Lehrberuf: Vorbereitung, Berufseinstieg, Perspektiven (E-Book). Mirjam Kocher

Lehrberuf: Vorbereitung, Berufseinstieg, Perspektiven (E-Book) - Mirjam Kocher


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werden als handlungsleitend und relativ überdauernd klassifiziert (Reichhart, 2018); sie beeinflussen maßgeblich, wie sich angehende Lehrpersonen in Studium und Beruf entwickeln und ob sie im Beruf verbleiben (Watt & Richardson, 2008).

      1.1.2Berufswahlmotivation von Berufswechslern/-wechslerinnen in den Lehrberuf

      BW gelten als besonders stark intrinsisch motivierte Lehrkräfte (Tigchelaar et al., 2010; Wilkins & Comber, 2015). Studien zeigen allerdings, dass extrinsische Motive unter bestimmten Umständen auch für BW zentral sein können: Neben den üblichen intrinsischen Motiven nennen BW auch eine Verbesserung der Anstellungssituation und das Erreichen eines höheren Bildungsabschlusses als Berufswahlmotive (z. B. Loretz et al., 2017; Weinmann-Lutz, Amman, Soom & Pfäffli, 2006). Gemäß Erwartung-mal-Wert-Modellen kann ein erwarteter Statusgewinn durch einen Berufswechsel als antizipierter Nutzen einer Ausbildung interpretiert werden (Denzler & Wolter, 2008), gleichzeitig ist er ein extrinsisches Motiv der Berufs- bzw. Studienwahl (Watt & Richardson, 2007). Auf dieser Basis wäre zu erwarten, dass ein antizipierter Statusgewinn mit stärkeren extrinsischen Berufswahlmotiven einhergeht, ein erwarteter Statusverlust hingegen durch stärkere intrinsische Motive kompensiert werden muss. Die Ergebnisse von Loretz et al. (2017) bestätigen dies: Extrinsische Motive wie die finanzielle Sicherheit sind vor allem bei BW zentral, die zuvor in Berufen ohne regelmäßiges Einkommen tätig waren (z. B. im Kulturbereich), während sie für BW, die zuvor in Berufen mit hohem Ansehen (z. B. Kader, Management, öffentlicher Sektor) gearbeitet haben, kaum bedeutsam sind. Auch die qualitative Interviewanalyse von Weinmann-Lutz et al. (2006) zeigt, dass verschiedene Facetten des früheren Berufs wie beispielsweise die finanzielle Sicherheit oder der berufliche Status mitentscheiden, welche Motive für die Wahl zur Lehrperson relevant sind. Manche Studien schreiben dem beruflichen Status allerdings keine tragende Rolle zu: In der Studie von Kappeler (2006) nannten nur 5 von 30 befragten Quereinsteigenden den sozialen Aufstieg als Motiv für die Wahl des Lehrberufs. Auch Laming and Horne (2013) und Wilkins und Comber (2015) fanden, dass bei BW der berufliche Status eine eher untergeordnete Rolle bei der Berufswahlmotivation spiele.

      1.2.1Berufsziele bei Lehrpersonen im Allgemeinen

      Die Berufsziele von angehenden Lehrpersonen sind vor allem im Hinblick auf das Ziel, qualifizierte Lehrkräfte langfristig im Beruf zu halten, von Bedeutung. Der Lehrberuf gilt gemeinhin als Beruf mit begrenzten Karriereperspektiven; es erstaunt daher nicht, dass diverse Studien eine vergleichsweise geringe Karriereorientierung von Lehramtsstudierenden im Vergleich zu anderen Studierenden nachweisen (Lipowsky, 2003; Nieskens, 2009). Das Panel zum Lehramtsstudium PaLea (Kauper et al., 2012) kommt zum Schluss, dass über 90 Prozent der Lehramtsstudierenden effektiv als Klassenlehrkraft arbeiten möchten, während nur 40 Prozent eine Schulleitungsfunktion oder 25 Prozent eine Weiterentwicklung innerhalb des Bildungssystems (Bildungsadministration, Promotion) anstreben. Eine Überprüfung des FIT-Choice-Modells für den gesamten deutschsprachigen Raum bestätigt, dass die Arbeit als Lehrperson für die meisten Studierenden den Hauptfokus ihrer Berufswahl darstellt, während das Studium als Verlegenheitslösung am seltensten genannt wird (König, Rothland, Darge, Lünnemann & Tachtsoglou, 2013).

      1.2.2Berufsziele von Berufswechslern/-wechslerinnen in den Lehrberuf

      Der Stand der Forschung zu den Berufszielen von BW war bislang dürftig. Weinmann-Lutz et al. (2006) haben gezeigt, dass BW längerfristig im Beruf zu bleiben planen, während EB das Lehrdiplom häufiger als Zwischenschritt betrachteten (Weinmann-Lutz et al., 2006). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die schweizerische Studie von Schweinberger und Safi (in diesem Band), die aufzeigt, dass die wichtigste Karriereoption für BW das Klassenlehramt darstellt, wobei besonders die Akzeptanz im schulischen Umfeld und die eigene Überzeugung bezüglich der Studienwahl wichtig für den Verbleib sind. Ähnlich wie in der Forschung zu den Berufswahlmotiven zeigt sich jedoch auch hier, dass BW keine homogene Gruppe sind: Weinmann-Lutz et al. (2006) identifizierten unter den BW verschiedene Motivtypen, darunter einen Typus, der den Lehrberuf als verhinderten Traumberuf beschreibt, aber auch einen anderen, der den Lehrberuf als Zwischenstation für die berufliche Weiterentwicklung betrachtet. Auch gemäß Watt und Richardson (2008) sind BW keine einheitliche und von anderen Lehrkräften grundsätzlich verschiedene Gruppe, was die berufliche Aspiration angeht. Jedoch scheint der frühere berufliche Status eine relevante Einflussgröße zu sein: Ist der Wechsel in den Lehrberuf mit einem sozialen Aufstieg verbunden, sind Engagement und die Absicht, im Lehrberuf zu bleiben, höher.

      Auf der Basis der dargestellten Forschungslage ist das Ziel dieses Beitrages zu ergründen, (1) welche Berufswahlmotive und beruflichen Ziele BW zu Beginn des Studiums mitbringen, (2) welche Bedeutung der frühere berufliche Status für den Berufswechsel hatte und (3) ob sich BW in Bezug auf die Berufswahlmotive und beruflichen Ziele von EB unterscheiden.

      Die Daten des vorliegenden Beitrages stammen aus dem Forschungsprojekt «Berufsleute als Lehrpersonen II: Professionelle Entwicklung im Studium» (BaL II; Bauer & Troesch, 2016). Im Projekt werden Studierende des Instituts für Vorschul- und Primarschulstufe (IVP) der Pädagogischen Hochschule Bern (PHBern) mit unterschiedlichen beruflichen und schulischen Hintergründen von Studienbeginn bis zur Diplomierung begleitet und mehrfach per Fragebogen und Leitfadeninterviews befragt.

      Per Fragebogen wurden in den Jahrgangskohorten 2017 und 2018 alle erstsemestrigen Studierenden des IVP – insgesamt 635 Studierende – angefragt. Von 362 Teilnehmenden wurden 50 aus den Analysen ausgeschlossen, weil Angaben zu den Zielkonstrukten fehlten oder die vorherige Berufsausbildung nicht abgeschlossen worden war. Die finale Stichprobe zur Beantwortung der Fragestellung bestand aus 312 Studierenden (84 % Frauen). 130 Personen hatten vor Eintritt in die PHBern mindestens eine Berufsausbildung abgeschlossen und werden nachfolgend als BW bezeichnet. 182 Personen waren EB. Dadurch sind BW in der vorliegenden Stichprobe im Vergleich zur Gesamtpopulation der IVP-Studierenden an der PHBern überrepräsentiert: Der Anteil an BW in der vorliegenden Stichprobe liegt bei 42 Prozent, in der Gesamtpopulation der IVP-Studierenden bei 23 Prozent (PHBern, 2018). Die Geschlechterverteilung entspricht den jeweiligen Anteilen in der Gesamtpopulation der Studierenden der vergangenen Jahre. Das Durchschnittsalter der Gesamtstichprobe lag bei 22.91 Jahren (SD = 5.42).

      Berufliche Ziele. Die beruflichen Ziele wurden in Anlehnung an die Studie PaLea (Kauper et al., 2012) über neun Items auf einer vierstufigen Skala von «trifft gar nicht zu» bis «trifft völlig zu» eingeschätzt (vgl. Tabelle 1).[1] Die explorative Faktorenanalyse mit Varimax-Rotation ergab drei Faktoren mit einem Eigenwert über 1, die im Folgenden mit «Lehrperson in der Volksschule», «Forschung und Entwicklung» und «Funktion im Bildungssystem» bezeichnet werden. Items und Faktorladungen können der Tabelle 1 entnommen werden.

Folgende Ziele strebe ich für meine spätere Berufslaufbahn an. Ich möchte …F & E*Bildung*Lehrer/-in*
1… die normalen Aufgaben einer Klassenlehrerin bzw. eines Klassenlehrers übernehmen..06.13–.85
2… eine Funktion in der Schule übernehmen (z. B. Fachverantwortliche[r], Verantwortliche[r] Schulbibliothek).22.69–.14
3… an der Gestaltung von Schulbüchern und Lehrplänen mitwirken..59.38–.14
4… Schulleiterin bzw. Schulleiter werden..06.83.07
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