Allgemeines Verwaltungsrecht. Mike Wienbracke
durch den amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr bei Untersuchungen nach § 29 StVZO ist die Klage gem. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO[70] gegen den Technischen Überwachungsverein (TÜV) zu richten, bei dem der Sachverständige oder Prüfer angestellt ist (str.[71]).
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Abzugrenzen vom Beliehenen ist der Verwaltungshelfer, der selbst nicht Hoheitsträger ist, sondern dessen Handeln vielmehr unmittelbar der ihn im Rahmen der funktionalen bzw. funktionellen Privatisierung („Outsourcing“) einschaltenden Behörde zugerechnet wird (Rn. 348). Unter dem Begriff „Verwaltungshelfer“ sind mehr oder weniger unselbstständig agierende Private zu verstehen, die Hilfstätigkeiten im Auftrag und nach Weisung der Behörde wahrnehmen (z.B. Abschleppunternehmer, Bauunternehmer bei der Absperrung von Straßen, Schülerlotse).[72]
Beispiel[73]
Die Umzugsfirma U führte am 14.12. im baden-württembergischen S einen Umzug für den Kunden K durch. Zu diesem Zeitpunkt verfügte U über eine gem. § 45 StVO von der zuständigen Behörde B erteilte und noch bis zum 19.8. des Folgejahres gültige Erlaubnis, „bei durchzuführenden Umzügen Halteverbote nach Zeichen 283 StVO im Stadtkreis S aufzustellen“ (Jahresdauergenehmigung). 3 Tage vor dem Umzug stellte U Schilder zur Errichtung einer am Umzugstag gültigen Halteverbotszone vor dem Haus des K auf. Als an diesem Tag dort gleichwohl noch der Pkw des P abgestellt war, informierte U die Polizei. Unter Hinweis auf die von U eingerichtete Halteverbotszone ordnet diese das Abschleppen des Fahrzeugs an. P fragt nach der Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens.
Der Abschleppvorgang als Teil einer Ersatzvornahme erweist sich als rechtswidrig. Ihr liegt ein vollstreckbarer Verwaltungsakt nicht zugrunde. Nach dem hier maßgeblichen § 2 LVwVG BW ist ein solcher aber Voraussetzung jeglicher Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung. Eine Halteverbotszone mit dem damit verbundenen – sofort vollziehbaren (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO analog, § 2 Nr. 2 LVwVG BW) – Wegfahrgebot ist durch das Aufstellen der entsprechenden Verkehrszeichen nicht wirksam eingerichtet worden. Dem Vorgehen des U lag eine verkehrsrechtliche Anordnung, die die Merkmale eines Verwaltungsakts in Gestalt einer Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2 Alt. 3 LVwVfG BW erfüllt, nicht zugrunde. Es fehlt bereits am Handeln einer Behörde (§ 1 Abs. 2 LVwVfG BW). Die Verkehrszeichen sind deswegen als bloße Schein-Verwaltungsakte (Nichtakte) einzustufen, die jedenfalls insoweit rechtliche Wirkungen nicht entfalten. Für den Erlass verkehrsregelnder Anordnungen sind nach § 45 Abs. 1 bis 1g StVO in erster Linie die Straßenverkehrsbehörden zuständig. Diese können nach § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StVO zur Durchführung von Arbeiten im Straßenraum die Benutzung bestimmter Straßen beschränken. Nach dem Grundsatz der Selbstorganschaft muss die zuständige Behörde die ihr zugewiesenen Aufgaben grundsätzlich durch eigene Bedienstete erfüllen. Dieser Vorgabe entspricht das Vorgehen von B nicht. Denn der Einrichtung der Halteverbotszone im Interesse der Ermöglichung reibungsloser Be- und Entladungsarbeiten beim Umzug lag eine nach Ort und Zeit individualisierte und konkretisierte Anordnung von B nicht zugrunde. Vielmehr hat darüber allein U – ohne jegliche vorherige Ab- oder Rücksprache mit B – gemäß seinen betrieblichen Erfordernissen, wenn auch in dem durch die Jahresdauergenehmigung gesetzten allgemeinen Rechtsrahmen, entschieden. Dieses Vorgehen ist nicht durch § 45 Abs. 6 StVO gedeckt. Danach müssen die Unternehmer vor dem Beginn von Arbeiten, die sich auf den Straßenverkehr auswirken, von der zuständigen Behörde Anordnungen nach § 45 Abs. 1 bis 3 StVO u.a. darüber einholen, wie ihre Arbeitsstellen abzusperren und zu kennzeichnen sind. Denn diese Bestimmung verlagert nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht etwa die Entscheidungskompetenz auf den privaten Unternehmer. Der Private wird nicht aufgrund ihm übertragener hoheitlicher Befugnisse eigenständig regelnd tätig. Vielmehr obliegt ihm – insoweit als einem bloßen Verwaltungshelfer – lediglich die tatsächliche Umsetzung der zuvor von der zuständigen Behörde getroffenen Entscheidung, indem er deren Anordnungen mittels der Verkehrszeichen gemäß § 39 Abs. 2, § 45 Abs. 4 StVO bekannt gibt.
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Schließlich kann die Verwaltung im Rahmen der ihr eröffneten Wahlfreiheit (Rn. 11) ihre Aufgaben auch in privatrechtlicher statt in öffentlich-rechtlicher Form wahrnehmen. Dies nicht nur dadurch, dass ein Verwaltungsträger für seine Handlungen die Form des Privatrechts wählt (Rn. 22). Vielmehr kann er sich auch im Hinblick auf die Organisationsform derjenigen Einrichtung, der die Wahrnehmung bestimmter Verwaltungsaufgaben übertragen und deren Anteile vom jeweiligen Verwaltungsträger entweder zu 100% gehalten (Eigengesellschaften) oder von diesem mehrheitlich beherrscht (gemischt-wirtschaftliche Unternehmen[74]) wird, (juristischer Personen) des Privatrechts bedienen (z.B. Stadtwerke GmbH), sog. formelle bzw. Organisationsprivatisierung.[75] Diese „privatrechtlich organisierten Verwaltungsträger“ vermögen im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen Verwaltungsträgern freilich ausschließlich in privat-, nicht aber auch in öffentlich-rechtlicher Form zu handeln (Ausnahme: Der privatrechtlich organisierte Verwaltungsträger wird beliehen, so z.B. gem. § 33 Abs. 1 S. 2 PostG die privatisierte Deutsche Post AG mit der Aufgabe der förmlichen Postzustellung; Rn. 29). Zieht sich der Staat aus der Erledigung der von ihm bisher wahrgenommenen Aufgaben dagegen ganz zurück und überlässt er diese dem privaten (gesellschaftlich-wirtschaftlichen) Bereich – in den er aber zwecks Gewährleistung der Gemeinwohlbelange weiterhin regulierend eingreift (z.B. durch die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen, vgl. Art. 87f GG) –, so liegt ein Fall der materiellen bzw. Aufgabenprivatisierung vor.
Verfassungsrechtliche „Privatisierungsgrenzen“ (z.B. bzgl. des Maßregelvollzugs und der Verkehrsüberwachung) können sich namentlich aus dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sowie aus Art. 33 Abs. 4 GG ergeben.[76] Denn „die Regelungs- und Sanktionsmacht, die [der Staat] von der Bevölkerung zur Begründung seiner eigenen Legitimation an sich zieht, [kann er nicht] so ohne Weiteres wieder an ,private Dienstleister‘ abgeben, damit diese dann für ihn als ,Subunternehmer‘ ohne Legitimation hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Mit dem Recht etwas zu ,dürfen‘, folgt nicht automatisch das Recht, mit diesem ,Dürfen‘ beliebig umzugehen. Der Bürger hat einen Anspruch darauf, dass der Staat die ihm gewährte Macht im Rahmen der ihm gewährten Regelungskompetenz eigenverantwortlich ausübt und nach Prinzipien eines Rechtsstaates gerichtlich überprüfbar rechtfertigt. Will ein staatliches Exekutivorgan die ihm gewährte Regelungs- und Sanktionsmacht delegieren, muss es dafür eine im Rahmen eines gesetzgeberischen Verfahrens durch die parlamentarische Repräsentation der Bevölkerung (Legislative) ergangene Ermächtigungsgrundlage haben. Soweit es sich nicht ohnehin um absolute hoheitliche Kernaufgaben handelt, die von einem derartigen Verfassungsrang sind, dass sie grundsätzlich nicht übertragbar sind, wozu insbesondere Justiz, Polizei und die Fiskalverwaltung gehören, muss in dieser Ermächtigungsgrundlage klar und eindeutig bestimmt sein, was übertragen wird, warum es übertragen wird, wie es übertragen wird und wie es kontrolliert wird.“[77]
e) Zur Regelung
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Des Weiteren muss die hoheitliche Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts von der Behörde „zur Regelung“ getroffen worden sein, um Verwaltungsaktqualität i.S.v. § 35 S. 1 VwVfG besitzen zu können.
Der