Heilende Metalle - eBook. Olaf Rippe

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      Elemente Gold und Quecksilber nach der Periodentabelle der modernen Chemie. (Hofmeier 2014: 112)

      Nach dem gleichen Muster der additiven statt substitutiven Theoriebildung (reine Quecksilber- versus Quecksilber-Schwefel-Theorie) brach die alchemische Tradition der sieben Metalle nicht ab, als neue Metalle, wie zum Beispiel das Antimon, auf den Plan traten (vgl. Hofmeier 2008). Im Gegenteil, es waren Alchemisten, die fortan Bücher zum Antimon schrieben – allen voran der geheimnisvolle Basilius Valentinus. Das Sowohl-als-Auch anstelle des Entweder-Oder, welches die alchemische Theorie prägt, galt in gleichem Maß für ihre Ausdrucksweise in Wort und Bild. Landläufig wird der Arkancharakter der alchemischen Kommunikation, die sich ungezählter Decknamen, verwirrender Metaphern und Allegorien bediente, um ihr Wissen vor Unbefugten geheim zu halten, betont. Dies wird der Tatsache nicht gerecht, dass die alchemische Art und Weise, sprachlich und visuell schwer nachvollziehbare Phänomene darzustellen, auch eine Verständnishilfe sein kann. Dabei soll die gezielte Geheimhaltung keineswegs geleugnet werden, die die Alchemisten immer wieder ausdrücklich forderten und überzeugend demonstrierten, aber auch bereits im 12. Jahrhundert als Hemmnis beklagten (vgl. Hofmeier 2014: 80–81; Bachmann/Hofmeier 1999: 9–13; Hofmeier 2017: 23–25).

      Zuweilen liegt aber gerade in der Komplexität einer alchemischen Schilderung der Schlüssel zum Verständnis eines Sachverhalts. Bis vor Kurzem hielt man die Zwölf Schlüssel von Basilius Valentinus oder das Rosarium, beides Werke voller Allegorien in Wort und Bild, für im besten Fall unverständlich, im schlimmsten Fall Nonsens. Beim Versuch, Basilius’ Anleitungen im Laboratorium nachzuvollziehen, stellte der Alchemiehistoriker Lawrence Principe allerdings fest, dass seine Resultate umso besser wurden, je exakter er sich an die skurrilen Anweisungen des pseudonymen Alchemisten hielt, und je unreiner die Ausgangsstoffe waren. Mit reinen Substanzen und handelsüblichen Apparaten aus dem Angebot des modernen Chemikalienhandels war Principe kein Erfolg vergönnt. Erst als er getreu den Angaben in den Zwölf Schlüsseln des Basilius »ungarisches Antimon« statt chemisch reines Antimon verarbeitete, traten die vom Alchemisten beschriebenen Effekte auf (vgl. Principe, S. 137–157).

      Metalle dominieren die Alchemie von den Urgründen im alten Orient und Ägypten, über die Schriften des Zosimos, zum metallurgischen Grundlagenwerk Gebers Summa perfectionis magisterii in sua natura … – das ein veritables Handbuch der experimentellen Metallurgie ist – bis hin zum noch von Newton hochgeschätzten Rosarium – dem Musterbeispiel transmutatorisch-philosophischer Spitzenalchemie für Fortgeschrittene. Alchemie der Metalle kann nüchtern praktisch daherkommen, wie bei Geber – weshalb er von manchen modernen Alchemiekritikern nicht zu den Alchemisten gezählt wird, weil seine Anleitungen im Labor nachvollziehbar sind – oder allegorisch derart verklausuliert wie das Rosarium, dass ein einhelliges Verständnis von Inhalt, Zweck und Deutung in weiter Ferne liegt.

      Was die praktische Anwendung angeht, darf Paracelsus nicht ausgelassen werden. Er hat metallische Pharmazie zwar nicht erfunden, sie aber wortgewaltig und lautstark propagiert. Paracelsus wies den Weg von der reinen Kräutermedizin der Mönche hin zur alchemischen Breitband-Pharmazie unter Einsatz aller Mittel – auch und gerade der Metalle.

      Ob reales Gold in der Retorte zu aurum potabile verkocht wird; ob philosophisches Gold in spekulativ philosophischen Übungen mehr Symbol als Materie ist; oder nicht zuletzt, ob die berüchtigte Goldmacherei durch Transmutation Reichtum verspricht und oft Ruin bedeutet: Alchemie förderte auf vielfältige Weise den wissenschaftlichen Fortschritt. Praktisch durch konkrete materielle, technische und chemische Errungenschaften, theoretisch durch den Anreiz, Grenzen auszuloten, und ganz allgemein durch das stete Streben nach Verbesserung der Welt. Alchemie war und ist getrieben vom Drang, den Aufbau der Welt, die Funktionsweise der Natur und das Zusammenspiel von Oben und Unten zu verstehen und basierend auf diesem Verständnis zu manipulieren. Dazu muss der wahre Alchemist sich spirituell läutern, wie das Gold im Feuer.

      »Der Baum aller Metallen« (aus: Martin Sturtz, De humido radicali, 1597). Auffallend sind die Zahlen 10, 100, 1000 am unteren Bildrand, die ein Hinweis auf eine schrittweise Vergeistigung sind, wie sie später Samuel Hahnemann in der Potenzierungsidee der Homöopathie weiter ausführte.

      Der Bergmann und Alchemist Martin Sturtz vom Geyer hat eine Reihe atemberaubender Illustrationen geschaffen, die das Wesen der Metalle nach alchemischer Theorie darstellen (vgl. Bachmann/Hofmeier 1999: 126– 139). Obwohl er durch seine Tätigkeit im Bergbau sehr praktisch und buchstäblich an der Quelle der Metalle tätig war, hat sich Sturtz intensiv mit den kosmologischen und theologischen Voraussetzungen der Metalle beschäftigt. Sein Schema »Baum aller Metalle« irritiert auf den ersten Blick, weil die namensgebenden Metallbäume in der unteren Bildhälfte kopfüber nach unten wachsen, während die im Erdinnern zu verortenden Metalllagen gekreuzt im oberen Bildbereich auftreten (Fig. 6/7). Nur scheinbar ist oben und unten verkehrt worden, wie der Bildtext im Schema deutlich macht (Orthografie modernisiert):

      »Der Baum der Metalle kommt vom Einfluss des Himmels, kehrt seine Wurzeln zu Tage gegen den Himmel, sein Himmelstau befeuchtet die Flores (Blumen) aus dem Meer. Da werden die Metalle gekocht mit ihrer eigenen Sonne, Mond und Gestirnen.

      Nach der Trinität und dem Heiligen Kreuz ist alles beschaffen.

      Die Erde ist stratiert (geschichtet) nach dem Himmel geschaffen, ihre Vollkommenheit in der Mitte: Minera.«

      Das Hauptanliegen des Bildes ist es aufzuzeigen, wie die himmlischen Einflüsse der »Trinität« – was auf die Göttliche Dreifaltigkeit sowie die drei Prinzipien Sal, Sulphur und Mercurius anspielt – durch drei als Katharakte bezeichnete Röhren die Wurzeln der sieben Metalle speisen. Die sieben Metallbäume sind, wie auch die zweimal sieben gekreuzten Lagen der Metalle, jeweils mit ihren Symbolen gekennzeichnet. Sturtz setzt das Gold respektive die Sonne ins Zentrum der Siebenergruppe und lässt die Metallbäume in verschiedene Höhen wachsen.

      Die Bildtexte, welche im Rahmen und im Innern in vier Richtungen stehen, geben einen grafischen Hinweis auf den theoretischen Inhalt, der sich durch eine allmähliche Drehung der Darstellung erschließen lässt. Kopfüber betrachtet, stehen die Metallbäume »richtig« und die Metallschichten sind unten in der Erde – wie oben so unten.

      6 »Der mineralische Mercurius, der pflanzliche Mercurius, der tierische Mercurius ist eins.«

      7 Quelle: Pharmaziemuseum Basel; aus Bachmann/Hofmeier 1999, S. 90, Bild 41

       »Die Natur liefert nichts, was vollendet ist (…) Sondern der Mensch muss es durch spagyrische Bereitung dahin bringen, wozu es von der Natur bestimmt wurde.«

       PARACELSUS, BD. III: 321

      Vom Stoff zur Arznei

      Markus Giesder

      In der Alchemie gibt es zwei grundlegende Wege vom Stoff zur Arznei, »den sogenannten kurzen, trockenen Weg und den sogenannten langen, nassen Weg. Aber die Bezeichnung nasser und trockener Weg ist eigentlich nur sehr bedingt richtig, denn (…) das, was zuerst bereitet werden muss, ist das Salzfeuer8, was nicht ohne Zuhilfenahme von Wasser möglich ist.« (Bernus, S. 232)

      Alexander von Bernus führt zwei grundlegende Gegebenheiten auf, die auch heute noch gültig sind. Einerseits nennt er zwei grundsätzlich unterschiedliche Aufschlussarten mineralischer Ausgangsstoffe, die aber auch ineinander übergehen können; und andererseits weist er darauf hin, dass ein anorganischer Stoff aufbereitet werden muss, bevor ihn der menschliche Körper überhaupt aufnehmen kann; und da der menschliche Organismus zu 90 Prozent aus Wasser besteht, muss dieser »Mercurius«9 wasserlöslich sein.

      Der Meister wird


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