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und »In The Light« über acht Minuten lang sind. Was tun? Die Band scheint die Songs sämtlich für gelungen gehalten zu haben, also war nichts zu kürzen, sondern es bot sich an, für ein Doppelalbum das eigene Archiv in Anspruch zu nehmen. Und siehe da: Sie gruben ein Outtake von »Led Zeppelin III« aus, drei Outtakes von »Led Zeppelin IV« und drei von »Houses Of The Holy«, darunter den Titeltrack, der nicht verwendet worden war.
5Wir springen zwischen Statistik und Autobiographie hin und her: Welcher meiner älteren Brüder die ersten vier Alben von Led Zeppelin besaß, müsste ich nachfragen. Das fünfte Album erwarb ein Kumpel von mir und »Physical Graffiti« kaufte ich mir selbst, so wollen es mir Erinnerungspartikel weismachen. Ich war mindestens so fasziniert von dem aufwändig gestanzten Cover wie von den Songs. Allein über die Historie und Beschreibung des Covers benötigt das englische Wikipedia zwei Seiten! Und es ist interessant!
6Nein, wir wenden uns den stärksten, den prägenden Songs zu. Lässt man gleichzeitig weg, auf die Röhre bzw. das Geschrei von Plant einzugehen oder auf Pages Gitarrenkunst bzw. Leistungsschau, stechen für mich einerseits John Paul Jones’ Verwendung des Clavinets hervor (oder Fender Rhodes? Oder abwechselnd?), denn den Clavinet-Klang verbinde ich eher mit Soul und Funk – Stevie Wonders »Superstition«! Andererseits fasziniert mich die traumwandlerische Meisterschaft von John Bonham. »In the Light«, »Kashmir«, »The Wanton Song« und so weiter: Sie hatten schon recht, die Band gleichsam aufzulösen, nachdem Bonham gestorben war.
7Der Vollständigkeit halber hätte ich gern »D’yer Mak’er«, einen meiner Lieblingssongs von Led Zeppelin, auf dem Doppelalbum gehabt, sehe aber ein, dass es ir-gend-wie unpassend gewesen wäre (ja, ja, ja, war längst raus).
8Ach ja: »Physical Graffiti«, heißt es, war das erste Album aller Zeiten, das schon dank der Vorbestellungen Platin-Status erlangte. Hört, hört.
9»Physical Graffiti« lebt! Wenn auch hochbetagt.
RUSH2112 | Schepper |
[Mercury, 1976]
Egal, ob auf die besagte einsame Insel, einen Flug zum Mars, oder einfach auf ’ne Reha, neben meinem Bass würde ich auf jeden Fall das großartige dritte Album »2112« von Rush einpacken.
Seit Anfang der Neunziger bin ich ein großer Rush-Fan und habe mich seitdem mit allen Alben der Band mit Begeisterung beschäftigt. »2112« gefällt mir besonders wegen der coolen Songs, Geddy Lees knörrigem Rickenbacker-Bass-Sound und seiner Virtuosität, dem ungestümen und ideenreichen Gitarrenspiel Alex Lifesons und dem unglaublichen Drumming von Leseratte »Professor« Neil Peart, der meistens auch für die Texte zuständig war.
»2112« von 1976 gilt quasi als Blaupause für den Rush-Sound. Hier kristallisierte sich ihr eigener Stil heraus, der seitdem mit viel Zeitgeist, Einflüssen aus diversen Musikstilen und wachem Input angereichert und weiterentwickelt wurde. Nach dem – klammert man das Debüt mit anderem Schlagzeuger mal aus – zweiten, schwer progressiven, kommerziell nicht so richtig erfolgreichen Album »Caress Of Steel« drängt die Plattenfirma das kanadische Powertrio auf Hits, Singles und Chartfreundlichkeit. Aber Rush machen trotzdem ihr eigenes Ding, setzen alles auf eine Karte und liefern das ab, was sie am besten können: ein vielseitiges, progressives, hardrockiges, verspieltes, musikalisch anspruchsvolles Album mit interessanten Texten.
Und zum Glück treffen Rush hiermit genau den Nerv der Zeit. Die Weltraumsaga »2112«, eine abwechslungsreiche Prog-Rock-Suite, füllt die gesamte erste Albumseite und findet nicht nur bei Science-Fiction-Fans großen Anklang, sondern auch bei der breiteren Masse.
Auf der zweiten Seite geht es hardrockig weiter mit dem genialen »Passage To Bangkok« (mit augenzwinkerndem Kiffertext), dem schrägen, interessant arrangierten »Twilight Zone«, dem melodiösen Rocker »Lessons«, dem getragenen »Tears« und dem flotten Prog-Rock-Song »Something For Nothing«.
Danke Jungs, ihr habt alles richtig gemacht, euch nicht verbogen, trotzdem euren Plattendeal behalten – und habt bis heute nicht ein schlechtes Album abgeliefert.
SCORPIONSVirgin Killer | Jochen Neuffer |
[RCA, 1976]
Es gibt zwei Scorpions. Die alten von vor 1979 und die neuen von danach. Die neuen kennt jeder. Die alten kennt keiner – und das ist ein Fehler. Dabei waren schon ganze fünf Studioalben veröffentlicht, bevor man sich anschickte, die Welt zu erobern. Privatjet und gestreifte Gymnastikhosen inklusive. Album Nummer vier ist »Virgin Killer«. Für eine gewisse Berühmtheit hat seinerzeit wohl das Cover gesorgt. Es zeigt ein etwa zwölfjähriges nacktes Mädchen hinter Glas. Der Riss in der Scheibe verdeckt nur das allernötigste bzw. betont es sogar noch, denn der Blick des Betrachters wird unweigerlich auf die Mädchenmitte gelenkt. Zum Glück hatte die Plattenfirma, oder wer auch immer, ein Einsehen und so wurde bei den späteren Auflagen die Abbildung durch ein Gruppenbild – jetzt ohne Dame – ersetzt. Aber schauen wir nicht lange auf die Verpackung, sondern widmen wir uns dem Inhalt. Wir befinden uns im Jahre 1976. Die Band war in dieser Zeit vornehmlich damit beschäftigt, kleinere Turnhallen in der deutschen Provinz zu bespielen. Musikalisch waren sie allerdings für eine Hardrockband sehr breit aufgestellt – ganz und gar nicht provinziell. Man mag das als Zwischenstufe in der Entwicklung betrachten, die dann 1991 im Winde der Veränderung gipfelt, bestens verankert im deutschen Kollektivgedächtnis. Man kann es aber auch als vorläufigen Höhepunkt des kreativen Schaffens der Band betrachten. Die Scorpions stehen am Scheideweg. Der unsagbar sensationelle Gitarrist Jon Uli Roth, von dem bis zu diesem Zeitpunkt auch grob die Hälfte des Songmaterials stammte, hatte bereits die innerliche Kündigung vollzogen. Auf dem Folgealbum waren wesentlich weniger Kompositionen von Roth vorhanden. Die anschließende Japan-Tournee, festgehalten auf »Tokyo Tapes«, ist als letzter Dienst an der Band zu verstehen, da diese es bislang versäumte, sich nach adäquatem Ersatz umzuschauen. Eventuell bestand Hoffnung, Roth noch umstimmen zu können. Offensichtlich hat man sich nicht im Streit getrennt.
Roths Gitarrenspiel ist eine Mischung aus Hendrix-artigen Riff/Lick-Kombinationen und melodiösen, klassisch anmutenden Melodien. Eher nicht bluesorientiert wie bei amerikanischen oder englischen Bands. Naheliegend insofern, als die Tradition oder die Kultur, aus der ein Künstler stammt, dessen Schaffen beeinflusst, vielleicht auch nur unterbewusst. In der norddeutschen Tiefebene um Hannover finden sich nun mal keine Baumwollfelder. Aber hier lebte zum Beispiel ein gewisser Bach. Der deutsche Sonderweg im Hardrock jener Tage.
Obschon er hoch-virtuos agiert, sind seine Soli niemals bloßes Angeber-Gedudel. Jeder Ton sitzt, hat seine Funktion, ist songdienlich und insofern die eigentliche Definition einer Melodie-Gitarre. Nicht umsonst finden sich die Soli zu »Catch Your Train« oder »Sails Of Charon« in den Lehrplänen einschlägiger Gitarren-Hochschulen wieder.
Im krassen Gegensatz zu seinem Gitarrenspiel steht jedoch sein Gesang. Der ist eher monoton und gequält. Fast scheint es so, als müsse er jeden Ton herauspressen. Mit viel gutem Willen lässt sich jedoch auch hier eine Ähnlichkeit zu Jimi Hendrix konstruieren. Eventuell hat das Nacheifern dafür gesorgt, dass Roth nie so gesungen hat, wie es seiner Natur entsprochen hätte. Besonders deutlich wird dies bei »Hell Cat«. Der Song stößt den Hörer ohne Chance auf langsame Eingewöhnung in eine Gitarren-Lick-Orgie, die auch die harmonische Struktur des Songs bestimmt. Produktionstechnisch kommt Roths Gesang mal links, mal rechts und überlappt zudem. Es ist ein Schreien ohne Kraft. Ein heiseres Röcheln mit Spuk-Geräuschen. Buuuh! Nach einigem Hören und Verdauen jedoch entpuppt sich dieses sperrige Stück Musik als ziemlich persistent im aktiven musikalischen Gedächtnis. Hier zeigt sich der typische Effekt, dass Musik, die man sich mehr oder weniger mühsam erarbeiten muss, nachhaltiger wirkt als ein eingängiger Hit, der hier rein- und da rausgeht.
Am besten funktionieren Roth-Songs, wenn sie von Klaus Meine gesungen werden. Und von dieser Sorte gibt es zwei Stück auf dem Album, bei denen sich fast die Bezeichnung »Knaller« aufdrängt. Der eine ist der Titel-Song »Virgin Killer« und der andere die obligatorische