HEAR 'EM ALL. Группа авторов

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nur, dass die Fans danach bei jedem Konzert diesen Rülpser von ihm erwarteten, und zwar immer beim Lied »Darling Be Home Soon«, und natürlich immer genau an der gleichen Stelle. »Ein paar Mal habe ich es noch gemacht, aber irgendwann übernahmen die Fans diesen Part.« Ich schaute ihn voller Bewunderung an und sagte: »Damals gab es den Begriff Heavy Metal ja noch gar nicht, aber eigentlich ist ›Slade Alive!‹ für mich das erste Heavy-Metal-Album der Welt.« Noddy, der mit seiner gelben Seniorenjacke wie ein schlitzohriger irischer Gutsherr wirkte, stutzte kurz, dann sagte er: »Yeah! So habe ich das noch gar nicht gesehen! Aber du hast Recht, Kumpel!« Und als er mir dann noch zum Abschied mit der Hand auf die Schulter klopfte, war das für mich wie ein Ritterschlag. Schade, dass ich das Josef nicht mehr erzählen konnte.

DEEP PURPLEMade In Japan André Buron

      [Purple Rec., 1972]

      Der Sommer 1985 war ein ganz besonderer. Ich hatte mein Sparkonto geplündert und zusammen mit sechs Freunden einen VW-Bus gekauft, um damit in den großen Ferien der Enge unseres Dorfes zu entfliehen. Wochenlang werkelten wir an dem T1, trieben uns auf Schrottplätzen herum, lackierten die Karosserie und klebten am Ende einen großen Gaston an den Bug, schließlich sollte es nach Frankreich gehen. Zehn Tage vor Schulende stand dann die Generalprobe für unseren Trip an: das Deep-Purple-Open-Air auf dem Zeppelinfeld in Nürnberg. Die legendäre Mark II-Besetzung hatte im Jahr zuvor wieder zueinander gefunden und das gar nicht mal so üble Comeback-Album »Perfect Strangers« aufgenommen.

      Eigentlich war ich Led-Zeppelin-Fan, zumindest offiziell, was an meinem drei Jahre älteren Freund Thomas lag. Der nämlich galt als der allergrößte Deep-Purple-Spezialist zwischen Springe und Bennigsen und besaß neben den gängigen Alben ungefähr jede Platte, auf der aktive oder ehemalige Bandmitglieder jemals einen Ton hinterlassen hatten. Ich selbst fand Purple eigentlich auch super, musste mich aber irgendwie abgrenzen und wollte als Jüngerer natürlich meine Eigenständigkeit beweisen. So kam es schließlich dazu, dass ich nahezu jeden Pfennig meines Verdienstes als Zeitschriftenausträger in meine Led-Zeppelin-Sammlung steckte und bald mehr als 50 Bootlegs mit oft gleichen Songs in meist unterirdischer Soundqualität in meinem Zimmer stehen hatte. Dabei ging mir Robert Plants Geschreie gelegentlich doch auf den Keks, was ich mir natürlich nur schwer eingestand.

      Auf Purple war ich bereits 1980 bei einer Schulfete gestoßen. Während ich still mein Schokokuss-Brötchen genoss, übten sich einige coole Oberstufler im exzessiven Ausdruckstanz. Dazu lief ein Song mit einem sehr prägnanten Intro. Irgendwo schnappte ich »Deep Purple« auf und am nächsten Tag nahm ich die Reise mit dem Zug nach Hannover auf mich und kaufte im Fachhandel »Die Schallplatte« das günstigste Purple-Album, das ich kriegen konnte. Das Cover zierte ein Gemälde von Hieronymus Bosch. Zu Hause war ich dann etwas enttäuscht, irgendwie klang das alles nicht schlecht, aber doch völlig anders als das, was ich in der Aula gehört hatte. Beim nächsten Versuch hatte ich mehr Glück. Statt 8,90 Mark gab ich diesmal 16,90 aus und bekam dafür gleich ein goldenes Doppelalbum. Und diese Investition sollte sich lohnen. »Made in Japan« wurde für die nächsten Jahre zum Soundtrack meiner Nachmittage. Wahrscheinlich kann sich auch meine Mutter noch heute gut an den immer wieder durchgenudelten Eröffnungsriff von »Smoke On The Water« erinnern, der in der Live-Version von Blackmore variiert – manche sagen auch verkackt – wird. Genauso wie an mein begleitendes Getrommel auf dem Fußboden zum Drum-Solo von Ian Paice in »The Mule«. Ziemlich genau neun Monate nach der Veröffentlichung des dritten Mark II-Albums »Machine Head« kamen die Aufnahmen aus Osaka und Tokio im Dezember 1972 heraus. Gegenüber den Studioeinspielungen legt die Band auf der Bühne noch mal eine Schippe drauf und gewinnt den Doppel-Live-Album-Vergleich gegen Led Zeppelins »The Song Remains The Same« haushoch. Purple befanden sich auf dem absoluten Höhepunkt ihrer Karriere. Besonders natürlich Ian Gillan, der Blackmore in »Strange Kind Of Woman« beeindruckend Paroli bieten kann und auch alle Höhen von »Child In Time« mit Leichtigkeit bewältigt, dem einzigen Song aus »Made In Japan«, der auf der Setlist in Nürnberg dann leider fehlte.

      Meine Led-Zeppelin-Bootlegs verkaufte ich zwei Jahre später kurz vor dem Abitur. Von dem Geld schaffte ich einen Opel Kadett an und machte Urlaub in Italien. »Made In Japan« auf Tape half dabei, den Stau am Brenner zu überstehen.

IGGY AND THE STOOGESRaw Power Christof Meueler

      [Columbia] 1973

      »Die Stooges sind ein gottverdammtes Monster,

      die fressen dich auf.«

      Iggy Pop

      »Heute sind sie eine der einflussreichsten Rock’n’Roll-Bands, 1973, als sie sich auflösten, waren sie Dreck.« So beginnt »Gimme Danger«, der Dokumentarfilm von Jim Jarmusch über die Stooges. »Gimme Danger« heißt das zweite Lied auf »Raw Power«, dem dritten Album der Band. Man sagt, diese Musik sei Urpunk. Aber das sagt man auch über die MC5 aus Detroit. Dabei hatten die nur ein Stück, das so klang: »Kick Out The Jams«. Das wiederum überzeugte Iggy Pop, Ron und Scott Asheton sofort, als sie es zum ersten Mal hörten: Es dröhnte durch die geschlossene Tür eines Clubs. Dann gingen sie rein und waren begeistert. Danach gründeten sie The Stooges, 1967 in Ann Arbor, einer Nachbarstadt von Detroit.

      Ihre ersten drei Alben sind allesamt kanonisch. Jedes weist in eine andere Richtung: zum Protopunk (»The Stooges«, 1969), zum Noise (das wahnsinnige »Fun House«, 1970) und zum Hardrock (»Raw Power«, 1973). Die Lehre der Stooges ist allmächtig, weil sie wahr ist. Für Iggy Pop waren sie ein »niederträchtiges Pack, das gut miteinander umging« bzw. »wahre Kommunisten, die ihr Geld und ihr Essen teilten«. Lester Bangs fasste es so zusammen: »Alle haben eine coole Zeit und am Ende steht Befreiung.« Ihre Platten verkauften sich fast gar nicht. Als die Stooges schon hinüber waren und Iggy Pop jede Droge nahm, »die ihm in die Finger kam, vor allem Heroin«, wie Simon Reynolds in »Glam« schreibt, tauchte David Bowie aus England in den USA auf und wollte ihn zum Star machen. Ebenso wie Lou Reed, der Velvet Underground verlassen hatte. Aber vor allem sich selbst. Denn Bowie wollte die USA, den größten Musikmarkt der Welt, erobern.

      Das war die Idee seines neuen Managers Tony Defries. Dessen Firma MainMan verordnete Bowie Glamrock, Science Fiction und sexuelle Ambivalenz. Für die dunklen Seiten des Lebens präsentierte er sich der Presse zusammen mit Lou Reed und Iggy Pop, den Underground-Helden aus USA. Und dann wurde seine »Ziggy Stardust«-Tournee 1972 ein Triumph. Im selben Jahr produzierte er im August in London »Transformer«, die beste Platte von Lou Reed. Einen Monat später war Iggy Pop dran. Der kam mit seinem Kumpel James Williamson, dem zweiten Gitarristen der Stooges. Auch er war voll drauf. In »Please Kill Me« beschreibt ihn Kathy, die jüngere Schwester der Ashetons, als »schwarze, sich herabsenkende Wolke«.

      Die erste Entscheidung von Iggy und Williamson war: Die Asheton-Brüder sollten nachkommen. Denn in England hatten sie keine bessere Rhythmusgruppe auftreiben können. Ursprünglich hatte man bei MainMan gedacht, sie könnten sich die Musiker bei anderen Formationen, zum Beispiel bei Musikgruppen der Loony Left wie Third World War oder Edgar Broughton Band ausleihen. Doch Pop und Williamson winkten ab. Sie fanden an den Ashetons toll, dass sie »primitive Männer« waren, wie es Iggy in »Gimme Danger« ausdrückte. Und die freuten sich sehr, nach London zu kommen. Da hatten sie endlich wieder etwas zu tun.

      Im Gegensatz zu David Bowie als Produzent. Der konnte sich auch in späteren Interviews nicht beruhigen, wie Iggy Pop das CBS-Studio in London benutzte: Von 24 Spuren brauchte er nur drei Stück: eine für die Band, eine für die Leadgitarre von James Williamson und eine für seine Vocals.

      Aufgewachsen in einem Wohnwagen, war Iggy für Beschränkung. Auch die Lyrics seiner Songs sollten kurz sein, damit sie wirken. Das hatte er aus dem Kinderfernsehen der späten 1950er, wo es hieß: Briefe an den Sender dürften niemals länger sein als 25 Wörter, sonst würden sie nicht wahrgenommen.

      Angeblich wurde »Raw Power« in wenigen Tagen aufgenommen. Bowie sollte die Platte mixen, doch ihm blieb nichts weiter zu tun, als ein bisschen die Lautstärke zu pegeln. Und auch das misslang: Die Platte hörte sich schon lange vor der Digitalisierung


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