Allgemeines Verwaltungsrecht. Mike Wienbracke
1 S. 1 VwGO) geprüft, so kann hierauf nachfolgend (z.B. im Rahmen der Prüfung von § 35 S. 1 VwVfG) verwiesen werden.
c) Hoheitlich
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Die auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ergehende Maßnahme muss nach § 35 S. 1 VwVfG ferner „hoheitlicher“ Natur sein.
Eine Maßnahme ist dann als hoheitlich zu qualifizieren, wenn die Behörde einseitig Gebrauch macht von den ihr zustehenden öffentlich-rechtlichen Befugnissen.[41]
Während öffentlich-rechtliche Befugnisse auch Handlungen der Verwaltung umfassen, die diese im Einvernehmen (konsensual) mit dem Bürger, d.h. zweiseitig, vornimmt (z.B. öffentlich-rechtlicher Vertrag gem. §§ 54 ff. VwVfG; Rn. 94 ff.), zeichnet sich der Verwaltungsakt hingegen gerade dadurch aus, dass er unabhängig vom bzw. sogar gegen den Willen des Betroffenen erlassen werden „kann“ – nicht freilich auch „muss“, wie die Existenz von der Mitwirkung durch den Bürger bedürftigen antragsgebundenen (z.B. Baugenehmigung) und v.a. zustimmungsbedürftigen Verwaltungsakten belegt.[42] Während bei Letzteren der Betroffene mit der Erteilung/Verweigerung seiner Zustimmung den Erlass/Nicht-Erlass des inhaltlich nicht zur Disposition stehenden Verwaltungsakts beeinflussen kann (z.B. Beamtenernennung, Einbürgerung, Immatrikulation), hat der Bürger beim öffentlich-rechtlichen Vertrag hingegen zusätzlich zum „Ob“ auch auf das „Wie“, d.h. den Inhalt der Regelung, Einfluss.
Hinweis
Der z.T. vertretenen Ansicht[43], welche die Begriffe „hoheitlich“ und „öffentlich-rechtlich“ miteinander gleichsetzt (Pleonasmus bzw. Tautologie), kann demnach nicht gefolgt werden.[44]
Beispiel[45]
Unternehmer U waren von der Behörde B für einen Zeitraum von zwei Jahren Beihilfen gewährt worden. Bei einer späteren Betriebsprüfung kam B zu dem Ergebnis, dass U einerseits für das erste Jahr Beihilfen i.H.v. 30 000 € zu viel erhalten hatte, ihm andererseits für das zweite Jahr weitere Beihilfen i.H.v. 80 000 € zustanden. Aufgrund dieses Prüfungsergebnisses forderte B von U per Bescheid einen Betrag i.H.v. 30 000 € zurück und bewilligte U in einem weiteren Bescheid einen Betrag i.H.v. 80 000 € nach. Zwecks Verfahrensvereinfachung setzte B diesen Betrag im Wege einer von ihr erklärten „Verrechnung“ von dem Rückforderungsbetrag i.H.v. 30 000 € ab und zahlte an U nur den Differenzbetrag i.H.v. 50 000 € aus. U ist der Auffassung, dass die von B erklärte Aufrechnung mit der von ihr behaupteten Gegenforderung unzulässig sei und erhebt daher Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht. Ist diese Klageart vorliegend statthaft?
Nein. Nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist die Anfechtungsklage nur dann statthaft, wenn der Kläger die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt. Das ist in Bezug auf die von B erklärte Aufrechnung allerdings gerade nicht der Fall. Die Aufrechnungserklärung ist – ähnlich wie die Erfüllung einer Geldschuld durch Zahlung eines Geldbetrags – für sich allein noch kein Verwaltungsakt i.S.v. § 42 Abs. 1 VwGO sowie § 35 S. 1 VwVfG. Vielmehr handelt es sich bei der Aufrechnung um die Ausübung eines schuldrechtlichen Gestaltungsrechts und erfolgt in der Regel gem. §§ 387, 388 BGB durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung eines Schuldners, der zugleich der Gläubiger seines Gläubigers ist. Die Aufrechnungserklärung ist also eine Handlung, die der Erfüllung der eigenen Verbindlichkeit dient und dabei gleichzeitig die Befriedigung der eigenen Forderung bewirkt. Die Erklärung wird ohne Rücksicht darauf, ob die Aufrechnung seitens des Bürgers oder seitens der Behörde erfolgt und ob mit einer privatrechtlichen gegen eine öffentlich-rechtliche (§ 395 BGB), mit einer öffentlich-rechtlichen gegen eine privatrechtliche oder mit einer öffentlich-rechtlichen gegen eine öffentlich-rechtliche Forderung aufgerechnet wird, nicht aus einer hoheitlichen Position abgegeben. Sie ergeht damit ähnlich wie eine Willenserklärung, mit der ein öffentlich-rechtlicher Vertrag (Aufrechnungsvertrag) geschlossen wird, auf einer gleichgeordneten rechtlichen Ebene.
d) Behörde
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Die auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffene hoheitliche Maßnahme muss gem. § 35 S. 1 VwVfG zudem von einer „Behörde“ vorgenommen worden sein, damit sie als Verwaltungsakt qualifiziert werden kann.
Der Legaldefinition des § 1 Abs. 4 VwVfG[46] zufolge ist unter dem Begriff Behörde – unabhängig von ihrer Bezeichnung[47] – „jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt“, zu verstehen (funktioneller bzw. verwaltungsverfahrensrechtlicher Behördenbegriff[48]), wobei „Stelle“ wiederum jede durch Rechtssätze des öffentlichen Organisationsrechts geschaffene, überindividuelle, mit konkreten Verwaltungszuständigkeiten ausgestattete organisatorische Einheit eines Trägers der öffentlichen Verwaltung meint.[49]
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Nicht um einen Verwaltungsakt (Nicht- bzw. Scheinverwaltungsakt) handelt es sich daher zum einen dann, wenn das betreffende Verhalten nicht einer Behörde zugerechnet werden kann (z.B. Aufstellen eines Verkehrsschilds i.S.d. StVO durch einen [nicht beliehenen] Privaten ohne behördlichen Auftrag;[50] vgl. die Beispiele in Rn. 29 und Rn. 52).
Hinweis
„Erforderlich, aber auch genügend für die Annahme eines Verwaltungsakts in Abgrenzung von einem Nichtakt (Scheinverwaltungsakt) ist dann, wenn die betreffende Maßnahme eine Behörde als Entscheidungsträger ausweist, intern jedoch ein Privater sie getroffen hat, dass die nach außen in Erscheinung tretende Behörde das Tätigwerden des Privaten als Geschäftsbesorger veranlasst hat, der Geschäftsbesorger also mit ihrem Wissen und Wollen tätig geworden ist. Hiervon kann nur gesprochen werden, wenn die von dem Geschäftsbesorger durchzuführende Tätigkeit ihrer Art und ihrem Umfang nach so hinreichend genau bestimmt ist, dass ohne Weiteres feststellbar ist, ob er sich im Rahmen der ihm übertragenen Tätigkeit gehalten hat.“ Dass die Behörde den Inhalt des Bescheids ggf. nicht kannte und ihn daher vor seinem Erlass nicht auf seine Richtigkeit hin überprüfen konnte, führt zu keiner anderen Beurteilung der Verwaltungsaktqualität.[51]
Zum anderen ist der Behördenbegriff auf die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben begrenzt, so dass Maßnahmen auf dem Gebiet der Gesetzgebung, der Regierung und der Rechtsprechung ebenfalls nicht unter § 35 S. 1 VwVfG fallen. Verfassungs-, prozess-, straf-, kirchen- und völkerrechtliche Tätigkeiten gehören zwar zum öffentlichen Recht, nicht aber zu dessen Teilbereich des Verwaltungsrechts und sind daher keine Verwaltungsakte. Aufgrund der funktionalen Definition des Behördenbegriffs in § 1 Abs. 4 VwVfG kann es allerdings durchaus vorkommen, dass auch Organe der Gesetzgebung sowie der Rechtsprechung einmal als „Behörde“ zu qualifizieren sind, nämlich dann, wenn sie im konkreten Fall Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (z.B. Erteilung eines Hausverbots durch den Präsidenten des Bundestags bzw. den Gerichtspräsidenten).
JURIQ-Klausurtipp
Über § 35 S. 1 VwVfG hinaus kann der Begriff „Behörde“ in der Klausurbearbeitung auch in folgenden Zusammenhängen relevant werden:
• | Zuständigkeit, vgl. § 3 VwVfG (Rn. 140 ff.); |
• |
Verwaltungsverfahren, siehe §§ 9 ff. VwVfG ( |