HEAR 'EM ALL. Группа авторов
dem Original verstanden werden kann. Und die Flöte? Spielt Ian Anderson heute immer noch, allerdings ohne Jethro Tull und seinen Gitarristen Martin Barre. Der tingelt seit ein paar Jahren durch kleine Clubs auf der ganzen Welt und gibt ziemlich harte Shows.
URIAH HEEPLook At Yourself | Thorsten Hindrichs |
[Bronze, 1971]
Eine meiner ersten Platten überhaupt war der 1981 von der Sparkasse herausgegebene Sampler »I Like No. 1 Oldies«. »12 SUPERHITS in ungekürzter Originalfassung« für schlappe fünf Mark waren für mich, der ich gerade erst begonnen hatte, mich in der Welt des Rock zu orientieren, sowas wie der Jackpot. Nur »Lady In Black« fand ich damals schon Scheiße (und »Lola« von den Kinks, das tut hier aber nichts zur Sache). Allerdings stand auch das Folgende auf dem Cover: »Uriah Heep galt 1970 als eine der lautesten und härtesten Gruppen der Welt«, und weiter: »Gegen diesen aggressiven Stil tendierte … Ken Hensley mehr zu leiseren und melodischen Tönen hin«. Letzteres ist, wie ich inzwischen weiß, zwar vollkommen falsch, aber »laut« und »hart« hatten mein Interesse sofort geweckt.
Ich besorgte mir umgehend »… Very ’Eavy … Very ’Umble«, die erste Platte von Uriah Heep, die ich für den Anfang schon mal ganz okay fand, »Salisbury« ließ ich aus (wegen »Lady In Black«) und legte stattdessen mit der »Look At Yourself« nach. Was für eine (für damalige Verhältnisse) Offenbarung in Sachen Lautstärke und Härte! Schon der Titeltrack brachte meinen Kinderzimmerplattenspieler umgehend an die Grenzen seiner Belastbarkeit. Ken Hensleys Hammondorgel-Riffs, von Gitarre und Bass gedoppelt, das treibende Schlagzeug, der engelsgleiche Satzgesang und gegen Ende hin dann noch jede Menge Percussions zusätzlich (die übrigens von Osibisa beigesteuert wurden), »Look At Yourself« ist ein einziges Brett. Ähnlich fett scheint es im ersten Moment mit »I Wanna Be Free« weiterzugehen, das mit brachialen Powerchords beginnt, dessen erste Strophe dann aber zunächst vergleichsweise zurückgenommen klingt, ehe der Song sich ab der zweiten Strophe zu einer wesentlich besseren Version von »Gypsy« (vom ersten Album) entwickelt.
Dass auf der A-Seite der Platte nur drei Songs sind, hängt naheliegenderweise damit zusammen, dass alleine »July Morning« schon mehr als zehn Minuten dauert, in denen so ziemlich das komplette Soundrepertoire der Rockjahre um 1970 ausgebreitet wird. Erinnert die erste Minute noch sehr deutlich an Joe Cockers »With A Little Help«, geht’s danach mit einer reichlich unverblümten Anverwandlung von »Child In Time« weiter. Allerdings ist Mick Box halt nicht Ritchie Blackmore, sodass Ken Hensley sich ganz und gar auf seine Hammond verlassen muss. Deep Purple (MK II) als Referenzpunkt ist wohl ohnehin das große Problem der frühen Uriah Heep. Ken Hensley ist mindestens genauso begabt wie Jon Lord, hat aber gänzlich anderes Personal zur Verfügung, sodass ihm nichts anderes übrig bleibt, als sich trotz aller klanglichen Verweise gleichzeitig von Deep Purple abzusetzen, indem er (wie z. B. in »July Morning«) anfängt, mit Klanggestaltung zu experimentieren: Nicht nur, dass sich während der letzten vier Minuten des Songs Manfred Mann als Gaststar immer exzessiver an seinem Moog austoben darf, gegen Ende wird mit Links-Rechts-Stereophonie gespielt, dass es – jedenfalls für Soundfreaks wie mich – ein Riesenspaß ist.
»Tears In My Eyes« als Opener der B-Seite ist in dieser Hinsicht geradezu ein Best of aller Klang- und Stilspielereien der ersten Seite: fettes Anfangsriff, Slide-Gitarre, ein Beat, der nach vorne geht, jede Menge Moog, Panning-Effekte – und ein Slide-Gitarrensolo am Ende, das derart steil geht, dass wer meinen könnte, Led Zeppelin hätte sich mit den Allman Brothers verbündet. »Shadows Of Grief« macht die musikalische Auseinandersetzung mit Deep Purple mehr als deutlich; nur dass Mick Box halt nicht … Trotzdem oder vielleicht gerade drum ist das vermutlich der zweitbeste Purple-Song, den Deep Purple nie, und der beste Song, den Uriah Heep je geschrieben haben. »What Should Be Done« klingt arg nach Psychedelic-Musical und ist von daher wohl der Tiefpunkt der Platte, aber immerhin nicht richtig peinlich: »It felt good that way and seemed to be what we needed« heißt es auf dem Backcover. Nun gut, sei’s drum, nach dem ersten Durchhören der Platte wusste ich ja, was danach kommt. »Love Machine« ist der (jetzt wirklich) beste Deep-Purple-Song, den Deep Purple nie geschrieben haben und härter und lauter als alles, was Blackmore und Co. bis dahin abgeliefert hatten; dichter im Mix, mit einer schweinigeren Schweineorgel als Jon Lord und immer wieder dieser endgeilen Slide-Gitarre. Weiter nach vorne ging um 1971 kein anderer Song.
»Paranoid« sei das für die Entwicklung des Metal einflussreichste Album überhaupt, steht so bei Wikipedia und auch sonstwo immer mal wieder. Ich werde den Teufel tun und so weit gehen zu behaupten, das wäre Quatsch, aber zumindest in Sachen Soundbrettqualität, soweit wage ich mich dann doch mal vor, hat Uriah Heep mit »Look At Yourself« Black Sabbath damals (!) um Längen geschlagen. Und wieso das Album in allen einschlägigen Prog-Rock-Publikationen trotz aller Song- und Klangtüfteleien überhaupt gar nicht vorkommt, verstehe ich erst recht nicht.
Klar, eigentlich gibt es kaum eine peinlichere Band als Uriah Heep. »Aah ha ha haha haa haha haa« kann vermutlich seit spätestens 1977 niemand mehr hören, geschenkt, müssen wir gar nicht drüber reden, aber hey, bleiben wir doch bitte fair: »Look At Yourself« ist das am meisten unterschätzte Album der Metal-Geschichte, hört’s euch wirklich mal an!
SLADESlade Alive! | Wolfgang Weber |
[Polydor, 1972]
Schon als Kind hatte ich täglich Kontakt zu Kleinkriminellen. Nicht, weil ich in einer Familie mit zweifelhaftem Ruf aufwuchs, sondern weil meine Eltern ein Heim für junge Männer leiteten, die man auf Bewährung aus dem Knast entlassen hatte. Die »Probanden«, wie wir sie damals nannten, entstammten meist dem Drogenmilieu, was wir Kinder irgendwie spannend fanden. Sie hatten lange Haare und zauselige Bärte und verbreiteten eine einzigartige Duftmischung aus Bier, Zigarettenrauch (Schwarzer Krauser) und Schweißfüßen. Eines Tages Anfang der 70er, ich war 14 Jahre alt, kam ich von der Schule nach Hause, ich hatte mir soeben noch bei »Radio Beck« für 5 Mark die Single »Coz I Luv You« von Slade gekauft. An der Haustür traf ich Josef, einen der Probanden. Er hatte sich gerade im Tante-Emma-Laden Bier geholt. »Sieh mal, was ich habe«, sagte ich und zeigte ihm stolz das Cover meiner nagelneuen Platte. »Slade«, sagte er. »Die sind schwer in Ordnung.« Aber, so fügte er mit geheimnisvoller Miene hinzu, er könne mir da etwas anderes von Slade vorspielen, das noch weitaus besser sei als diese Single. Ob ich das mal hören wolle? »Klar«, sagte ich, und so gingen wir gemeinsam hoch auf sein mit Postern tapeziertes, penetrant müffelndes Zimmer. Er zeigte mir das Cover einer LP, es war rot und schwarz und sah für mich irgendwie furchterregend aus. »Das sind Slade live«, sagte er. »Das haut dich um.«
Mit der rechten Hand drehte er sich eine Kippe, während er mit der linken die Scheibe auf den Plattenteller legte. »Du musst das sehr laut hören«, murmelte er – eine Sekunde später begann das Inferno. Aus den Boxen dröhnte in ohrenbetäubender Lautstärke ein klopfendes Geräusch, als würde ein verrückt gewordener Gefangener immer wieder in Todesangst mit der Faust gegen eine Wand hämmern. Begleitet wurden die Schläge von einer krächzenden Stimme, die anscheinend um Hilfe rief. Das Ganze ging irgendwann in eine Art Lied über und erst viele Jahre später erfuhr ich, dass der erste Album-Song »Hear Me Calling« eigentlich gar nicht von Slade, sondern von Ten Years After stammte. Die nächsten Lieder kannte ich alle auch nicht, erst ganz am Ende gab’s noch eine Version von »Born To Be Wild«, das hatte ich schon mal in einer anderen, viel langweiligeren Fassung gehört. Da saß ich nun also in einer vollkommen verqualmten Bude mit einem vorbestraften, aber netten jungen Mann mit stolzen Koteletten, dessen Gesicht schwerste Unreinheiten aufwies und der sich eine Filterlose nach der anderen ansteckte, während er mittags um zwölf schon Bier aus der Flasche trank. Ein Stockwerk weiter unten kochte meine Mutter Blumenkohl mit Salzkartoffeln, hier oben in Josefs versiffter Bude tobte die Apokalypse. War das geil!
Rund 40 Jahre später flog ich nach Manchester, wo ich Noddy Holder, den krächzenden Sänger von Slade, interviewen durfte. Natürlich erzählte ich ihm meine Geschichte von »Slade Alive!« und fragte ihn auch, warum er beim Song »Darling Be Home Soon« so laut ins Mikrofon gerülpst hätte (was mich als Kind schwer beeindruckte).