Allgemeines Verwaltungsrecht. Mike Wienbracke
anderen Behörde oder eines Ausschusses war nicht i.S.d. Vorschrift „aufgrund einer Rechtsvorschrift erforderlich“. Über die Aufstellung und Entfernung von Verkehrsschildern entscheidet nach § 45 Abs. 1 StVO – abgesehen von den hier nicht gegebenen Fällen des § 45 Abs. 1b S. 2 StVO – allein die zuständige (staatliche) Straßenverkehrsbehörde im Rahmen einer der Gemeinde übertragenen Auftragsangelegenheit. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte aufgrund von § 38 Abs. 3 VwVfG nicht mehr an die Zusicherung gebunden wäre, liegen nicht vor.
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Mangels abschließender Anordnung, d.h. letztverbindlicher Regelung, ebenfalls keinen Verwaltungsakt stellen schließlich verfahrensrechtliche Vorbereitungshandlungen i.S.v. § 44a S. 1 VwGO sowie bloße Teilakte dar (Rn. 67).
Beispiel 1[106]
Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens als Maßnahme im Rahmen der Sachverhaltsermittlung durch die Fahrerlaubnisbehörde zwecks Vorbereitung der abschließenden Entscheidung über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen. Die bloße Anordnung begründet selbst keine Rechtspflicht für den Betroffenen, das Gutachten einholen zu müssen, sondern vielmehr lediglich eine entsprechende Obliegenheit, aus deren Nichterfüllung die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung allerdings nachteilige Schlüsse ziehen darf, siehe § 11 Abs. 8 S. 1 FeV.
Beispiel 2[107]
Mangels Regelung – und Außenwirkung – ebenfalls kein Verwaltungsakt ist die (wiederum lediglich vorbereitende) Eintragung von Entscheidungen von Verwaltungsbehörden und Gerichten über Verkehrsverstöße eines Bürgers in das Fahreignungsregister (§ 59 FeV; vormals: Verkehrszentralregister).
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Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass nur solchen Maßnahmen Verwaltungsaktcharakter zukommt, die eine endgültige Regelung treffen (vgl. § 9 VwVfG), hat die Rechtsprechung[108] im Bereich der Leistungsverwaltung entwickelt, wo trotz des mit Nebenbestimmungen (Rn. 77 ff.), Teilgenehmigungen (Rn. 68), Vorbescheiden (Rn. 68) und Zusicherungen (Rn. 63) breit gefächerten Instrumentariums verwaltungsbehördlicher Handlungsformen sowie der Möglichkeit von Abschlagszahlungen mitunter dennoch das praktische Bedürfnis nach einer vorläufigen Regelung durch die Verwaltung besteht. Derartig „vorläufige Verwaltungsakte“[109], die namentlich in §§ 164 f. AO für den Bereich des Steuerrechts und in § 42 SGB I für den Bereich des Sozialrechts schon seit langer Zeit gesetzlich vorgesehen sind (ferner z.B. § 8a BImSchG, §§ 11 f. GastG, § 37 Abs. 1 KrWG), ergehen typischerweise auf Basis einer lediglich summarischen Prüfung der Sach- (vgl. § 164 AO) bzw. Rechtslage (vgl. § 165 AO) durch die Behörde und begründen für den Zeitraum ihrer Geltung (z.B. „vorbehaltlich des Ergebnisses der noch durchzuführenden Betriebsprüfung“) einen Rechtsgrund (causa) für das Behaltendürfen der dem Bürger staatlicherseits zugewandten Leistung, auf die er bei sorgfältiger Prüfung evtl. gar keinen Anspruch hätte. Ergeht die abschließende Entscheidung, in welcher die Behörde über das endgültige (Nicht-)Behaltendürfen befindet, so erledigt sich der vorläufige (begünstigende) Verwaltungsakt mit dieser, vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG (Rn. 295). Seiner Aufhebung unter den Restriktionen der §§ 48, 49 VwVfG (Rn. 310 ff.) bedarf es dann folglich nicht mehr.[110] Vor diesem Hintergrund werden vorläufige Verwaltungsakte nur im Fall der Leistungsgewährung – vorbehaltlich des Eingreifens einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage nicht aber auch im Bereich der Eingriffsverwaltung – als zulässig angesehen und dies auch nur dann, wenn ein „Anspruchsverdacht“ besteht, d.h. die „vorläufige Regelung als endgültige rechtmäßig wäre“ und dem Bürger ein Abwarten der Letzteren nicht zumutbar ist.[111]
Beispiel[112]
Auf Antrag der B-GmbH, die ein Busunternehmen betreibt, wurde dieser durch „Bescheid“ eine Zuwendung in Höhe von 85 % der Gesamtkosten für den beabsichtigten Neubau eines Omnibusbetriebshofs mit 70 Stellplätzen bewilligt. Auf Grundlage der Angaben der B-GmbH im Förderantrag wurden die Gesamtkosten hierfür vorläufig auf 10 Mio. € festgestellt und daraufhin 8,5 Mio. € an die B-GmbH ausbezahlt. In dem Bewilligungsbescheid heißt es u.a., dass falls sich nach der Bewilligung die Gesamtkosten des Vorhabens mindern, auch die Zuwendung anteilig ermäßigt. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten musste die B-GmbH nachfolgend einen Teil ihrer Busflotte veräußern, weshalb sie letztlich nur 42 anstatt der ursprünglich vorgesehenen 70 Stellplätze errichtete. Nach Prüfung der von der B-GmbH vorgelegten Verwendungsnachweise stellte die zuständige baden-württembergische Behörde mit „Schlussbescheid“ die zuwendungsfähigen Gesamtkosten auf 6 Mio. € fest, ermittelte unter Zugrundelegung des Fördersatzes von 85 % den endgültigen Zuwendungsbetrag mit 5,1 Mio. € und forderte die zu viel gezahlten 3,4 Mio. € zuzüglich Zinsen von der B-GmbH zurück. Diese meint, eine Rechtsgrundlage für die Zinsforderung sei nicht vorhanden und ficht den Bescheid insoweit vor dem Verwaltungsgericht an. Hat die B-GmbH mit ihrer Auffassung Recht?
Nein. Rechtsgrundlage für die Zinsforderung ist § 49a Abs. 3 LVwVfG BW. Zwar kommt eine unmittelbare Anwendung von § 49a Abs. 1, 3 LVwVfG BW hier nicht in Betracht. Denn der Zuwendungsbescheid hat seine Wirkung nicht teilweise infolge Aufhebung oder Eintritts einer auflösenden Bedingung, sondern dadurch verloren, dass er durch den Schlussbescheid ersetzt wurde. § 49a Abs. 1, 3 LVwVfG BW ist auf eine solchen Fall aber entsprechend anzuwenden. Der Zuwendungsbescheid hat seine Wirkung dadurch verloren, dass er durch den Schlussbescheid ersetzt wurde, vgl. § 43 Abs. 2 LVwVfG BW. Das Subventionsverhältnis wurde hier zunächst durch den Zuwendungsbescheid geregelt, der aber hinsichtlich der zuwendungsfähigen Gesamtkosten – und infolge dessen hinsichtlich des genauen Förderbetrags – unter den Vorbehalt der späteren Festsetzung gestellt und damit auf eine Ergänzung durch einen weiteren Verwaltungsakt angelegt war, durch den die Zuwendung in den offengehaltenen Punkten abschließend geregelt werden sollte. Dieser weitere Verwaltungsakt ist mit dem „Schlussbescheid“ ergangen. Der Vorbehalt endgültiger Regelung bewirkt, dass die Behörde die vorläufige Regelung im Ausgangsbescheid durch die endgültige Regelung im Schlussbescheid ersetzen kann, ohne insoweit an die Einschränkungen der §§ 48, 49 LVwVfG BW gebunden zu sein. Der Regelungsinhalt des Ausgangsbescheids besteht insoweit darin, dass der Begünstigte die empfangene Beihilfe nur vorläufig bis zum Erlass der endgültigen Entscheidung behalten darf. Deshalb geht die Bindungswirkung eines solchen Verwaltungsakts nicht dahin, dass er eine Rechtsgrundlage für das endgültige Behalten der Beihilfe bildet. Das bedeutet, dass es bei der späteren endgültigen Regelung keiner Aufhebung der unter Vorbehalt ergangenen Bewilligung bedarf. Die Behörde war nicht gehindert, eine in dem beschriebenen Sinne vorläufige Regelung zu treffen, handelt es sich doch auch bei dem „vorläufigen“ Verwaltungsakt um einen solchen i.S.d. §§ 35 LVwVfG BW. Seine Besonderheit liegt nicht in seiner Art oder Form, sondern allein in seinem Regelungsinhalt. Genauer ist daher nicht von einem „vorläufigen Verwaltungsakt“ zu sprechen, sondern von einem Verwaltungsakt, der eine nur vorläufige Regelung trifft. Auch gibt es im vorliegenden Zusammenhang des Subventionsrechts keine gesetzliche Bestimmung, die der Behörde eine derartige Regelung verbieten würde. Allerdings darf die Behörde eine Regelung nicht beliebig bloß vorläufig treffen, sondern lediglich dann, wenn ihr eine bestehende Ungewissheit hierzu sachlichen Grund gibt. Das ist bei einer tatsächlichen Ungewissheit nur dann der Fall, wenn sie Umstände betrifft, die erst künftig eintreten und die nach dem Gesetz auch nicht im Wege einer Prognose zu schätzen sind. So lag es hier: Die maßgeblichen zuwendungsfähigen Gesamtkosten standen im Zeitpunkt des Zuwendungsbescheids nicht fest und waren