HEAR 'EM ALL. Группа авторов

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wirkt. Die Drums sind noch wahrnehmbar, so als würde im Hintergrund jemand auf Blech prügeln, doch der Bass, den hier Ron Asheton spielt, ist verschollen. Angeblich war dieser Sound ein Kompromiss, da Tony Defries vom ursprünglichen Mix vollkommen angewidert gewesen sein soll.

      Noch merkwürdiger ist der Umstand, dass der neue Mix der Platte, den Iggy 1997 veröffentlichte, weil er meinte, der von Bowie stecke voller »Unkraut«, sich fast genauso verwaschen anhört. Am merkwürdigsten aber ist, dass genau diese Dumpfheit am besten knallt, da der »Original Studio Mix«, der schon 1994 auf dem Label von Greg Shaws Fanzine »Bomp« unter dem Titel »Rough Power« erschienen war, zwar klarer klingt, damit aber auch konventioneller und lascher.

      Denn Iggys isolierter Peitschengesang harmoniert hervorragend mit Williamsons sich säureartig durch die Songs wie die Raupe Nimmersatt aus dem Kinderbuch durchfressendem Gitarrenspiel. Ihr Verhältnis hat Iggy in »Gimme Danger« so beschrieben: »Die Gitarre spielte James Williamson so, als würde man einen Drogensuchhund in sein Haus lassen: Er fand jede Ecke und füllte sie. Ich suchte nach dem Raum, der noch übrig war, in dem ich dann singen konnte.« Williamson wiederum legt im Film Wert auf die Feststellung, dass die Ashetons an Bass und Drums am wichtigsten gewesen waren – auch wenn man sie kaum hört.

      Punk-präambelgleich beginnt »Raw Power« mit dem Überklassiker »Search and Destroy«, den sich Iggy auf einer Parkbank in den Kensington-Gärten ausgedacht hat, während er Heroin schnupfte, wie er im Booklet zum 1997er-Mix schreibt. Den Titel hatte er aus einem Text in der »Times«, der vom Vietnamkrieg handelte. Damit entwarf er existenzphilosophisch auch eine Parole des Zorns für alle, die sich später, sei es nun im Punk oder im Metal, irgendwie als gefährliche Biester imaginieren wollten: »I’m a streetwalking cheetah with a heart full of napalm / I’m a runaway son of the nuclear A-bomb / I am the world’s forgotten boy / The one who searches and destroys«. Als wenn er in einem Manuskript mit fettem roten Marker viel unterstreichen müsste, ruft Iggy immer wieder »hey hey« dazwischen, barmt »Somebody gotta save my soul / Baby, penetrate my mind« und wiederholt gegen Ende mehrmals »forgotten boy, forgotten boy«. Was für ein Statement, Manifest, Kunstwerk!

      Doch das sind »Raw Power« und »Shake Appeal« ja ebenfalls, nur nicht ganz so lebensgefährlich schillernd, auch wenn Iggy über letztere im Booklet meint, nie wieder so nahe dran an Little Richard gewesen zu sein, einem seiner Vorbilder. Reynolds unterstellt Iggy ein »Method Acting«: den Lärm auf sich selbst anwenden, um das Publikum auf die Probe zu stellen.

      Und so fordert er gleich im zweiten Lied: »Gimme danger little stranger«. Es hat die beste Stelle auf dem ganzen Album, dann, wenn Iggy in der zweiten Strophe nach der Zeile »Raise my feelings one more time« aufschreit und das Lied in zwei Hälften bricht, indem er diese Ballade brüllend beschleunigt, aber dann auch wieder blitzartig das Tempo runterfährt, um sie sozusagen im Höllenfeuer verglimmen zu lassen.

      MainMan hatte angeordnet, dass sich auf »Raw Power« zwei Balladen befinden sollten. Auch die zweite, »I Need Somebody« auf der B-Seite, wird gegen Ende hin geschreddert, in kongenialem Teamwork von Iggy Pop und James Williamson, der mit seiner Gitarre die Lieder zersägt, mit skizzenartigen, improvisierten Soli, die er aneinanderreiht. Er ist das destruktive Echo von Iggys aufreizend unheilvollem Gesang, dem er bei allem Grobianismus letztlich geschmeidig folgt. »I need somebody, baby« – geht es überhaupt universaler? Ich brauche jemand, aber bitte auf drei Spuren: einen Iggy, einen Williamson, eine Band namens Stooges.

BUDGIENever Turn Your Back On A Friend Ernst Hofacker

      [MCA, 1973]

      Zugegeben, ich war ein bisschen spät. Als ich sie für mich entdeckte, waren Budgie fast schon wieder rum ums Eck: 2. Oktober 1976. In der Dortmunder Westfalenhalle sollte das erste »Rock Dream«-Festival über die Bühne gehen. Ein Festival war zu dieser Zeit in der Gegend zwischen Köln und Osnabrück selten genug. Also hin! Angekündigt waren große Namen: Quicksilver Messenger Service, Procol Harum, Golden Earring, John Cale. Und Rainbow, die Ritchie Blackmore erst ein Jahr zuvor gegründet hatte und die gerade ihr zweites Album »Rising« veröffentlicht hatten. Dazu ein paar Prog-Bands wie Caravan, Van der Graaf Generator und Camel plus die deutschen Wallenstein und Scorpions. Unter ferner liefen dann noch die UK-Folkies Magna Carta sowie – Budgie.

      Hingefahren bin ich vor allem wegen Quicksilver, die aber – mit sowas musste man damals rechnen – nicht erschienen (genauso wie die hierzulande noch kaum bekannten AC/DC, auch wenn manche Website noch heute das Gegenteil behauptet, wohl weil die Band zu dieser Zeit als Support mit Rainbow auf Deutschlandtour war). Anyway, gleich zu Beginn des Festivals, es muss später Nachmittag gewesen sein, die Sonne fiel noch durch die Oberlichter der Halle, standen da ein wenig verloren diese drei zotteligen Jungs auf der riesigen Bühne. Kein großes Licht, keine Pappmaché-Kulissen, nur drei Musiker mit ihren Instrumenten, unglamourös, kein Samt, keine Seide, stattdessen Jeans und Schaftstiefel. Und sie donnerten los. Straight, tight und präzise wie ein Uhrwerk. Und dann diese Stimme, ach was, diese Sirene von Burke Shelley, einem blassen Kerl mit hässlicher Brille und Rabengesicht. Der Bursche hatte Sinn für Dramatik, auch wenn er sich kaum bewegte. Mich jedenfalls hatten sie. Die drei unscheinbaren Waliser waren meine Band des Tages. Ein anderer Waliser, John Cale, kam mit einem astreinen Rockset nahe heran. Der Rest aber interessierte mich nicht mehr sonderlich, schon gar nicht Rainbow, die eine mit protzigem Regenbogen verzierte zweite Bühne beanspruchten, die bis zum späten Abend ungenutzt im Weg herumstand.

      Wieder zu Hause, besorgte ich mir »Never Turn Your Back On A Friend«, das dritte Budgie-Album, erschienen schon 1973 – ihr wohl bestes. Es gehörte nun für einige Zeit in meine Playlist. Nicht nur wegen des stellenweise visionären Riffings von Gitarrist Tony Bourge, sondern auch weil die drei ihren bluesgeerdeten und überaus fantasievollen Hardrock mit zarten Ausflügen ins Folkfach auspolsterten.

      Warum sie es nie so richtig geschafft haben? Vielleicht mangelte es ihnen an Konstanz, vielleicht an Charisma, vielleicht aber fehlte auch der eine ganz große Song, der alle weiteren Fragen überflüssig macht. Egal, sie hatten ihre Zeit, und sie machten einen klasse Job. Man musste nur die Augen schließen und zuhören. Oder das Roger-Dean-Coverbild betrachten: Ein Junge mit rotem Wams und umgeschnalltem Schwert führt darauf einen riesigen Fantasievogel durch eine felsige Fantasielandschaft. Das sah so ähnlich aus wie bei »Close To The Edge« von Yes oder »Demons And Wizards« von Uriah Heep. Ein Umfeld, in das Budgie bestens passten und das sich seinerzeit vor allem durch den Begriff »Progressive« definierte. Von Hardrock sprach man gelegentlich schon, sicher nicht aber von Metal als fest umrissenem Genre, tatsächlich reichte das Spektrum von Genesis bis Zeppelin und von Sabbath bis Pink Floyd.

      Budgie blieben noch eine ganze Weile auf meinem Plattenteller. Bis dann die Jams, Costellos, Clashs und Pistols kamen und kurzen Prozess machten. Dass Budgie später zur New Wave of British Heavy Metal zählten, mit Ozzy auf Tour waren und ihre Musik, nicht zuletzt durch das »Breadfan«-Cover von Metallica, neuerliche Wertschätzung erfuhr, hab ich kaum mitgekriegt. Für mich bleiben sie die drei zotteligen Jungs von der Nachmittagsbühne in Dortmund. Ein paar mehr Fans hätten sie verdient gehabt.

AEROSMITHGet Your Wings Torsten Groß

      [Columbia, 1974]

      Der Blitz durchfuhr mich beim Staubsaugen. Überhaupt ist Staubsaugen ja eine hochmeditative Tätigkeit, bei der einem die besten Ideen kommen, das ist bekannt. Immer wieder findet man außerdem längst verloren geglaubte Dinge oder alte Bananenschalen. An diesem ganz besonderen Tag jedoch fand ich etwas, von dem ich gar nicht wusste, dass ich es jemals besessen hatte.

      Ich saugte also Staub, schob gedankenverloren ein Kissen zur Seite – und plötzlich lag da diese Kassette auf der Couch. TDK 90, ein Klassiker. Ich besaß viele solcher Tapes, aber dieses hier hatte ich noch nie gesehen. Irgendjemand, meine Schrift war es nicht, hatte in einer kläglichen Imitation des klassischen Adler-Bandlogos den Namen Aerosmith draufgekritzelt. Ein Freund musste die Kassette bei mir vergessen haben, doch trotz umfangreicher Recherchen hat sich bis heute keiner gefunden. Seitdem bin ich geneigt, an


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