Lehrberuf: Vorbereitung, Berufseinstieg, Perspektiven (E-Book). Mirjam Kocher
einen Doktortitel erlangen.
Anmerkung: Faktorladungen > .40 sind fettgedruckt und wurden zum jeweiligen Faktor per Mittelwert zusammengefasst. 1 Item wurde invers behandelt und zum Faktor zusammengefasst. Imputierte Daten. * Faktoren: Forschung und Entwicklung (F & E), Funktion im Bildungssystem (Bildung), Lehrperson Volksschule (Lehrer/-in).
Berufswahlmotive. Zur Erfassung der Berufswahlmotive wurde die deutschsprachige Version der FIT-Choice-Skalen (König et al., 2013; Watt & Richardson, 2007) eingesetzt. 34 Items zur Berufswahlmotivation wurden auf einer siebenstufigen Skala von «überhaupt nicht wichtig» (= 1) bis «äußerst wichtig» (= 7) für die Berufswahl Lehrperson eingeschätzt. Beispielitems sind: «… als Lehrer/-in kann ich der Gesellschaft etwas zurückgeben», «… ich selbst hatte positive Lernerfahrungen» oder «… als Lehrer/-in hat man ein gesichertes Einkommen». Aus diesen 34 Items ergeben sich elf Skalen (vgl. Abbildung 1). Die FIT-Choice-Skalen wurden in zahlreichen Studien validiert (z. B. König et al., 2013; Watt & Richardson, 2007; Watt et al., 2012). Das Instrument verfügt über mehrheitlich gute Reliabilitäten (König et al., 2013).
Beruflicher Status. 130 Personen gaben an, vor Eintritt in das Lehramtsstudium eine Berufsausbildung abgeschlossen zu haben. Die früheren Berufsabschlüsse wurden in Anlehnung an die «International Standard Classification of Occupations» (ISCO-08) klassifiziert und anschließend dem internationalen sozioökonomischen Index des beruflichen Status («International Socio-Economic Index of Occupational Status», ISEI) zugeordnet (Ganzeboom, De Graaf & Treiman, 1992). ISEI-Werte können sich auf einem Punkterange von 10 (z. B. Küchenhilfen, Tabakwarenmacher/-innen) bis 89 (Humanmediziner/-innen) bewegen. Dem Lehrberuf auf Primar- und Vorschulstufe wird der ISEI-Wert 57 zugeordnet. Um abzubilden, ob BW durch den Berufswechsel einen Statusauf- oder -abstieg erleben, wurde der ISEI-Wert 57 als Cut-off verwendet: Studierende mit einem Berufsabschluss unter dem ISEI-Wert 57 werden der Gruppe Statusaufstieg (79 %) zugeteilt, Studierende mit einem Berufsabschluss gleich oder über dem ISEI-Wert 57 der Gruppe Statusabstieg (21 %).
2.3Statistische Analysen
Die Fragestellung 1 wird anhand von deskriptiven Analysen beantwortet. Die Fragestellungen 2 und 3 wurden mittels MANCOVAs analysiert, mit den Berufswahlmotiven und den beruflichen Zielen als abhängigen und dem Karrierepfad (BW vs. EB; Fragestellung 2) beziehungsweise dem Status der Berufsausbildung (Statusaufstieg vs. Statusabstieg) als unabhängigen Variablen (Fragestellung 3). Als Kontrollvariablen wurden jeweils das Alter und das Geschlecht der Befragten berücksichtigt. Fehlende Werte wurden mit multipler Imputation regressionsanalytisch geschätzt (White, Royston & Wood, 2011).
3Ergebnisse
3.1Berufswahlmotivation
Die deskriptiven Analysen (vgl. Abbildung 1) zeigen, dass BW den Lehrberuf vor allem wählten, weil sie mit Kindern/Jugendlichen arbeiten, einen sozialen Beitrag leisten und die Zukunft von Kindern und Jugendlichen mitgestalten wollten. Am wenigsten Zustimmung erhielt die Wahl für den Lehrberuf als Verlegenheitslösung («fallback career»).
Die multivariaten Varianzanalysen mit den elf Dimensionen zur Berufswahlmotivation als abhängigen Variablen und dem Vorberuf als unabhängiger Variablen ergaben einen signifikanten Gesamteffekt des Karrierepfads (F(11, 298) = 1.86, p < .05, η2partiell = .06). Insgesamt schätzten EB die Wichtigkeit der Dimensionen zur Berufswahlmotivation für den Entscheid, Lehrer oder Lehrerin zu werden, höher ein als BW. Dies zeigte sich insbesondere bei der Dimension «intrinsischer Wert» (F(1, 308) = 5.11, p < .05, η2partiell = .02; vgl. Abbildung 1). Die Effektstärke kann dabei als klein interpretiert werden (Cohen, 1988). Bei den andern zehn Berufswahlmotiven zeigten sich keine bedeutsamen Unterschiede zwischen EB und BW (alle p > .05). Nur bei der «wahrgenommenen Lehrbefähigung» ergibt sich ein marginal signifikanter Unterschied (F(1, 308) = 3.86, p = .05, η2partiell = .01); sie wurde von den EB als tendenziell wichtiger eingeschätzt.
Abbildung 1: Berufswahlmotive (FIT-Choice; 1 = «überhaupt nicht wichtig» bis 7= «äußerst wichtig»; Mittelwerte und Standardabweichungen) von Erstberuflerinnen und Erstberuflern (EB; n = 182; dunkelblau) und von Berufswechslerinnen und Berufswechslern (BW; n = 130; hellblau). Imputierte Daten
Unter den BW zeigte sich kein bedeutsamer Effekt des früheren beruflichen Status (F(11, 115) = 0.70, p = .74, η2partiell = .07): Studierende der Gruppe «Statusabstieg» unterschieden sich in den Berufswahlmotiven nicht grundsätzlich von Studierenden der Gruppe «Statusaufstieg». Auch wenn die einzelnen Berufswahlmotive betrachtet werden, zeigt sich bei keinem der Motive ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen (alle p > .05; η2partiell ≤ .02).
3.2Berufsziele
Die deskriptiven Analysen (vgl. Abbildung 2) zeigen, dass Studierende im Durchschnitt am häufigsten das Ziel nennen, als Lehrperson in der Volksschule zu arbeiten. Durchschnittlich am seltensten wurde das Ziel genannt, in der Forschung und Entwicklung zu arbeiten; eine weitere Funktion innerhalb des Bildungssystems zu bekleiden, liegt dazwischen.
BW unterscheiden sich in den beruflichen Zielen von EB (F(3, 300) = 4.07, p < .01, η2partiell = .04): EB geben signifikant höhere Werte beim Berufsziel Lehrperson Volksschule an (F(1, 300) = 2.13, p < .05, η2partiell = .02), BW bei der weiteren Funktion im Bildungssystem (F(1, 300) = 7.30, p < .01, η2partiell = .02). Die Effektstärken können dabei als klein interpretiert werden (Cohen, 1988).
Abbildung 2: Berufliche Ziele (von 1 = «trifft gar nicht zu» bis 4= «trifft völlig zu»; Mittelwerte und Standardabweichungen) von Erstberuflerinnen und Erstberuflern (EB; n = 182; dunkelgrau) und von Berufswechslerinnen und Berufswechslern (BW; n = 130; hellgrau). Imputierte Daten
Werden nur BW analysiert, zeigt sich auch hier kein bedeutsamer Effekt des früheren beruflichen Status auf die beruflichen Ziele (F(3, 119) = 1.05, p = .38, η2partiell = .03). Auch wenn die einzelnen Berufsziele betrachtet werden, zeigt sich bei keinem der Ziele ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen (alle p > .05; η2partiell < .03).
4Diskussion
Der vorliegende Beitrag untersucht die Frage, ob und inwiefern sich bei den Berufswahlmotiven und Berufszielen von Berufswechslern/-wechslerinnen in den Lehrberuf (BW) im Vergleich zu Erstberuflern/beruflerinnen (EB) Unterschiede zeigen und welche Rolle der soziale Status des Vorberufs beim Berufswechsel spielt. Die Frage ist vor dem Hintergrund der zunehmenden Öffnung der pädagogischen Hochschulen für heterogene Zielgruppen von Belang, denn um qualifizierte Lehrpersonen mit unterschiedlichen Ausbildungs- und Berufshintergründen ausbilden und langfristig im Beruf halten zu können, sind Kenntnisse von