Allgemeines Verwaltungsrecht. Mike Wienbracke
eines Rechts oder einer Pflicht.[78] Im Zusatz „zur“ kommt zum Ausdruck, dass das Ziel der behördlichen Tätigkeit gerade final auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet sein muss, die Regelung also nicht bloß faktischer Reflex des Verhaltens der Behörde sein darf.[79]
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Der Inhalt der Regelung – der „verfügende Teil“ (§ 41 Abs. 4 S. 1 VwVfG) bzw. der „Tenor“ des Verwaltungsakts – ist im Wege der Auslegung analog §§ 133, 157 BGB zu ermitteln (vgl. Rn. 42 und das Beispiel in Rn. 205): „Öffentlich-rechtliche Willenserklärungen (Verwaltungsakte, Verwaltungserklärungen) sind auslegungsfähig und ggf. auslegungsbedürftig. Es handelt sich in der Regel um empfangsbedürftige Willenserklärungen [vgl. §§ 41 Abs. 1, 43 Abs. 1 VwVfG], die individualisiert sind, wenn von Allgemeinverfügungen abgesehen wird. Hierbei kommt dem Horizont des Erklärungsempfängers eine größere Bedeutung zu als im Fall abstrakt-genereller Regelungen […]. Eine Auslegung erfolgt […] nach dem objektiven Erklärungswert unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Erklärung. Abzustellen ist auf den erklärten Willen, wie ihn der Adressat von seinem Standpunkt aus bei verständiger Würdigung verstehen konnte“[80] – und nicht „auf den wirklichen Willen des Erklärenden (natürliche Auslegung)“[81]; etwaige Auslegungszweifel gehen zu Lasten der erklärenden Behörde. Insbesondere verbietet es sich „[w]egen des Bestimmtheitsgebots des § 37 Abs. 1 VwVfG […], in einen Verwaltungsakt verbindliche ,Zwischenentscheidungen‘ hineinzulesen, die dort nicht hinreichend klar zum Ausdruck kommen.“[82] Weil die Begründung die Erläuterung der Behörde ist, warum sie den verfügenden Teil ihres Verwaltungsakts so und nicht anders erlassen hat (vgl. Rn. 207 ff.), hat sie einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Regelungsgehalt und bestimmt daher den Inhalt der getroffenen Regelung mit, so dass sie in der Regel ein unverzichtbares Auslegungskriterium ist.[83] Im Einzelnen kann der jeweilige Regelungsinhalt namentlich bestehen in:
• | einem Ge-/Verbot eines bestimmten Verhaltens (Tun, Dulden, Unterlassen; sog. Verfügung[84] bzw. befehlender Verwaltungsakt), z.B. Abrissverfügung gem. § 82 S. 1 BauO NRW 2018, Versammlungsverbot gem. § 15 VersG, Vorschriftszeichen i.S.v. § 41 StVO; |
• | der Gestaltung (Begründung, Beendigung, Veränderung) eines Rechtsverhältnisses (vgl. § 80 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 VwGO), z.B. Beamtenernennung gem. § 8 BeamtStG bzw. § 10 BBG, Rücknahme/Widerruf eines Verwaltungsakts gem. §§ 48 f. VwVfG; |
• | der Feststellung eines Rechts oder einer rechtlich erheblichen Eigenschaft (vgl. § 80 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 VwGO), z.B. der deutschen Staatsangehörigkeit gem. § 30 StAG.[85] |
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Zusätzlich zu den vorgenannten Arten von Verwaltungsakten kann weiter differenziert werden zwischen begünstigenden (siehe § 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG; z.B. Subventionsbewilligung) und belastenden (z.B. Gewerbeuntersagung, § 35 Abs. 1 S. 1 GewO) Verwaltungsakten, wobei allerdings auch Mischformen zwischen beiden existieren (z.B. Teilablehnung eines Leistungsantrags; Leistungsbescheid [nur] in bestimmter Höhe; Genehmigungserteilung mit integriertem Gebührenbescheid). Ferner untersagt der Gesetzgeber mitunter ein bestimmtes Verhalten aufgrund dessen Sozialschädlichkeit generell (z.B. Erwerb von Betäubungsmitteln, § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) und gestattet es der Verwaltung nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zwecks Vermeidung unbilliger Härten eine Ausnahmebewilligung zu erteilen (z.B. Erlaubnis zum Verkehr mit Betäubungsmitteln zu wissenschaftlichen Zwecken, § 3 Abs. 2 BtMG), sog. repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt. Demgegenüber werden durch die Erteilung einer Kontrollerlaubnis (z.B. Baugenehmigung, § 74 Abs. 1 BauO NRW 2018) die im Interesse einer vorherigen behördlichen Prüfung nur vorübergehend eingeschränkten grundrechtlichen Freiheiten (z.B. Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG) wieder hergestellt, sog. präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.[86] Auch gibt es Fälle, in denen die im Verwaltungsakt ausgesprochene Regelung nicht nur Wirkung gegenüber dem Adressaten, sondern auch gegenüber Dritten entfaltet (Verwaltungsakt mit Drittwirkung[87], vgl. §§ 80 Abs. 1 S. 2, 80a VwGO; z.B. kann die dem Bauherren erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung seinen Nachbarn in dessen Rechten beeinträchtigen).
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Der vornehmlich dogmatische Streit um die Kategorie des dinglichen Verwaltungsakts, der sich (primär) nicht auf das Verhalten bzw. die Rechtsstellung einer Person, sondern auf eine Sache bezieht, hat aufgrund der Regelung in § 35 S. 2 VwVfG (Rn. 69) kaum praktische Bedeutung. Bei Lichte besehen richtet sich auch der dingliche Verwaltungsakt mittelbar letztlich an Personen, indem er deren Beziehung zur betreffenden Sache regelt. Plastisch Maurer/Waldhoff: „[A]uch die Baugenehmigung wird nicht dem Grundstück, sondern dem Bauherrn für sein Grundstück erteilt“[88].
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Auch kann sich der Regelungsinhalt eines Verwaltungsakts in der „bloßen“ Wiedergabe dessen erschöpfen, was sich bereits aus dem Gesetz ergibt. Das Vorhandensein einer Regelung setzt nämlich nicht etwa voraus, dass mit dieser vom Gesetz nicht vorgesehene oder von diesem gar abweichende Rechtsfolgen herbeigeführt werden sollen, wäre sie andernfalls doch zumindest im letztgenannten Fall wenigstens rechtswidrig (Rn. 18 ff., 215). Vielmehr besteht die Rechtswirkung derart feststellender Verwaltungsakte darin, dass sie für den Einzelfall verbindlich konkretisieren, was das Gesetz abstrakt-generell vorgibt (Rn. 39): „Ein feststellender Verwaltungsakt zeichnet sich dadurch aus, dass er sich mit seinem verfügenden Teil darauf beschränkt, das Ergebnis eines behördlichen Subsumtionsvorganges festzuschreiben. Seine Funktion besteht im Wesentlichen nicht in der Gestaltung, sondern der Publizierung der Rechtslage. In Abgrenzung zum befehlenden oder gestaltenden Verwaltungsakt ist der feststellende Verwaltungsakt nicht auf die Änderung der materiellen Rechtslage gerichtet. Seine Besonderheit besteht darin, dass Rechte des Betroffenen mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint werden. Die ,Regelung‘ im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG ist in diesen Fällen darin zu sehen, dass in einer rechtlich ungewissen Situation die Sach- und Rechtslage in dem Einzelfall durch eine verbindliche Feststellung mit Bindungswirkung als bestehend oder nicht bestehend festgestellt, konkretisiert oder individualisiert wird“[89]. Indizien dafür, dass eine Feststellung mit einer solchen Regelungswirkung versehen ist (z.B. Feststellung, dass eine Person die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt) und nicht nur schlicht getroffen wird (z.B. unverbindlicher Hinweis auf die Rechtslage als rein gesetzeswiederholende Maßnahme), „sind ihre ausdrückliche Erwähnung in einer Norm, eine in einem besonderen Verfahren durchgeführte Prüfung ihrer Voraussetzungen und an sie anknüpfende weitere Wirkungen“[90] sowie ferner der objektive Erklärungsgehalt der behördlichen Äußerung und die Klärungsbedürftigkeit des festgestellten Rechtsverhältnisses.
Beispiel[91]
Nach § 8 Abs. 1 VerpackV a.F. sind Vertreiber von Getränken in Einweg-Verpackungen verpflichtet, von ihrem jeweiligen Abnehmer ein Pfand zu erheben, das bei der Rücknahme der Verpackungen zu erstatten ist. Von ihren Pflichten sind sie freigestellt bei Einweg-Getränkeverpackungen, für die sich der Hersteller oder Vertreiber an einem Sammelsystem i.S.d. § 6 Abs. 3 VerpackV a.F. beteiligt (§ 9 Abs. 1 S. 1 VerpackV a.F.), dessen flächendeckendes Bestehen von der hierfür zuständigen Landesbehörde auf Antrag festgestellt wird (§ 6 Abs. 3 S. 11 VerpackV a.F.). Die Freistellung