Einführung in die Beratungspsychologie. Susanne Nußbeck

Einführung in die Beratungspsychologie - Susanne Nußbeck


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vorher darüber aufgeklärt werden und einverstanden sein. Manchmal werden Dokumentationen von Beratungsverläufen in Akten weitergegeben, vornehmlich an Kostenträger, so dass die Vertraulichkeit nicht immer gegeben ist. Auch in Gruppenberatungen ist zwar der Leiter zum Schweigen verpflichtet, nicht jedoch die übrigen Teilnehmer (Linden/Helmchen 2018). Problematisch ist, wenn im Verlauf der Beratung geplante oder bereits begangene strafbare Handlungen, beispielsweise Kindesmisshandlungen oder Missbrauch, offenbar werden, eine Suizidgefährdung erkennbar ist oder andere Personen geschützt werden müssen, wie bei einer HIV-Infektion des Ratsuchenden oder einer Bedrohung Dritter. Dann steht der Berater vor dem Dilemma, Rechtsgüter gegeneinander abwägen zu müssen, den Beratungsprozess zu gefährden oder geeignete Möglichkeiten zu finden, die Information weiterzugeben, ohne die Schweigepflicht zu brechen. Dann kann der Berater nicht mehr nur im Sinne des Klienten, sondern muss auch im Sinne gefährdeter Dritter handeln (McLeod 2013a).

      Freiwilligkeit

      Grundsätzlich setzt effektive Beratung Freiwilligkeit voraus. Diese Voraussetzung ist in der Praxis nicht immer gegeben, wenn beispielsweise gesetzliche Beratungspflicht bestimmt ist oder von Gerichten oder anderen Institutionen Auflagen, eine Beratung in Anspruch zu nehmen, gemacht werden. Eine solche „Verordnung“ von Beratung belastet die beratende Beziehung und macht zunächst einen Prozess der Vertrauensbildung nötig, so dass der Klient sich öffnen und das Beratungsangebot annehmen kann (Glöckler 2013). Dies gelingt nicht immer und darf dem Klienten nicht schuldhaft angelastet werden, so dass der Berater möglicherweise persönlich betroffen ist, wenn seine Angebote verschmäht werden.

      Motivation des Beraters

      Die Motivation des Beraters, helfend tätig zu werden, kann ganz unterschiedlich sein. Ein gelegentlicher Ratgeber hat meist persönliche Motive, die in der Beziehung zum Ratsuchenden liegen, dessen Wohlergehen ihm wichtig ist, den er vor Schaden bewahren oder dem er einfach seine Lebensweisheit weitergeben will. Der professionelle Berater hat ebenfalls offene und auch verdeckte Motive, gerade diese Rolle einzunehmen, über die er sich klar sein muss, will er sich nicht in der helfenden Beziehung in eigene Probleme verstricken.

      Ökonomisierung der Hilfe

      Die Professionalisierung helfender Beziehung führt auch zu ihrer Ökonomisierung. Der Berater verdient, ähnlich wie der Therapeut oder der Arzt, sein Geld mit den Problemen anderer Menschen. Wenn der Ratsuchende auf den Kostenfaktor reduziert wird, kann das die Regulation des Beratungsprozesses belasten, indem er beispielsweise nicht rechtzeitig beendet wird. Bei institutionalisierter Beratung in öffentlichen Stellen, stellt sich dieses Problem weniger, weil die Berater unabhängig von den finanziellen Beiträgen der Klienten bezahlt werden. Es kann jedoch bei drohender Schließung und dem erforderlichen Nachweis der Notwendigkeit einer Beratungsstelle dazu kommen, dass Beratungsverhältnisse unnötigerweise begonnen oder in die Länge gezogen werden.

      Beratungsrecht

      Es gibt kein allgemeines Beratungsrecht, das Rechtsnormen für Verantwortlichkeiten im Beratungsprozess festlegt. Entsprechende Hinweise finden sich in den Sozialgesetzen, dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII), im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), im Strafrecht, im Psychotherapeutengesetz (PsychThG) oder in den gesetzlichen Grundlagen zur Ausübung des Heilpraktikerberufes (Barabas 2004). Die ethische Verantwortung für den Beratungsprozess ist in das Ermessen des einzelnen Beraters gestellt, der sich wiederum an den Statuten seines Berufsverbands orientieren kann, die meist ethische Grundsätze beinhalten. Für ein berufsregelndes Gesetz, um Fachlichkeit und Vorbildung des Beraters zu garantieren, wäre ein einheitliches Berufsbild des Beraters allerdings hilfreich (Barabas 2004).

      1. Was sind Felder psycho-sozialer Beratung?

      2. Wie kann man Beratung definieren?

      3. Was ist das allgemeine Ziel von Beratung?

      4. Was unterscheidet Beratung von Therapie?

      5. Welche ethischen Grundsätze muss ein Berater einhalten?

      6. Welche Probleme können sich in der Beziehung zwischen Berater und Klient ergeben?

      Kommunikation als Form zwischenmenschlicher Beziehungen ist Gegenstand unterschiedlicher Wissenschaften und bildet die Grundlage vieler Anwendungsbereiche. Verschiedene Kommunikationsmodelle, die die Schwerpunkte unterschiedlich setzen, mehr die Kanäle der Übertragung, mehr die sprachliche Kommunikation, mehr den herbeizuführenden Konsens, die kommunikative Kompetenz, mehr den Wechsel der Perspektiven oder die kollaborative Konstruktion von Bedeutungen fokussieren, sind entwickelt worden und finden ihre Entsprechungen in den Beratungskonzepten.

      Zweifellos und für den naiven Betrachter selbstverständlich geschieht Kommunikation hauptsächlich in Sprache. Nonverbale, unmittelbar verständliche, aber schwer bewusst kontrollierbare Anteile spielen jedoch eine große Rolle bei der gegenseitigen Verständigung. Kommunikative Handlungen werden durch Mimik, Blickverhalten, parasprachliche Mittel und Körperhaltung gesteuert, soziale Rollen oder das Selbst dargestellt und gewünschte Eindrücke vermittelt. Dem Berater nützt die Kenntnis nonverbaler Kommunikationsmittel, um die Botschaften seines Klienten zu verstehen, sein eigenes Verhalten zu kontrollieren und sich auf den Klienten einzustellen.

      Beratung geschieht in Interaktion und verbaler Kommunikation zwischen Ratsuchendem und Berater in einem wechselseitigen Prozess. Impulse aus den verschiedensten Wissenschaften, der Philosophie, der Soziologie, der Sprachpsychologie, der Sozialpsychologie, der Technologie, um nur einige zu nennen, bestimmen die heutige Kommunikationspsychologie, die wiederum für viele Anwendungsbereiche, wie Medienwissenschaften, Werbung und eben auch Beratung Grundlagen schafft. Erkenntnisse aus der Kommunikationspsychologie sind hilfreich, wenn man verstehen will, was im Beratungsprozess geschieht, warum sich Ratsuchende unverstanden fühlen können, Berater manchmal glauben, „gegen eine Wand zu reden“, vermeintliche Klarstellungen doch nicht klar sind und Missverständnisse auftreten.

      Der Begriff „Kommunikation“, abgeleitet aus dem lateinischen „communicare“, was u. a. „miteinander besprechen, mitteilen“ bedeutet, ist im Deutschen über die Nachrichtentechnik zu seiner heutigen Bedeutung und Verbreitung gekommen, obwohl er schon lange bekannt war. So sind frühe Kommunikationsmodelle auch der Nachrichtentechnik entlehnt.

      Sender-Empfänger-Modell

      In dem bereits 1949 entwickelten, aber heute noch oft als grundlegend angenommenen Modell (siehe Abbildung 1) wird von einer Informationsquelle ausgegangen, einem Sender mit einem gewissen Vorrat an Zeichen, mit dem er seine Nachricht verschlüsselt, über einen Informationskanal weitergibt an einen Empfänger, der ebenfalls einen Vorrat an Zeichen hat, mit dem er die Nachricht entschlüsselt und in seinen Informationsspeicher aufnimmt. Sender und Empfänger müssen natürlich die gleiche Kodierung verwenden, wenn sie erfolgreich kommunizieren wollen, und auf dem Weg der Übertragung können Störungen auftreten, die die ordnungsgemäße Weitergabe der Information gefährden (Shannon / Weaver 1949). In diesem rein technologischen Modell geht es hauptsächlich um die Übertragung, die Kanalkapazität, also die Menge und Güte der Daten, die übermittelt werden kann. Inwieweit die Zeichen bei Sender / Sprecher und Empfänger / Hörer tatsächlich identisch sind, wird ebenso vernachlässigt, wie die wechselseitige Abhängigkeit, indem jeder Sender gleichzeitig Empfänger sein kann. Welche Bedeutung und welche Funktion die Kommunikation für Sender und Empfänger hat, wird in diesem technischen Modell ebenfalls nicht beachtet, die Bedeutung ist eine Eigenschaft der Botschaft selbst. Das war von den Autoren als Mitarbeiter der „Bell Telephone Laboratories“, denen es um eine möglichst störungsfreie Übertragung ging, auch nicht anders beabsichtigt (Frindte 2001).

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