfte es an die Tür.

      »Ja bitte?«

      Edeltraud trat mit einer flackernden Kerze ein und stellte sie auf den Tisch.

      »Hochwürden sitzen so ruhig im Dunkeln. Ist ihm nicht ganz wohl zumute?«

      Ihre Stimme hat einen gefährlichen Unterton.

      »Ich will mit Gott alleine sein«, zischte er und faltete die Hände, als wolle er sich einem stillen Gebet hingeben. In Wahrheit war ihm nicht danach zumute.

      Die sonst so bockige Edeltraud folgte seinem Wunsch und wandte sich zur Tür.

      »Halt!«, rief er ihr nach, »niemand darf erfahren, was hier los ist.«

      Sie drehte sich um.

      »Hochwürden, die Schwangerschaft wird sich aber auf Dauer nicht verbergen lassen, und jeder wird sich fragen, wer wohl der Vater ist.«

      Er zuckte zusammen.

      »Könnte man das Kind nicht …«

      »… wegmachen lassen?«, beendete sie empört den Satz und bekreuzigte sich. »Was für eine Sünde! Außerdem ist Hochwürden wohl nicht bewusst, dass es sich hierbei um eine ziemlich brutale Methode handelt, bei der auch für die werdende Mutter Todesgefahr besteht. Oder will Hochwürden die eine Sünde mit zwei Toten tilgen?! Und das vor dem Angesicht Gottes?«

      Sie wies auf das Kreuz an der Wand.

      »Was weißt du schon von Gott, du einfältiges Weib? Hier im Dorf bin ich es, der weiß, was Gott will! Hier handele ich nach seinem Willen.«

      Edeltraud stürmte zornig aus der Stube und schlug die Tür hinter sich zu.

      Pfarrer Johannes war wohl zu weit gegangen. Wieder einmal.

      Diese Weiber sind das reinste Unglück auf Erden.

      Er erhob sich und begann nervös auf und ab zu gehen. Er hasste es, wenn der Holzboden unter jedem seiner Schritte knarrte, und er hasste es, wenn er dabei im schwachen Kerzenschein seinen eigenen Schatten an der Wand wie einen bösen Geist umherwandeln sah.

      Es muss doch noch eine Lösung geben!

      Lieber Gott, bitte hilf mir doch!

      Er versuchte sich zu konzentrieren, und nach einer Weile erhellte sich sein Gesicht.

      »Ja, so könnte es gehen!«, murmelte er und schaute auf das Kreuz. »Ich danke dir, oh Herr!«

      †††

      Am nächsten Tag ging es Maria schon etwas besser. Pfarrer Johannes rief sie zu sich in die Stube und rückte ihr einen Stuhl zurecht. Er selbst zog es vor, stehen zu bleiben. Mit strenger Miene baute er sich vor ihr auf.

      »Du wirst also ein Kind der Sünde gebären.«

      Vor Scham verbarg sie das Gesicht in ihren Händen.

      Er wandte ihr den Rücken zu und starrte aus dem Fenster.

      »Du hast mit deinen Reizen verführt, nur um deine niedrigen Gelüste zu befriedigen. Du hast damit eine große Sünde begangen. Du hast dich vom Teufel leiten lassen.«

      Die Worte schlugen auf sie ein wie Fausthiebe. Sie begann zu schluchzen.

      »Halte dich zurück!«, forderte er scharf, »dein Geheule nützt dir nichts. Du kannst es nicht mehr ungeschehen machen.«

      Er drehte sich wieder zu ihr um, baute sich abermals bedrohlich vor ihr auf und schrie: »Auf einem Pfarrhof ist kein Platz für eine elende Sünderin! Du trägst ein Kind der Schande in dir. Gott wird dich dafür bestrafen. Und wenn es ihm gefällt, bricht auch noch über uns alle, über das ganze Dorf, ein Unglück herein.«

      Sie sackte in sich zusammen.

      Plötzlich sagte er mit sanfter Stimme: »Aber vielleicht gibt es eine Möglichkeit, Gott gnädig zu stimmen. Du hast es in der Hand.«

      Sie schaute zu ihm auf, zog ein kleines Tüchlein unter ihrer Schürze hervor und schnäuzte sich.

      »Wie könnte ich Gott gnädig stimmen? Was muss ich dafür tun?«

      »Hm … ja … du musst … heiraten. Und zwar so früh wie möglich. Das Kind muss in aufrechter Ehe geboren werden-«

      »Heiraten?«, wimmerte sie. »Aber Hochwürden wissen doch, dass es völlig ausgeschlossen ist, den Kindesvater zu heiraten.«

      Abrupt drehte er sich wieder um. »Ich weiß, ich weiß. Aber ich … eh … Gott hat jemanden für dich.«

      Sie seufzte: »Ich soll einen völlig fremden Mann heiraten?«

      »Du wirst wohl ein Opfer bringen müssen«, sagte er schroff, »Gott will es so. Es gibt da jemanden, der sich nach einer Frau sehnt, aber zu schüchtern ist, eine anzusprechen. Er hat es mir einmal bei passender Gelegenheit gestanden. Du brauchst einen Mann, und dieser Mann sucht eine Frau. Gott führt auf diese Weise zusammen, was zusammengehört.«

      »Ich kann das nicht«, heulte sie auf.

      Er fuchtelte wild mit seinen Armen.

      »Das ist doch die Höhe! Willst du dich etwa dem Wunsch Gottes verweigern? Begreifst du nicht, du dumme Gans? Du kannst Gott damit milde stimmen. Wenn schon nicht für dich, dann tue es wenigstens für das Dorf. Du musst für deine Sünden die Verantwortung übernehmen.«

      »Was verlangt Gott denn da von mir? Warum habe ich die Last dieser Sünde alleine zu tragen? Warum nicht auch der Kindesvater?«

      Er lief hochrot an und spuckte bei jedem seiner Worte: »Weil der Kindesvater ein hilfloses Opfer deiner Reize geworden ist. So ist das.«

      †††

      Wahrscheinlich hat der liebe Gott meine innigen Gebete erhört und alles wird gut, dachte Maria.

      Pfarrer Johannes hatte sich in den letzten Tagen rar gemacht, und auch sonst hatte alles seinen üblichen Lauf genommen. Nur diese lästigen Kreuzschmerzen und diese Übelkeit erinnerten sie immer wieder daran, dass sehr wohl alles anders war als sonst. Gelegentlich musste sie sogar ihre Arbeit unterbrechen, um sich in ihre Kammer zurückzuziehen. Sie achtete aber stets darauf, nicht allzu lange abwesend zu sein. Weder Pfarrer Johannes noch der liebe Gott sollten Anlass zur Klage haben.

      Als sie sich wieder einmal ausruhte, klopfte es heftig an die Tür ihrer Kammer und Edeltraud trat aufgeregt ein.

      »Maria, ein Mann ist soeben hier aufgetaucht und trifft sich mit unserem Herrn Pfarrer in der Stube!«

      Maria fuhr erschrocken auf.

      »Wer ist es?«

      »Ich hab ihn nicht genau gesehn«, antwortete ihr Edeltraud zögernd.

      Maria glaubte ihr nicht. Wahrscheinlich wollte sie sie nur vor der furchtbaren Wahrheit verschonen. Sie begann zu schluchzen: »Was ist das für ein ungerechter Gott, der so etwas zulässt?«

      »Maria, versündige dich nicht«, warnte Edeltraud und bekreuzigte sich, »Gott ist allmächtig und weiß, was er tut.«

      »Warum verschließt er dann seine Augen vor meinem Unglück?«

      »Gott sieht dein Unglück,


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