Der Herzenfresser. Josef Scherz

Der Herzenfresser - Josef Scherz


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worauf sie sich schwerfällig erhob und sich die Tränen aus den Augen wischte. Edeltraud warf ihr einen liebevollen Blick zu.

      »Fürchte dich nicht.«

      Mit gesenktem Haupt schlich Maria hinüber in die Pfarrstube und würdigte weder Pfarrer Johannes noch diesen Mann eines Blickes. Sie sollten ruhig spüren, was sie dachte.

      »So mein Kind, setz dich zu uns an den Tisch«, sagte Pfarrer Johannes – und nach einer kurzen Pause fragte er den Mann: »Na, was sagst du zu ihr?«

      »Ein … ein ganz schönes Weib«, antwortete dieser stark lispelnd.

      »Siehst du, Gott hat deine Gebete erhört und schenkt dir gerne dieses Weib«, sagte der Pfarrer.

      Sie hörte mit immer noch gesenktem Kopf, wie Pfarrer Johannes ihrem künftigen Mann auf die Schulter klopfte. Ihr wurde klar, dass sie nicht weiter so tun konnte, als ginge sie das alles nichts an und wagte aufzuschauen.

      Ein kleiner, unscheinbarer Mann lächelte ihr entgegen. Sein Gesicht war sonnengegerbt, sein dunkles Haar hing in fettigen Strähnen bis zu den Schultern herab. Über der Oberlippe wuchs ein kümmerlicher Bart. Seine Kleidung war abgetragen, hier und da zerrissen und dürfte schon länger nicht mehr gewaschen worden sein – so wie der Kerl selbst. Er verbreitete den Geruch von abgestandenem Schweiß, Stall und kaltem Rauch. Es war ihr nicht möglich, sein Alter einzuschätzen.

      »Ich werde mich persönlich um die Hochzeit kümmern«, sagte Pfarrer Johannes. »Zuvor solltet ihr euch aber schon ein wenig im Dorf zeigen. Gemeinsam. Die Leute sollen schließlich sehen, dass ihr zusammengehört und Brautleute seid.«

      Bei diesen Worten senkte Maria wieder den Kopf und begann bitterlich zu weinen. Pfarrer Johannes ließ sich nicht beeindrucken und wandte sich wieder dem Mann zu: »Wirst sehen, die wird schon noch. Aber jetzt geh hinaus vor das Pfarrhaus und warte, ich komm gleich nach.«

      Als der Mann verschwunden war, sagte Johannes: »Na, was sagst du zu deinem zukünftigen Gemahl?«

      Ihr gruselte bei dieser Vorstellung.

      »Wer ist das überhaupt?«

      »Rudolf Reininger.«

      Sie hatte von diesem Reininger bisher nur gehört, doch das war schockierend genug gewesen. Im Sommer lebte er als Hirte auf der Turnauer Alm, und die Leute im Dorf erzählten, dass er in seiner Einsamkeit ein Eigenbrötler geworden sei. Einige behaupteten sogar, dass er gar keine Frau bräuchte, weil er es ohnehin mit seinen Tieren treibe.

      »Ausgerechnet Reininger soll als mein Ehemann herhalten und als Vater meines Kindes ausgegeben werden?«, fragte sie verzweifelt.

      »Beruhige dich, mein Kind! Ich weiß, was die Leute über ihn reden. Doch er hat mir hoch und heilig versprochen, dass dies nur Gerüchte sind. Er spricht mit Tieren, aber nur, weil er sonst niemanden hat, der ihm zuhört.«

      †††

      »Hast ja selbst gesehen. Maria ist eine fesche und liebe Frau. Du musst gut auf sie aufpassen. Und vergiss nicht, es ist dein Kind, das sie gebären wird. Die wahre Vaterschaft geht dich nichts an. Wehe dir, du hältst dich nicht daran, dann Gnade dir Gott. Hast du das verstanden?«, mahnte Pfarrer Johannes und legte seinen Arm freundschaftlich auf Reiningers Schulter, worauf dieser nur aufgeregt nickte.

      Pfarrer Johannes wusste, dass es Reininger in Wahrheit egal war, denn er würde froh sein, bald ein Weib an seiner Seite zu haben, bei ihm auf der Turnauer Alm in seiner armseligen Hütte.

      »Brauchst bald nicht mehr mit den blöden Tieren reden. Die verstehen dich sowieso nicht.«

      »Die mögen es aber, wenn ich mit ihnen rede«, widersprach Reininger.

      »Natürlich. Hast ja recht. Aber mit dir selber reden brauchst dann nicht mehr.«

      Pfarrer Johannes spielte dabei auf eine Geschichte an, die ihm zugetragen worden war. Reininger war einmal von einem Dorfbewohner bei einem Selbstgespräch beobachtet und dann ausgelacht worden. Reininger war damals zuerst erschrocken und dann wütend geworden und hatte den unliebsamen Gast mit kräftigen Stockhieben von der Alm vertrieben.

      ›Der selbstredende Reininger‹, wurde alsbald in den Wirtshäusern zur allgemeinen Belustigung unbarmherzig veralbert.

      »Und wenn sie mir davonläuft?«, fragte Reininger.

      »Wohin soll sie denn laufen?«

      »Naja … weg!«

      Pfarrer Johannes tätschelte ihm die Wange.

      »Keine Angst, die kommt nicht weit, da passen ich und Gott schon auf.«

      Jetzt machte Reininger ein glückliches Gesicht und leckte sich mit der Zunge über seine ausgetrockneten Lippen.

      †††

      »Oh, der Herr Bräuer!«, Pfarrer Johannes hob eine Hand zum Gruß. »Was für eine Überraschung!«

      Bräuer rang sich ein Lächeln ab.

      »Darf ich reinkommen oder reden wir zwischen Tür und Angel?«

      Pfarrer Johannes machte keine Anstalten, ihn ins Pfarrhaus zu bitten. Dieser Bräuer sollte ruhig spüren, was er von ihm hielt.

      »Sie schwänzen regelmäßig meine Gottesdienste, und nun wollen Sie so einfach zu mir hereinkommen, in mein geweihtes Haus? Was gibt’s?«

      »Ich will wissen, was hier los ist?«

      »Was soll denn los sein?«

      »Die Turnauer kommen aus dem Staunen nicht heraus. Ehrlich gestanden, ich auch nicht. Der eigenbrötlerische Reininger heiratet Maria? Wie ist das denn hergegangen?«

      Pfarrer Johannes lehnte sich lässig an den Türstock und verschränkte die Arme.

      »Haben Sie dagegen etwas vorzubringen?«

      »Stecken gar Hochwürden dahinter?«

      »Was erlauben Sie sich! Auch ich war überrascht. Die Brautleute sind von sich aus zu mir gekommen und haben um meinen Segen gebeten. Da sie mich von ihrer tiefen Liebe überzeugen konnten, ist es meine göttliche Pflicht, diesen braven Leuten das heilige Sakrament der Ehe zu spenden.«

      Bräuer schüttelte den Kopf.

      »Das glauben Sie doch wohl selbst nicht!«

      Pfarrer Johannes hob warnend den Zeigefinger.

      »Wollen Sie mich gar der Lüge bezichtigen? Gott ist mein Zeuge!«

      »Gott ist Ihr Zeuge?«, rief Bräuer belustigt aus. »Soll ich jetzt vielleicht in die Kirche rübergehen und ihn fragen?«

      »Warum nicht? Vielleicht schadet es gar nicht, wenn Sie einmal in die Kirche gehen«, brüllte Pfarrer Johannes zurück.

      Bräuer tippte sich an die Stirn.

      »Was soll ich dort? Ich rede doch nicht mit einer Holzfigur!«

      Pfarrer Johannes holte tief Luft.

      »Sie sind ein Frevler und Ketzer! Sie sollten brennen! Sie glauben wohl, Sie können hier einfach in unser Dorf kommen und die Leute durcheinanderbringen.«

      »Von welchen Leuten reden Sie?«

      »Ach, tun Sie doch nicht so unschuldig, Herr Bräuer! Sagt Ihnen der Name Altmanner etwas?«

      Bräuer wurde zornig.

      »Sie sind wohl noch stolz darauf, diese Menschen um ihr gesamtes Hab und Gut gebracht zu haben!«

      »Ich habe niemanden um sein Hab und Gut gebracht. Es lag nicht in meiner Hand.«

      »Ah so? In wessen Hand lag es dann? Aber kommen Sie mir jetzt nicht mit Gott!«

      »Auch, wenn es Ihnen nicht gefällt: Es lag in der Hand dieser Holzfigur, wie Sie es nennen. So, und nun sollten Sie gehen, Herr Bräuer!«

      Darauf drehte sich Pfarrer Johannes um und knallte Bräuer die Tür vor der Nase


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